Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Rahmen unserer Vororttermine in der Sommerpause und so mancher Sommerreise sind wir von sehr unterschiedlichen Branchen darauf aufmerksam gemacht worden, dass es in Sachsen-Anhalt bei einer Vielzahl von Berufen Schwierigkeiten mit der Anerkennung von Abschlüssen gibt.
Dies kann man - so unbefriedigend das für die betroffenen Personen ist - noch begründen, solange es ausreichend Fachkräfte gibt, deren formale Qualifikation besser ist. In einer Zeit aber, in der wir über einen Fachkräftemangel klagen und davon ausgehen müssen, dass sich dieser in den kommenden Jahren verschärfen wird, wären wir als Land gut beraten, ein solches Verhalten auf seine Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen.
Um hier einen Anfang zu machen, haben wir einmal das Berufsbild des Altenpflegers herausgesucht. Altenpfleger gibt es in Sachsen-Anhalt ca. 23 000. Die Zahl stammt aus dem Jahr 2007. Es ist ein Berufszweig, in dem zudem aufgrund des demografischen Wandels erhebliche Zuwächse erwartet werden. Zugleich haben wir in diesem Beruf wie in allen anderen auch mit erheblichen Altersabgängen zu rechnen. Klar liegen auch darüber keine genauen Zahlen vor.
Sehr geehrte Damen und Herren! Seit September 2003 werden Altenpfleger nach bundeseinheitlichen Regelungen ausgebildet, wogegen im Endeffekt natürlich auch nichts spricht. Davor regelten die Länder die Ausbildung. Um als leitende Pflegefachkraft bzw. als deren Stellvertretung in einem ambulanten Pflegedienst arbeiten zu können, bedarf es erstens eines entsprechenden Berufsabschlusses, zweitens einer entsprechenden Berufserfahrung und drittens einer Qualifikation als Leitungskraft.
Während in anderen Bundesländern, so in Brandenburg und in Sachsen, die Möglichkeit besteht, nach einer Fortbildung diese Qualifikation zu erlangen, ist in Sachsen-Anhalt dieser Weg Altenpflegern und Altenpflegerinnen verwehrt, die ihre Ausbildung nach Landesrecht vor September 2003 absolviert haben. Da stellt sich doch die Frage, ob wir unsere eigene Ausbildung für schlecht halten. Wir verzichten auf diese Möglichkeit, obwohl § 29 des Altenpflegegesetzes sie ausdrücklich eröffnet.
So heißt es in der sächsischen Regelung - ich zitiere -, als verantwortliche Pflegefachkraft in einem Pflegedienst werde im Sinne des Pflegeversicherungsrechtes anerkannt, wer nach entsprechender Ausbildung eine praktische Berufserfahrung von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre nachweisen und in der Regel eine Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl, die 460 Stunden nicht unter
schreiten sollte, erfolgreich absolviert hat. Eine analoge Regelung gilt für das Krankenversicherungsrecht.
Diese Regelung gibt es in Sachsen seit dem Jahr 2008. Eine analoge Regelung haben die Brandenburger Kollegen im Jahr 2009 getroffen.
Ich vermag nicht zu erkennen, warum wir in SachsenAnhalt diesen Beispielen nicht folgen sollten. Ich gehe davon aus, dass wir unsere nach Landesrecht vor dem Jahr 2003 ausgebildeten Altenpfleger für mindestens genauso qualifiziert halten wie die Kollegen in Brandenburg und Sachsen. Ich gehe auch davon aus, dass wir es dort, wo wir Abwanderungsgründen vorbeugen können, auch tun wollen.
In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen und die Landesregierung zu beauftragen, eine entsprechende Regelung zu erarbeiten. Dabei schadet es nicht, wenn alle Ressorts, die sich mit den Fragen der beruflichen Anerkennung befassen, sei es das MK, das MW, das MLU oder das MS, einmal die Gelegenheit nutzen und prüfen, welche vergleichbaren Probleme es bei Berufsabschlüssen gibt, für die sie zuständig oder mit zuständig sind. - Danke.
Danke sehr, Herr Franke, für die Einbringung. - Für die Landesregierung hat jetzt Minister Herr Bischoff das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Ich mache vielleicht eine kleine Vorbemerkung. Als ich mich aufgrund des Antrags der FDP-Fraktion mit dem Thema beschäftigen musste, habe ich mehrere Stunden damit verbracht und Nachfragen gestellt, um überhaupt zu verstehen, was dahinter steht. Sie haben mit Ihren letzten Bemerkungen, dass sich doch einmal das MK, das MLU usw. damit beschäftigen sollen, zwar schon richtig darauf hingewiesen. Das ist ein Thema - ich sage das ganz offen -, das eigentlich bei uns im Sozialministerium angesiedelt ist, während andere Dinge woanders geregelt sind.
Es ist tatsächlich ein Problem, womit wir seit einiger Zeit befasst sind. Aber der Beschlussvorschlag in dem Antrag klingt danach, als hätte es die Landesregierung versäumt, eine Gleichstellung der früher landesrechtlich geregelten Altenpflegeausbildung, also der bis zum Jahr 2003 geltenden Ausbildung, nach dem Bundesaltenpflegegesetz vorzunehmen.
Da muss man richtigstellen - aber das musste ich auch erst nach etlichen Nachfragen lernen -, dass durch das Bundesgesetz, also nach § 29 des Bundesaltenpflegegesetzes, bereits eine Gleichstellung der landesrechtlichen Ausbildungen mit dem Ausbildungsabschluss nach dem Bundesrecht getroffen worden ist. Sie sind also gleichgestellt. Wer die Ausbildung nach Landesrecht erfolgreich abgeschlossen hat, der ist bereits durch das Bundesgesetz berechtigt, die Berufsbezeichnung „Altenpflegerin“ oder „Altenpfleger“ zu führen, genauso wie die Menschen, die die bundesrechtlich geregelte dreijährige Ausbildung erfolgreich absolviert haben und somit ab dem Jahr 2006 in der Altenhilfe tätig sind.
Eine formalrechtliche Gleichstellung ist also schon vorhanden. Deshalb kann die Landesregierung eine weitere
Das Problem besteht in Sachsen-Anhalt darin, dass die hiesigen Krankenkassen einen Rahmenvertrag mit den Verbänden der ambulanten Pflegeeinrichtungen - es geht um die ambulante Pflege - geschlossen haben, in dem bestimmt ist, dass für eine Qualifizierung zur Pflegedienstleitung - um die geht es eigentlich - eine Basisausbildung für die Altenpflege nach dem Bundesgesetz vorhanden sein muss. Eine landesrechtliche Altenpflegeausbildung ist somit nicht ausreichend.
Die Krankenkassen begründen das damit - sie sind berechtigt, die Eignung der Leistungserbringer für die häusliche Krankenpflege zu prüfen; um die geht es hier, also nicht um die stationäre irgendwo in den Heimen -, dass sie das bestimmen können. Dazu gehört auch die Qualifizierung des Leitungspersonals.
Trotz der formalrechtlichen Gleichstellung gibt es zwischen der landesrechtlichen Ausbildung und der bundesrechtlichen Ausbildung erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Ausbildungsinhalte. Das sage ich ganz kurz: In der Altenpflegeausbildung nach Landesrecht geht es hauptsächlich um die sozialpflegerischen Tätigkeiten. Die Ausbildung nach dem Bundesgesetz ist eine Heilberufeausbildung. Da ist die Behandlungspflege mit drin, weil es sich um eine häusliche Krankenpflege handelt. Es wird also Krankenpflege ausgeübt.
Unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung gibt es sicherlich gute Gründe, für die Qualifikation zur Pflegedienstleitung zu verlangen, dass die Behandlungspflege beherrscht wird.
Jetzt kommt das eigentlich Ärgerliche, worauf Sie hinweisen. Das ist auch ärgerlich. Es geht darum, dass die Bundesländer in die zwischen ihnen und den Krankenkassen abgeschlossenen Rahmenverträge unterschiedliche Qualifikationsanforderungen aufgenommen haben. Ich habe die Übersicht hier hinten drin. Das können wir vielleicht im Ausschuss sehen.
Sie haben schon zwei Länder erwähnt - da gehört noch eines dazu -, die das landesrechtlich regeln. Es sind die Länder Sachsen, Brandenburg und noch eines. Andere haben es wieder anders geregelt wie Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Wieder anders haben es die Stadtstaaten und Schleswig-Holstein geregelt.
Das Sozialministerium hat den Krankenkassen vorgeschlagen, im Rahmenvertrag eine längere Qualifizierung für die Leitungsfunktion festzulegen, welche eine Nachqualifizierung auf dem Gebiet der Behandlungspflege einschließt. Also die, die die Pflegedienstleitung übernehmen wollen, sollen eine Nachqualifizierung machen. Die Krankenkassen waren jedoch nicht dazu bereit, weil sie den bestehenden Vertrag als Ganzes nicht infrage stellen wollten. Das wurde damals einvernehmlich geregelt mit den Verbänden.
Am 31. August - es ist also noch nicht allzu lange her - hat das Sozialministerium eine Besprechung mit den Verbänden von Einrichtungen der Hauskrankenpflege gehabt. Dabei ist bekannt geworden, dass die Verbände den Vertrag mit den Krankenkassen mittlerweile gekündigt haben.
Jetzt haben wir den Zustand, dass dieser Vertrag nicht mehr gilt und die Verbände eine Nachqualifizierung so ähnlich wie in Sachsen oder in Brandenburg favorisie
ren. Nach ihrer Aussage sind auch genügend interessierte Altenpflegerinnen vorhanden, die bereit wären, die Nachqualifizierung auf eigene Kosten zu absolvieren.
- Jetzt habe ich mich verblättert. Dann muss ich das aus dem Kopf weiter vortragen. Das macht auch nichts.
Das Ministerium wird sich jetzt zumindest mit den Krankenkassen zusammensetzen, um zu klären, ob das Problem der Zugangsvoraussetzungen für die Pflegedienstleitung mithilfe eines neuen Vertrages geklärt werden wird. Wenn die Krankenkassen mit den Verbänden zu keiner Einigung kommen, dann werden wir das landesrechtlich regeln, wahrscheinlich so ähnlich wie in Brandenburg oder in Sachsen mit 160 bis 200 Stunden entsprechend den Qualifizierungsanforderungen. Wir müssen es dann sozusagen selbst in die Hand nehmen.
Auf das Problem ist also richtig hingewiesen worden. Wir haben uns darauf verlassen, dass das die Krankenkassen mit den Verbänden selber regeln. Das hat nicht funktioniert. Aus diesem Grund ist es richtig, dass wir da tätig werden müssen. Nähere Informationen werde ich dann im Ausschuss geben. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es hieße Eulen nach Athen tragen, wenn ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt noch einmal detailliert darlegen würde, inwieweit sich unsere Gesellschaft und ganz besonders unsere Bevölkerungsstruktur in den vergangenen Jahren verändert haben und sich in den zukünftigen Jahren mit Sicherheit noch weiter verändern werden.
Die Menschen werden immer älter, und das bei zum Teil recht guter Gesundheit. Aber dieser Umstand ist leider nicht für alle gegeben. Mit zunehmendem Alter trifft für viele Menschen das Schicksal zu, pflegebedürftig zu werden, sich nicht mehr selbst helfen zu können, ja, zum Teil schwere und schwerste Erkrankungen zu haben.
In diesen Fällen ist Hilfe notwendig, die trotz höchstmöglichen Engagements und zum Teil aufopferungsvoller Hingabe nicht mehr von den pflegenden Angehörigen erbracht werden kann. Dann ist professionelle Hilfe nötig, und das auf hohem Niveau.
Meine Damen und Herren! Noch gibt es in unserem Land annähernd genügend Menschen, die in der Lage sind, diese Hilfe zu leisten. Doch die Hilfebedürftigen werden mehr, die Zahl der Helfenden immer niedriger. In dieser Situation einfach über die Grenzen zu schauen und nach ausländischen Fachkräften Ausschau zu halten, die, wenn möglich, auch noch für weniger Bezahlung hier die Pflege übernehmen, halte ich für unangemessen und absolut nicht zielführend. Ich halte es vielmehr für erforderlich, alle Möglichkeiten zu nutzen, das vorhandene Potenzial an ausgebildeten Fachkräften optimal auszuschöpfen und durch fundierte Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung mit einheitlichen Standards neue Fachkräfte zu gewinnen.
Meine Damen und Herren! Aus diesem Grunde bin ich der FDP-Fraktion dankbar, dass sie mit dem vorliegenden Antrag auf eine mögliche Quelle zur Erschließung vorhandener Fachkräftepotenziale aufmerksam gemacht hat. Unsere Aufgabe muss es jetzt sein, Regelungen zu schaffen - Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede schon einen Weg vorgegeben, den wir möglicherweise auch gehen sollten -, die sicherstellen, dass der Abschluss der Ausbildung zum Altenpfleger bzw. zur Altenpflegerin nach sachsen-anhaltischem Recht nicht nur als gleichwertig mit den Abschlüssen nach Bundesrecht anerkannt wird; denn das sind sie eigentlich schon. Wir brauchen dringend Regelungen ähnlich wie in anderen Bundesländern, die es diesen Fachkräften auch ermöglichen, als leitende Pflegefachkraft bzw. Stellvertreter oder Stellvertreterin für diese tätig zu sein.
Lassen Sie uns darüber zügig im Ausschuss beraten, damit nicht noch mehr gut ausgebildete und hoch motivierte Fachkräfte unser Bundesland verlassen. Ich beantrage deshalb seitens der CDU-Fraktion, den Antrag in den Sozialausschuss zu überweisen. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei Fragen der Anerkennung von Berufsabschlüssen scheint es oft nur um Formalien zu gehen oder um bürokratische Hürden, die aus vermeintlich nicht aufeinander abgestimmten Gesetzen resultieren. Hierbei eine Klarstellung zu erreichen, kann also nicht schaden. Insofern sollten wir den Auftrag an die Landesregierung erteilen, dort zu prüfen und eine Lösung vorzuschlagen.
Der vorliegende Antrag greift solch ein Problem auf. Nun ist in Sachsen-Anhalt schon häufig über die verschiedenen Aspekte der Altenpflegeausbildung debattiert worden. Mal geht es um die Finanzierung der Ausbildung über eine Umlage, mal geht es um einen Mangel an bestimmten Fachkräften oder um eine angemessene Ausbildungsvergütung.
Wie ich aus dem Bereich von Pflegeverbänden erfahren habe, liegt das Problem, das hier aufgeworfen wurde, dieses Mal nicht so sehr bei der Landesregierung; denn mit der Anerkennung von Berufsabschlüssen im Bereich der Altenpflege seitens des Ministeriums haben die jeweiligen Antragstellerinnen und Antragsteller in der Regel kein Problem. In diesem Fall greift § 29 des Altenpflegegesetzes.
Schwierigkeiten entstehen eher dadurch, dass in den Leistungsverträgen zwischen den Verbänden und den Pflegekassen entsprechende einschränkende Kriterien vereinbart wurden, die vor 2003 ausgebildeten Fachkräften den Zugang zu Leitungsfunktionen erschweren bzw. diesen sogar ausschließen.
In dem Antrag geht es vor allem - andererseits geht das aus dem Antrag so klar gar nicht hervor - um die häusliche Krankenpflege. Wir haben jetzt gehört, dass seitens der Pflegeverbände der entsprechende Leistungsvertrag gekündigt wurde. Insofern gehen wir davon aus, dass wir im Ausschuss mehr darüber erfahren, wie sich das entwickeln soll.
Denn eines ist klar: Dieses Problem tritt insbesondere dann auf, wenn sich Pflegekräfte mit einem Pflegedienst selbständig machen wollen. Aber auch einigen anderen ambulanten Pflegediensten, deren Leitungspersonal das Rentenalter erreicht hat, wird dadurch die Fortsetzung der Arbeit erschwert. Wir sollten im Interesse der Kontinuität der Arbeit der Pflegedienste konkrete Anforderungen vereinbaren lassen, die dann die tatsächliche Qualifikation der Fachkräfte nicht nur an den Jahreszahlen messen.
Doch aus unserer Sicht liegt das Problem nicht allein in der Ausbildung oder in der Anerkennung der nach Landesrecht erfolgten Ausbildung vor 2003. Es geht einerseits um eine hohe Qualität in der Pflege. Da darf es keine Abstriche geben. Das ist vor allen Dingen ein Personalproblem. Andererseits ist es aber auch eine Frage der auskömmlichen Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Pflege. Fachkräfte müssen eben auch wie Fachkräfte bezahlt werden und da, müsste man sagen, liegt noch einiges im Argen.
Da helfen auch die Anerkennung von Abschlüssen und mehr Ausbildung nicht. Immerhin sind in Sachsen-Anhalt nach neuesten Angaben vom Mai 2010 insgesamt 1 855 Altenpflegerinnen und Altenpfleger arbeitslos gemeldet. Woran liegt das, wenn doch - zumindest wenn ich die Zeitungsmeldungen ernst nehme - händeringend Pflegefachkräfte gesucht werden? - Hier sind Ursachenforschung und Initiativen auf Bundesebene zur Verbesserung des Systems der Pflegefinanzierung angesagt.
Da kann die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage vom Juli 2010 nicht zufrieden stellen, wenn man sich auf die Beobachtung der Personalsituation angesichts der Abwanderung von Fachkräften beschränken will. Insofern regen wir noch einmal an, auf Bundesebene zu klären, wie die Pflegekassen auf eine sichere finanzielle Basis gestellt werden sollen und gestellt werden können. Wir sehen eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung als eine solche sichere Finanzierungsgrundlage an.