Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 80. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der fünften Wahlperiode. Ich begrüße Sie alle, meine Damen und Herren, auf das Herzlichste.
Zunächst etwas besonders Angenehmes: Unser Kollege, der Abgeordnete Herr Ronald Doege, hat heute Geburtstag. Herr Doege, ich gratuliere Ihnen im Namen des Hohen Hauses und natürlich auch persönlich herzlich dazu und wünsche Ihnen viel Gutes.
Meine Damen und Herren! Wir setzen jetzt die 42. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung, wie gestern vereinbart, mit den Tagesordnungspunkten 14 und 15.
Ich erinnere Sie an die gestern vorgetragenen Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für heute haben sich Herr Dr. Aeikens ganztägig, Herr Dr. Daehre von 10.30 Uhr bis 13 Uhr und Herr Professor Dr. Böhmer ab 17 Uhr entschuldigt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hatte in der Sitzung vor der Sommerpause die Gebietsreform mit den Zuordnungsgesetzen eigentlich abgeschlossen. Aber nur eigentlich, weil es immer noch einen weißen Flecken auf der Landkarte gibt, nämlich die Gemeinde Allrode im Harz, wunderschön gelegen, mit 700 Einwohnern.
Der Gemeinde war es in der freiwilligen Phase nicht gelungen, rechtsverbindliche Lösungen zu schaffen. Der Ort - das muss man wissen - ist faktisch gespalten. Die einen wollen in den Oberharz, die anderen nach Thale. Es gibt zwei Wählergruppen. Die eine nennt sich „Pro Allrode“; das sind die, die in Richtung Oberharz wollen. Die andere nennt sich „Für Allrode“; die wollen nach Thale. Beide machen sich wechselseitig das Leben schwer und beschäftigen - das ist auch nicht unwichtig - in erheblichem Maße die Justiz. In einem Jahr sind etliche Verfahren, darunter mindestens sechs im einstweiligen Rechtsschutz, vor den Verwaltungsgerichten anhängig gemacht worden.
Der Landkreis Harz als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde hat sich bislang in allen Verfahren konsequent auf den Standpunkt gestellt, Allrode gehöre in den Oberharz.
In Übereinstimmung damit hat der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Zuordnung der noch offenen Fälle im Harz, der hier im Juni 2010 verabschiedet worden ist, die Zuordnung der Gemeinde Allrode zum Oberharz vorgesehen.
Frau Gorr, meine Kollegin aus dem Harz, und ich hatten uns im Vorfeld positioniert, dass wir uns hinter den Regierungsentwurf stellen und die Zuordnung in diese Richtung als sachgerecht empfinden. Doch aufgrund eines Änderungsantrages der Fraktionen der CDU und der SPD kurz vor der Ziellinie wurde Allrode aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Heute bringen wir den Gesetzentwurf diesbezüglich wieder ein. Das ist kein Sinneswandel, sondern ist der entstandenen Situation geschuldet.
Ich kann das auch kurz erklären: Am 11. Juni 2010, also wenige Tage bevor der Landtag das Gesetz beschlossen hatte, hat das Verwaltungsgericht Magdeburg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Landkreis verpflichtet, den mit der Stadt Thale geschlossenen Gebietsänderungsvertrag zu genehmigen. Das war die Grundlage für den Änderungsantrag.
Damals hat Herr Stahlknecht - wenn Sie gestatten, Herr Präsident, erlaube ich mir, aus dem Protokoll zu zitieren - Folgendes vorgetragen:
„… weil Gerichte am Ende möglicherweise in Rechtsmittelverfahren zu entscheiden haben, werden wir, die Legislative, in vornehmer Zurückhaltung die Entscheidung der Judikative abwarten. Wenn … noch gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, seien Sie versichert, dann ordnen wir dem Oberharz zu.“
So weit das Zitat. - Was ist seither geschehen? Der Landkreis hat gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts - das ist nicht überraschend - Beschwerde eingelegt.
Das Oberverwaltungsgericht hat daraufhin am 8. Juli 2010 die vorinstanzliche Entscheidung, den Landkreis zur Genehmigung zu verpflichten, aufgehoben,
Die Folge dieser Entscheidung ist, dass eine gerichtliche Klärung der Angelegenheit nunmehr nur noch im Hauptsacheverfahren möglich wäre. Das kann dauern. Inzwischen hat der Landkreis mit Verfügung vom 19. August 2010 die Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages mit Thale auch formell versagt. Gegen die Versagungsverfügung ist - auch das ist nicht überraschend - fristgemäß Widerspruch eingelegt worden.
Jetzt folgt wiederum eine langwierige juristische Auseinandersetzung durch die Instanzen. Die Entwicklung Allrodes wäre für lange Zeit gelähmt. Das wollen wir nicht. Als Gesetzgeber sollten wir wie in allen anderen Fällen auch hier unserer Verantwortung gerecht werden.
Klar ist aber auch: Egal was wir entscheiden, für die eine Hälfte des Ortes werden wir es nicht richtig machen können und werden deshalb natürlich mit Widerspruch leben müssen.
Das letzte Wort in dieser Sache wird sicherlich die Judikative haben. Aber nach einer Beschlussfassung durch
den Landtag gelangt es dann vor das Landesverfassungsgericht. Dort gehört es auch hin, meine Damen und Herren.
Wie in den anderen Fällen, die bereits vor dem Landesverfassungsgericht anhängig sind, wird das Landesverfassungsgericht zu entscheiden haben, ob der Gesetzgeber den Belangen des Gemeinwohls hinreichend Rechnung getragen hat. Ich denke, in dieser Gesamtschau wird auch der Gesetzentwurf, um den es heute geht, zu beurteilen sein.
Ich bedanke mich und beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Brachmann. - Zunächst hören wir dazu die Landesregierung. Ich erteile Herrn Minister Hövelmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich den jetzt von der Koalition eingebrachten Gesetzentwurf anschaut, wird sehen, dass wir damit beabsichtigen, den letzten Punkt zu setzen, um die Gemeindegebietsreform zum Abschluss zu bringen und damit eines der wichtigsten Reformvorhaben dieser Legislaturperiode abschließen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, noch an etwas zu erinnern. Als wir mit den Reformüberlegungen gestartet sind, zählte unser Land 1 030 kreisangehörige Gemeinden, darunter 700 Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern und etwa 400 Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern. Im Ergebnis der freiwilligen Phase und der gesetzlichen Zusammenschlüsse wird sich die Gesamtzahl der Städte und Gemeinden auf 219 reduzieren, und zwar in 104 Einheitsgemeinden und 18 Verbandsgemeinden mit 115 Mitgliedsgemeinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung, dass wir damit leistungsfähige kommunale Verwaltungsstrukturen für die Zukunft geschaffen haben und uns dies bei der Frage der Neuordnung der kommunalen Strukturen gelungen ist.
Ich will aber auch freimütig einräumen: Die Gemeindegebietsreform gehörte zweifellos zu den am meisten diskutierten Vorhaben in unserem Lande, sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern als auch bei den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vor Ort als auch - das darf dann auch nicht verwundern - im parlamentarischen Raum.
Mehr als bei anderen Gesetzesvorhaben stieß die konkrete Umsetzung insbesondere vor Ort auf die eine oder andere Reaktion, meist sachlich begründet, manchmal auch nur emotional. Das ist verständlich, geht es doch bei der einzelnen Gemeinde um die Frage der zukunftsweisenden Neustrukturierung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin deshalb außerordentlich froh darüber, dass die Regierungsfraktionen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr eine Neugliederungsentscheidung auch hinsichtlich der Gemeinde Allrode treffen wollen und damit einen Schlusspunkt unter die Gemeindegebietsreform setzen werden.
Wie die vergangenen Wochen und Monate gezeigt haben - Herr Kollege Dr. Brachmann hat es noch einmal dargestellt -, war gerade die Frage der Zugehörigkeit von Allrode in der Bürgerschaft sehr strittig diskutiert worden. Sie war und ist Gegenstand zahlreicher verwaltungsgerichtlicher Auseinandersetzungen. Zuletzt hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 8. Juli 2010 den vorinstanzlichen Beschluss aufgehoben, der den Landkreis Harz im vorläufigen Rechtsschutz verpflichtet hatte, die Gebietsänderungsvereinbarung zwischen der Gemeinde Allrode und der Stadt Thale zu genehmigen.
Die Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am Brocken, wie sie der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf zum Inhalt hat, ergibt sich aus der Gesamtverantwortung für die Entwicklung nicht nur in Allrode, sondern auch der Stadt Oberharz am Brocken.
Die Stadt Oberharz am Brocken hat nach den Bestimmungen des Ersten Begleitgesetzes seit ihrer Bildung und Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft BrockenHochharz zu Beginn des Jahres 2010 die Gemeinde Allrode mit zu verwalten. Diese Aufgabenwahrnehmung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur für einen relativ kurzen Übergangszeitraum erfolgen, nämlich bis zur leitbildgerechten gesetzlichen Neugliederungsentscheidung.
Diese nimmt der vorliegende Gesetzentwurf nunmehr vor. Er trägt zur Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Gemeinde Allrode wie auch der Stadt Oberharz am Brocken bei. Es besteht damit dann Klarheit über die weitere Entwicklung. Dieser Schritt ist notwendig, um die Gemeindegebietsreform in ihrer Gesamtheit auch im Landkreis Harz erfolgreich zu vollziehen.
Ich bin dem Landtag dafür dankbar, dass er sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf anschickt, dieses wichtige Reformvorhaben für unser Land zum Abschluss zu bringen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Grünert. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nunmehr die vorläufig letzte Hausaufgabe, nämlich die Zuordnung der Gemeinde Allrode zu der Stadt Oberharz am Brocken erledigt werden.
Auf die gesamten rechtlichen Verfahren sind meine Vorgänger schon eingegangen, sodass mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf das, was mit dem Grundsätzegesetz und mit dem Ersten Begleitgesetz normiert war, faktisch umgesetzt werden soll. Das unterstützen wir ausdrücklich.
Herr Brachmann, auch ich habe im Zusammenhang mit unserem gemeinsamen Termin in Hasselfelde darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns schon für diesen Regierungsentwurf einsetzen, natürlich für eine leitbildgerechte Stadt Hochharz am Brocken, die auch zukunftsfähig ist.
Daher könnte man eigentlich den Redebeitrag beenden. Das könnte man, aber so einfach kommen Sie hier nicht davon.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf besinnen sich die Koalitionsfraktionen tatsächlich auf das Begleitgesetz und das Grundsätzegesetz und auf die damit verbundenen Grundsätze, jedoch nur zu einem kleinen Teil; denn die betroffene Kommune, die nicht nur Allrode nicht mehr bekommt, nämlich die Stadt Thale, hat entgegen den Grundsätzen des Ersten Begleitgesetzes und mit ministerieller Duldung in anderen Gefilden gewildert und damit vorhandene Strukturen nachhaltig zerstört.
So führte die seitens des Innenministeriums erteilte Genehmigung zur Eingemeindung der Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg zu einer Zerstörung der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode mit der Folge, dass die übrig gebliebenen Kommunen Gernrode, Bad Suderode und Rieder nicht mehr bestandsfähig waren und mit Beschluss des Landtages im Juni 2010 der Stadt Quedlinburg zugeordnet wurden.