Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

Der sozialpolitische Aspekt ist schon richtig: Menschen erhalten durch diese Arbeitspflicht wieder einen strukturieren Tagesablauf und das Gefühl, einer sinnlosen - nein: sinnvollen - Tätigkeit nachzugehen.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: War schon richtig, die Bemerkung, Herr Kollege!)

Was die Freiwilligkeit anbetrifft, sollten wir aber klipp und klar die Erfahrung mit aufnehmen, die in den Pilotprojekten gesammelt worden ist: Ohne die abschreckende Wirkung der Arbeitspflicht wird sich niemand um eine reguläre Stelle bemühen, wird die Schwarzarbeit nicht eingedämmt

(Herr Grünert, DIE LINKE: Quatsch!)

und wird auch die zuvor genannte sozialpolitische Komponente nicht zum Tragen kommen.

Die FDP-Fraktion lehnt diesen Antrag deshalb ab.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht Frau Hampel.

Ich wollte die Frau Präsidentin eigentlich bitten, die Rede aus gesundheitlichen Gründen zu Protokoll geben zu dürfen. Auch das nimmt die Frau Präsidentin nicht an.

Wenn Sie ganz ernste gesundheitliche Probleme haben, dann geben Sie die Rede zu Protokoll.

Ich bemühe mich, werde aber ein bisschen langsamer sprechen als vorhin. Es strengt nämlich doch an.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt die mit dem Antrag der LINKEN nochmals angestoßene Debatte über öffentlich geförderte Beschäftigung; denn wir sehen immer noch erheblichen Handlungsbedarf.

Die hohe Langzeitarbeitslosigkeit ist ein großes Problem in unserem Land und deshalb ist eine Diskussion immer aktuell.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die SPD möchte den Antrag der LINKEN daher an den Wirtschaftsausschuss überweisen.

Ich frage mich allerdings auch - Herr Minister Haseloff hat es schon gesagt -, ob es in Anbetracht der vorgegebenen Zeitschiene des Bundesministeriums für Arbeit und auch deshalb, weil es ein Bundesprogramm ist, noch zu Veränderungen in dem Konzept der bundesweiten Bürgerarbeit kommen wird. Das ist wohl sehr unrealistisch. Auch ich bin eher skeptisch.

SPD und CDU gehen mit einem sehr unterschiedlichen Grundverständnis an das Thema Bürgerarbeit heran. Das möchte ich kurz darstellen. Die Bürgerarbeit basiert - das wissen Sie; darüber haben wir schon mehrfach diskutiert - auf dem Gegenleistungsprinzip. Frau Take und auch Herr Franke von der FDP sind darauf eingegangen. Wir haben auf der einen Seite die Verbindlichkeit von Eigenbemühungen und auf der anderen Seite die Gegenleistung. Das bedeutet nichts anderes als die Pflicht zur Annahme von Bürgerarbeit bei entsprechender Sanktionierung im Falle der Ablehnung. Das unterliegt dem Grundsatz, jede Arbeit, die nicht sittenwidrig ist, ist eben zumutbar.

(Minister Herr Dr. Haseloff: Das hat schon Schrö- der formuliert!)

Die Verfechter dieses Gegenleistungsprinzips wie die CDU meinen, dass die Arbeitslosen, die einen öffentlich geförderten Arbeitsplatz angeboten bekommen, eher die Bereitschaft zeigen, statt diesem einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt anzunehmen. Diese These wird gestützt durch die Zahlen: Nämlich 20 % melden sich nach dem Angebot, eine Stelle in der Bürgerarbeit wahrnehmen zu können, ab und fallen aus der Arbeitslosenstatistik heraus. Das bestärkt natürlich auch Frau von der Leyen auf Bundesebene, dieses - ich sage in Klammern: erfolgreiche - Modell auch bundesweit zur Anwendung zu bringen.

Wir als SPD verfolgen allerdings einen anderen Ansatz. Wir wollen die Weiterentwicklung der Bürgerarbeit hin zu einem dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.

Wir gehen von der Grundannahme aus, dass es unter den Arbeitslosen generell eine hohe Bereitschaft gibt, Arbeit aufzunehmen,

(Zustimmung bei der LINKEN)

dass es aber eine Gruppe von Arbeitslosen gibt, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance auf Arbeit haben. Dabei setzen wir auf das Prinzip der Freiwilligkeit.

Was die Punkte betrifft, die die LINKEN in den Antrag aufgenommen haben, zum Beispiel angemessene Entlohnung, wenigstens 7,50 € brutto. Jetzt sagen die Gewerkschaften: 8,50 € brutto. Ich will mich nicht festlegen. Ich bin aber der Auffassung: Die Bürgerarbeit soll für die Menschen in der Bürgerarbeit eine gleichwertige Arbeit sein - Herr Minister Haseloff, Sie haben es auch mehrfach gesagt -; die soll dann aber auch ordentlich bezahlt werden.

Ich finde es auch richtig, dass die Menschen, wenn sie drei Jahre Bürgerarbeit geleistet haben, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben sollten - ob nun für ein Jahr oder nicht, darüber können wir gern diskutieren.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich will an dieser Stelle nicht weitermachen; ich habe meine Redezeit überschritten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Frau Hampel. - Für die Landesregierung hat noch einmal Herr Dr. Haseloff um das Wort gebeten.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Ich will den Reigen nicht noch einmal neu aufmachen, aber eine Information zur Klarstellung nachschieben, damit wir die Diskussion, wenn wir über das Thema weiter diskutieren, auch über die Punkte führen, die inhaltlich etwas gestaltbar sind, bzw. über die Projekte im kommunalen Bereich in Sachsen-Anhalt, die formbar sind.

Ich will nur sagen: Die Stufen 1 bis 3 des Konzepts für die Bürgerarbeit sind auf der Basis des ganz normalen SGB-II-Konzepts der rot-grünen Bundesregierung konzipiert worden. Das heißt, es ist eine Mitwirkung gefordert. Mitwirkung heißt, dass ich mich aktivieren lasse, dass ich mich prüfen lasse, ob ich sofort vermittelbar bin, ob ich qualifizierbar bin usw. usf. Das ist ein ganz normales Verfahren, das schon nach dem alten BSHG üblich war und das an den Leistungsbezug gebunden ist, dass ich entsprechend verfügbar bin und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.

Die vierte Stufe, der Eingang in die explizite Bürgerarbeit im Sinne eines Arbeitsvertrags, läuft ganz klar nach dem Vertragsrecht bzw. nach dem Prinzip, dass beide unabhängigen Vertragspartner einen Vertrag entweder schließen oder nicht schließen - Vertragsfreiheit ganz expliziter Natur. Das heißt, niemand kann zu irgendeiner Tätigkeit gezwungen werden und darf wegen einer Ablehnung eine Restriktion erfahren. Das ist ganz wichtig, weil auch eine Motivation dabei sein muss, weil es als ein offenes System in den ersten Arbeitsmarkt führen soll. Das ist wichtig.

Unsere Erfahrungen sagen, dass es noch nie zu so einem Fall gekommen ist. Die Problematik besteht eher darin, dass diejenigen, die kein Angebot bekommen haben, unzufrieden waren und sich darüber beschwert haben - damit wir das für uns glattziehen.

Ansonsten ist es ein interessantes Experiment, das wir jetzt auf größerer Ebene durchführen. Ich bin hochinteressiert daran, die Erfahrungen mit Ihnen gemeinsam auszuwerten.

Theoretisch ist der Reigen natürlich wieder aufgemacht worden. Von dieser Möglichkeit macht aber niemand Gebrauch.

(Herr Steinecke, CDU: Doch, Frau Dirlich!)

- Entschuldigung. Erwiderung, natürlich.

(Herr Stahlknecht, CDU: Wir können auch na- mentlich abstimmen! Das hatten wir schon lange nicht mehr!)

Aber nur dann, wenn Sie ausdrücklich darauf bestehen.

(Herr Stahlknecht, CDU: Ich nicht!)

Frau Take, 30 % sind ausgeschieden. Ich kann mich an die Zahlen in Bad Schmiedeberg nicht mehr hundertprozentig erinnern, aber von den annährend 500 Leuten waren es am Ende, glaube ich, 130 - der Minister wird die Zahlen besser als ich kennen oder sie sich zumindest besser als ich gemerkt haben -, die tatsächlich in die Bürgerarbeit mündeten. Es sind Leute in der Arbeitslosigkeit geblieben und es sind viele ausgeschieden. Ich glaube, es waren sogar noch mehr.

(Frau Take, CDU: 30 %!)

Aber man muss einmal dahinter gucken, was denn die Gründe dafür sind, dass Leute ausscheiden. Das ist natürlich auch interessant, weil das auch als ein Instrument zur Bekämpfung der Schwarzarbeit betrachtet wird.

Es werden zum Teil - das ist aus meiner Sicht ein interessanter Aspekt - auch bestimmte sittenwidrige Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen bekämpft, nämlich wenn jemand zum Beispiel einen Arbeitsvertrag über 15 Stunden bekommt und dann 40 Stunden arbeiten muss - alles schon erlebt.

Solche Dinge funktionieren dann unter den Bedingungen der Bürgerarbeit natürlich nicht mehr, wenn die Leute plötzlich nachweisen sollen, dass sie mehr als 15 Stunden arbeiten.

Deshalb muss man wirklich genauer dahinterschauen, warum 30 % ausgeschieden sind. Ich habe Sie so verstanden, dass immerhin 30 % gesagt haben: nee. So kann man das nicht sehen. Wie gesagt, in Bad Schmiedeberg waren es von nahezu 500 Leuten fünf, die jegliche Arbeit abgelehnt und gesagt haben, dass sie lieber - ich weiß es nicht - unter der Brücke schlafen oder sonst etwas tun.

Was die Höhe der Vergütung betrifft, haben wir, Frau Hampel, den Vorschlag der SPD aufgegriffen, nämlich den Vorschlag des Kollegen Steppuhn, den ich in der Zeitung nachlesen durfte. In Ihrem Konzept haben Sie eine Untergrenze von 7,50 € eingezogen. Aber in der Zeitung hat Kollege Steppuhn zumindest den Betrag 8,50 € genannt.

(Herr Gürth, CDU: Es wird bestimmt noch mehr!)

Was die Freiwilligkeit betrifft, Herr Franke, gibt es beim Kommunal-Kombi, selbst bei Ein-Euro-Jobs mehr Bewerbungen, mehr Bedarf, als Stellen vorhanden sind. Ich weiß nicht, wo Sie die Leute sehen, die grundsätzlich nicht von ihren Sofas hochzukriegen sind.

(Oh! bei der CDU - Herr Miesterfeldt, SPD: Es soll welche geben!)

Ich kenne auch ein paar Leute und ich kenne solche Beispiele. Aber ich habe immer wieder gesagt: An diesen Einzelbeispielen ein ganzes Gesetz hochzuziehen, für diese Einzelbeispiele ein Gesetz zu machen, das ist ein Problem.