Auf derselben Tribüne haben jetzt Schülerinnen und Schüler des Dr.-Frank-Gymnasiums Staßfurt Platz genommen. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
Auf der linken Tribüne haben Damen und Herrn der Bildungsgesellschaft Magdeburg Platz genommen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sie wissen, dass die Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion und für die Landesregierung durchgeführt wird. Zunächst hat der Antragsteller das Wort. Es spricht Herr Wolpert für die FDP-Fraktion. Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! In den letzten Tagen und Wochen hat das Thema Zuwanderung und Integration die öffentliche Debatte bestimmt. Es ist ein Buch erschienen. Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und anderen Dingen auf den Weg gebracht. Die CSU hat auf ihrem Parteitag beschlossen, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist.
Es ist falsch zu behaupten, es sei keines, aber es nicht so unsäglich wie manch anderer Beitrag, der in jüngst veröffentlichten Büchern zu lesen ist.
Meine Damen und Herren! Man könnte sagen, SachsenAnhalt hat kein Problem mit Zuwanderung und schon gar nicht mit Integration. - Das ist auch falsch. SachsenAnhalt hat zu wenig Zuwanderung und deswegen hat es ein Problem.
Deutschland verliert in dem Zeitraum von 1991 bis 2025 1,4 % seiner Bevölkerung. In demselben Zeitraum verliert Sachsen-Anhalt nahezu 30 % seiner Bevölkerung. Dieser Unterschied lässt schon einiges erahnen.
Die fatale Kombination einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft führt dazu, dass uns der fachspezifi
sche Facharbeitermangel stärker und eher treffen wird als in anderen Regionen. Für Sachsen-Anhalt prognostiziert das Wirtschaftsministerium zumindest ab dem Jahr 2020 einen berufsspezifischen Fachkräftemangel, der bei optimistischen Berechnungen bei 50 000 Fachkräften liegen wird. Das Worst-Case-Szenario besagt aber, dass es schon im Jahr 2016 50 000 Fachkräfte sein könnten und im Jahr 2020 sogar 180 000.
Meine Damen und Herren! Nun kann man fragen, was daran so schlimm sein soll, wenn ein paar Arbeitskräfte fehlen. Der Zusammenhang ist aber klar: ohne gut ausgebildete Menschen keine Spitzenprodukte; ohne Spitzenprodukte geringere Erträge; damit geringere Wirtschaftskraft und in der Folge natürlich eine geringere Steuerkraft; insgesamt geringerer Wohlstand und weniger Sozialstaat. - Diesen Weg wollen wir nicht gehen.
Was ist also zu tun? - Geeignete Gegenmaßnahmen sehen wir Liberale insbesondere im Bereich der Bildung und der Weiterbildung. Auch eine intelligente Wirtschaftspolitik und -förderung ist sicherlich hilfreich, ein attraktives Sachsen-Anhalt zu schaffen. Ohne Menschen geht aber auch die beste Politik ins Leere.
Wir müssen deshalb über Zuwanderung reden. Die Zuwanderung bietet Chancen für unser Land. Das gilt selbstverständlich für die in Deutschland schon lebenden Ausländer, aber eben auch für Neuzuwanderer. Auch die Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer insbesondere auch aus Drittstaaten, also Nicht-EU-Staaten, und von Studenten und Schülern kann ein wirksames Mittel gegen den drohenden Mangel auf dem Arbeitsmarkt sein.
Meine Damen und Herren! Wer Zuwanderung will, der muss wissen, wozu sie dienen soll, wer die Zuwanderer sein sollen, welche Vorbereitungen das Land treffen muss, wie die Zuwanderer zu behandeln sind, welche Infrastruktur geschaffen werden muss und welche sonstige Unterstützung den Zuwanderern gegeben werden muss.
Wer Zuwanderung will, muss aber auch wissen, wie wir uns selbst darauf vorbereiten müssen. Nicht umsonst verweise ich darauf, dass es in Sachsen-Anhalt eine, sagen wir: nicht feindliche, aber doch kritische Haltung gegenüber Ausländern gibt, obwohl wir einen ganz geringen Ausländeranteil haben.
Im Hinblick auf den innerdeutschen Wanderungssaldo kann das Land für sich werben. Es gibt auch Möglichkeiten, schon jetzt tatkräftig zu handeln. Ich nehme als Beispiel die Studenten an den Universitäten. Der Anteil von nicht-sachsen-anhaltischen Studenten ist so hoch wie noch nie. Meine Damen und Herren! Diese Studenten sind schon im Land. Die müssen wir nicht erst überzeugen hierherzukommen. Die haben wir schon hier. Wir müssen sie nur noch überzeugen hierzubleiben.
Dafür gibt es schon Ansätze. So verbinden Unternehmen Stipendien mit Verträgen für die Zeit nach dem Studium. Aber es kann durchaus Anreize der Politik geben, um das noch zu verstärken, um Studenten zu zeigen, dass sie hier ein Leben aufbauen können, das lebenswert ist.
Aber auch die Zuwanderung von woanders her, insbesondere von außerhalb der EU, müssen wir in Betracht
ziehen. Um das zu steuern, sind wir Liberale schon für ein Punktesystem, das sich an dem in Einwanderungsländern wie Kanada orientiert, das ein erfolgversprechender Weg sein kann. Dabei müssen die Bedürfnisse des Landes, aber auch der Zuwanderer klar im Blick behalten werden. Auch der Familiennachzug muss ausreichend ermöglicht werden.
Wir sprechen uns auch für eine Differenzierung der Anforderungen aus. Zum Beispiel könnte bei Hochbegabten über den Verzicht des Nachweises eines konkreten Arbeitsplatzes nachgedacht werden.
Die Zuwanderungsregelungen für Selbständige könnte man erleichtern. Im Moment müssen Sie als Ausländer, wenn Sie sich in Deutschland selbständig machen wollen, ein Eigenkapital in Höhe von 250 000 € nachweisen. Das muss sonst niemand. Es wäre durchaus denkbar, dies abzusenken, um diejenigen, die eine gute Idee haben und diese in Deutschland verwirklichen wollen, einzuladen, hierher zu kommen und hier zu bleiben.
Die weitgehende Gleichstellung von ausländischen Studenten, damit sie schon während des Studiums erste Erfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt machen können, ist auch eine Maßnahme.
Meine Damen und Herren! Deutschland und SachsenAnhalt befinden sich in einem Wettbewerb um qualifizierte Arbeitnehmer, motivierte ausländische Selbständige und Schüler und Studenten. Bisher ist es uns leider noch viel zu wenig gelungen, diese davon zu überzeugen, unser Land als ein attraktives Land zu begreifen, in dem man leben und sich eine Zukunft vorstellen kann. Es muss ein Umdenken erfolgen und sichergestellt werden, dass ein Wettbewerb um die besten Köpfe stärker als bisher forciert wird.
Wer Zuwanderung will, der braucht auch eine wirkliche Integration der Neumitglieder unserer Gesellschaft. Integration ist auf der einen Seite keine Einbahnstraße. Das heißt, es bedarf des Zusammenspiels von Fordern und Fördern. Auf der anderen Seite braucht es ausreichende Unterstützung für neu Zugewanderte. Ein erster wichtiger Schritt ist die Stärkung der Willkommenskultur in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt.
Ich bin mir bewusst, dass ein Bundesland, in dem derzeit laut dem Statistischen Landesamt per 17. September 2010 nur 42 340 Ausländer leben, vor besonderen Herausforderungen steht. Ressentiments gegen ausländische Mitbürger entstehen zu einem großen Prozentsatz aus Unkenntnis über andere Kulturen mit ihren Bräuchen und Traditionen sowie aus daraus resultierenden Unsicherheiten und Vorbehalten.
Ich sehe aber auch einen Vorteil für unser Bundesland: Bisher haben sich bei uns aufgrund der geringen Zahl ausländischer Mitbürger kaum Parallelgesellschaften gebildet. Wir können also von den Erfahrungen in anderen Bundesländern mit einem hohen Ausländeranteil profitieren und die Nachteile, die dort eingetreten sind, vermeiden.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich muss offen über begangene Fehler gesprochen werden. In der bisherigen Integrationspolitik ist nicht alles so gelaufen, wie man sich das vorstellt. Es gibt ohne Zweifel einige Baustellen. Der Ton und die Art und Weise der Diskussion sollten sich aber nicht an der Frage aufhalten, ob
wir in Deutschland und Sachsen-Anhalt nun ein Einwanderungs- oder ein Auswanderungsland sind. Vernünftigerweise sind wir beides. Ich empfehle jedem, der in Sachsen-Anhalt geboren ist, auch einmal woanders hinzugehen und sich umzusehen.
Es gibt aber schon Einzelmaßnahmen, die man sich vorstellen kann, um diese Debatte nach vorn zu treiben. Dazu gehört bei den Eingewanderten die Einhaltung und Akzeptanz der deutschen Rechtsordnung. Meine Damen und Herren! Ich spreche hierbei nicht von einer deutschen Leitkultur. Dieser Begriff ist, glaube ich, etwas zu weitgreifend. Es gibt aber schon so etwas wie eine deutsche Gesellschaft. Ich erwarte schon, dass man diese anerkennt, wenn man sich darin befindet.
Dazu gehören frühkindliche Sprachförderung, Sprachtests, Vorlaufkurse und der Ausbau schulischer Angebote, aber eben auch das Bestreben, die Schulpflicht durchzusetzen und Vollzugsdefizite auszumerzen.
Die Integration in den Arbeitsmarkt müsste vereinfacht werden. Die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen sollte wesentlich erleichtert werden. Ich finde es ein Unding, dass ausgebildete Ärzte bei uns Taxi fahren müssen oder dass - wie wir es neulich aus der Altmark gehört haben - ein irakischer Chirurg nicht arbeiten darf, weil ihm ein Schein über - -