Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Stahlknecht. - Nun spricht Herr Grünert von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach fast genau vier Wochen liegt uns heute der Antrag der FDP-Fraktion zur Zukunft des Glücksspielrechts in Sachsen-Anhalt vor. Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2010 zum Glücksspiel- und Sportwettenmonopol in Deutschland suggeriert der vorliegende Antrag, es gebe durch diese Entscheidungen nunmehr eine mögliche, bisher jedoch nicht praktizierte weitere Liberalisierung des Glücksspiel- und Lotteriewesens.

Postwendend finden sich auch gleich zwei Forderungen, zum einen die Abschaffung der Vertriebsbeschränkungen für private Anbieter und zum anderen natürlich auch die Einführung eines Lizenzmodells für den Bereich Sportwetten. Dies, meine Herren und Damen von der FDP-Fraktion, haben die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in das Ermessen der Länder gelegt und nicht zwingend festgeschrieben.

Wir erinnern uns: Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften und der zweiten Lesung dazu im Landtag am 13. Dezember 2007 waren die Länder aufgerufen worden, mit dem Glücksspielstaatsvertrag die gemeinsame Grundlage für eine verfassungs- und europarechtskonforme Ausgestaltung des Glücksspielwesens in Deutschland zu schaffen.

Bereits damals führte ich zu dem Gesetzentwurf aus, dass er die Anforderungen an die verfassungsgemäße Ausgestaltung eines staatlichen Wett- und Glücksspielmonopols, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Sportwettenurteil vom 28. März 2006 konkretisiert hatte, nicht erfüllt. Dies ist nunmehr vom Europäischen Gerichtshof attestiert worden.

Meine Damen und Herren! Als oberstes inhaltliches Ziel für die Ausgestaltung eines staatlichen oder privatrecht

lichen Modells war die Bekämpfung der Sucht- und Missbrauchsgefahren statuiert worden. Diesem Ziel untergeordnet, galt es, eine dem Grundsatz entsprechende Ausformung des Wettmonopols durch eine streng gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Angebote durch private Veranstalter zu erreichen.

Das Urteil besagt, dass das staatliche Monopol bzw. Kontrollsystem die privaten Anbieter nicht gänzlich vom Markt verdrängen darf, solange es überhaupt solche Angebote gibt.

Was in Luxemburg gerügt wurde, ist, dass eben dieses Ziel nicht ernsthaft verfolgt wird und offensichtlich eine aggressive Bewerbung des Glücksspiels und der Lotterie betrieben wird, die diesem Ziel widerspricht.

Natürlich dient die Abschöpfung von Erträgen aus dem Glücksspiel und dem Lotteriewesen der Unterstützung sozialer, kultureller und sportlicher Aktivitäten des Bundes und der Länder. Sie sind für diese Bereiche unentbehrlich. Jedoch ist die Suchtbekämpfung nicht dafür geeignet, fehlende Bundes- und Landesmittel für diese Bereiche durch eine exzessive Bewerbung des Glücksspiels und der Lotterie zu ersetzen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn nunmehr der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Herr Dr. Thomas Bach frohlockt, dass mit diesen Entscheidungen der Profisport ungezügelt in das Wettgeschehen eingreifen kann, dann verkennt er, dass nur durch eine große Basis des Freizeit- und Breitensports eine leistungsfähige Spitze des Hochleistungssports über die Landessportbünde ausgeprägt werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Das aber hat mit einer inhaltlichen Ausrichtung des Deutschen Olympischen Sportbundes, aber nicht mit einer Liberalisierung des Glücksspiels und Lotteriewesens zu tun.

Meine Damen und Herren! Wenn ein staatliches Monopol im Glücksspiel und Lotteriewesen aufrechterhalten bleiben soll, dann ist das Glücksspielangebot zu begrenzen und der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken. Nicht umsonst hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die deutsche Regelung die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt.

Zum einen führen nämlich die Inhaber der staatlichen Monopole intensive Werbekampagnen durch, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren, und entfernen sich damit von den Zielen, die das Bestehen dieser Monopole rechtfertigen. Zum anderen betreiben oder dulden deutsche Behörden in Bezug auf Glücksspiele wie Kasino oder Automatenspiele, die eben nicht dem staatlichen Monopol unterliegen, aber ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als die vom Monopol erfassten Spiele, eine Politik, mit der zur Teilnahme an diesen Spielen ermuntert wird. Unter diesen Umständen lässt sich das Präventivziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen.

Meine Damen und Herren! Wenn der Gesetzgeber am staatlichen Monopol festhalten will, was wir, die LINKEN, unterstützen, dann sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes umfassend zu erörtern und ist dieses Monopol unter Berücksichtigung von tatsächlichen suchtpräventiven Zielen neu auszurichten.

Damit wir eine inhaltliche Diskussion in der Sache führen können, beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung des Antrages in den Innenausschuss. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Rothe. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Vorschlag des Kollegen Grünert zur Ausschussüberweisung - andere Vorredner haben das ja auch schon angeregt - schließe ich mich an, wobei wir der Auffassung sind, dass es sinnvoll ist, eine Überweisung zur Mitberatung in die Ausschüsse für Soziales und für Finanzen vorzunehmen.

(Herr Scharf, CDU: Wir wollen das ablehnen!)

- Es ist mir neu, Herr Kollege Scharf, dass eine Ablehnung zwischen den Koalitionsfraktionen in Rede steht. Eine Ablehnung ist sicherlich sachlich nahe liegend, wenn wir in der Situation wären, dass wir uns sofort inhaltlich festlegen müssten.

Ich denke, dass der FDP-Antrag inhaltlich widersprüchlich ist. Am Anfang steht das Bekenntnis zum staatlichen Monopol. Dann wird aber im Grunde die Aussage getroffen: Privat geht vor Staat. Das ist in sich nicht schlüssig, Herr Kosmehl, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben.

Deshalb bin ich der Meinung, wenn wir in der Situation wären, uns sofort inhaltlich positionieren zu müssen, dann wäre es richtig, den FDP-Antrag abzulehnen. Die Materie ist aber so kompliziert, dass, denke ich, eine Ausschussüberweisung, unabhängig davon, wie man Ihren Antrag inhaltlich beurteilt, durchaus angemessen ist.

Wenn man zu einer Ausschussüberweisung kommt, dann halte ich es für wichtig, dass man es auch im Sozialausschuss berät, weil der Gedanke der Prävention im Vordergrund stehen sollte. Nebenbei geht es auch um Finanzen. Deswegen würden wir mitberatend auch den Finanzausschuss beteiligen wollen, so wie es auch bei der Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften geschehen ist, den wir in dieser Legislaturperiode schon im Hohen Hause hatten.

Lassen Sie mich in der Sache klarstellen: Der Europäische Gerichtshof erachtet das staatliche Glücksspielmonopol als zulässig. Ich kann mich in dieser Hinsicht den Ausführungen des Herrn Ministers anschließen.

(Herr Kosmehl, FDP: Das haben wir nicht infrage gestellt!)

Die Kritik an der derzeitigen Praxis in dem Urteil vom 8. September 2010 bezieht sich darauf, dass der Umfang der Werbung für die staatlichen Angebote dem Gedanken der Suchtprävention zuwiderläuft. Der Fortbestand des staatlichen Monopols ist aus unserer Sicht sehr wichtig, nicht weil wir staatsverliebt wären, sondern weil die Spielsucht ein ernst zu nehmendes Problem in unserer Gesellschaft ist.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Stahl- knecht, CDU)

Beim staatlichen Glücksspielmonopol geht es um Gefahrenabwehr. Zur präventiven Gefahrenabwehr zählt die Suchtprävention nebst Eindämmung der Folge- und Begleiterscheinungen der Spielsucht.

Die Einnahmen aus der Konzessionsabgabe sind weiter nichts als ein erwünschter Nebeneffekt des staatlichen Glücksspielmonopols. Die Förderung des Sports und von Kunst und Kultur aus diesen Mitteln ist und darf nicht zum Selbstzweck werden.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Nein. Ich habe von einem Nebeneffekt gesprochen.

Soweit der Europäische Gerichtshof an der derzeitigen Praxis Kritik übt, ist diese zu beherzigen und sind die Vorgaben des Gerichts konsequent umzusetzen. Es wäre nicht zielführend, wenn wir uns auf die schiefe Bahn einer Öffnung begäben, die am Ende zur völligen Liberalisierung führt. Ich denke, es geht vielmehr darum, das staatliche Glücksspielmonopol zu festigen, indem wir berechtigte Kritik daran ausräumen.

Von daher begrüßen wir die Entscheidung des Gerichts, weil sie im Ergebnis dazu führen wird, die Gefahrenabwehr zu stärken. Es wird klargestellt, dass das Glücksspielmonopol seine Begründung einzig und allein in der Gefahrenabwehr findet. Das Monopol zu diesem Zweck aufrechtzuerhalten ist nicht nur bloß erlaubt, sondern geboten, nicht zuletzt im Interesse der von der Spielsucht betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen.

Ich persönlich darf hinzufügen: Ich rede von Glücksspielsucht ohne Überheblichkeit. Ich bin zwar von dieser Sucht nicht betroffen, aber von einer anderen. Ich denke, es ist eine wichtige staatliche Aufgabe, sich mit diesen Dingen zu befassen.

Ich habe vernommen, dass die Abstimmung zwischen den Koalitionsfraktionen mittlerweile zu dem Ergebnis geführt hat, dass wir den Antrag der FDP-Fraktion hier und heute ablehnen. Ich glaube, das steht mit dem Duktus meiner Rede in Einklang. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zustim- mung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Zum Schluss der Debatte noch einmal Herr Kosmehl. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte nie in Zweifel gezogen, Herr Kollege Rothe, dass das mit dem Duktus Ihrer Rede in Einklang zu bringen ist. Ob Sie nun über eine Beerdigung des Antrages erster Klasse oder zweiter Klasse diskutieren, also Direktabstimmung und Ablehnung oder im Ausschuss so lange beraten, bis die Legislaturperiode zu Ende ist, ist einerlei.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einige Punkte noch einmal etwas näher eingehen. Ich glaube, über die Frage der Suchtprävention, die eine wichtige ist, müssen wir uns noch einmal unterhalten, wenn wir auf die konkreten Produkte zu sprechen kommen.

Vor Ihnen steht, zumindest wie in der Anhörung festgestellt, der in Sachsen-Anhalt einzige Lottospielsüchtige, übrigens weil ich an zwei verschiedenen Annahmestellen Tippscheine abgebe. Soweit ich weiß, hat sich in der Bundesrepublik Deutschland bisher noch kein weiterer gefunden. Aber ich hoffe, dass ich noch ein paar Mitstreiter finde und nicht der einzige bin.

Wer also glaubt, dass die Begründung der Spielsucht beim Lotto eine taugliche war, der muss langsam einsehen, dass er in die Irre geht.

Übrigens habe ich vom Innenminister in Bezug auf die Suchtprävention und Suchtspräventionsuntersuchungen noch keine einzige Studie in Auftrag gegeben bekommen, um die Lottosucht zu untersuchen. Sie untersuchen immer die Spielhallen, Sie untersuchen bei Spielbanken,

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Sie untersuchen auch bei Sportwetten, aber bei Lotto nicht,

(Herr Dr. Eckert, DIE LINKE: Doch!)

obwohl die Lottosucht aus Ihrer Sicht doch gleichzusetzen ist.