Dem widerspricht allerdings ein Stück weit der Antragstext selbst, der die Feststellung enthält, dass diese Ideologie ausgedient hat. Warum dann dieser Antrag?
Diesen Widerspruch vermag ich hier nicht aufzulösen. Das ist aber auch nicht meine Aufgabe. Vielmehr will ich deutlich machen, an welcher Stelle wir uns mit unserem Alternativantrag von dem vorliegenden Antrag der anderen drei Fraktionen unterscheiden und an welcher Stelle wir mit diesem Antrag übereinstimmen.
Übereinstimmung besteht darin, dass die gesellschaftliche Praxis der Umsetzung kommunistischer Gesellschaftsmodelle im 20. Jahrhundert zu millionenfachem Leid geführt hat und dass es die Menschen in diesen Herrschaftsräumen selbst gewesen sind, die sich davon befreit haben. Dies war ein richtiger Schritt, der von uns allen begrüßt wird, unabhängig davon, an welcher Stelle der Auseinandersetzung jeder Einzelne von uns 1989 selbst gestanden hat.
Einig sind wir uns auch darüber, dass die Missachtung von bürgerlichen Freiheitsrechten und Demokratie dieses Gesellschaftsmodell gekennzeichnet hat, in unterschiedlicher Ausprägung und mit unterschiedlichen Begründungen, aber letztlich doch überall.
Das zentrale Problem der kommunistischen Ideologie - diesbezüglich unterscheiden wir uns ausdrücklich, Herr Scharf - ist zumindest meiner Meinung nach nicht jedoch die Vorstellung von einer klassenlosen Gesellschaft, frei von Ausbeutung und Unterdrückung, in der sowohl nach Marx als auch nach Rosa Luxemburg die freie Entfaltung des Einzelnen die Voraussetzung für die freie Entfaltung der Gesellschaft insgesamt ist. Das zentrale Problem der kommunistischen Ideologie ist die Rechtfertigung der Diktatur zur Erreichung dieses Ziels.
Sie wurde benannt als Diktatur des Proletariats und hatte doch in der Realität herzlich wenig damit zu tun.
In diesem Zusammenhang lieferte die Theorie des Klassenkampfes und die daraus ableitbare notwendige Unterdrückung der Konterrevolution die Legitimation dafür, jeden, der eine andere Position vertrat, zum Klassenfeind zu erklären und mit allen Mitteln zu bekämpfen, bis hin zur physischen Vernichtung. Wie beliebig die Definition des Klassenfeindes war, belegt zum Beispiel die Tatsache, dass in den Stalin’schen Gulags unter anderem auch massenhaft Mitglieder der kommunistischen Partei ermordet worden sind.
Dieses Herrschaftsprinzip wurde nach 1945 auch auf den Osten Deutschlands übertragen, hat hier jedoch deutlich differenzierte Ausprägungen erlangt als in der Sowjetunion oder gar in der maoistischen Variante bis hin zum Steinzeitkommunismus der Roten Khmer. Diese beriefen sich allerdings selbst nicht mehr auf die Traditionslinie von Marx und der europäischen Arbeiterbewegung.
Daneben bleibt jedoch festzuhalten, dass die Etablierung des kommunistischen Gesellschaftsmodells im Osten Deutschlands eben nicht Folge imperialer sowjetischer Ansprüche, sondern die Folge des durch den
Natürlich weiß ich um die besondere Verantwortung meiner Partei in diesem Zusammenhang, und es bleibt dabei, dass wir uns - wie bereits im Dezember 1989 auf dem Gründungsparteitag der PDS - bei allen Opfern von Verbrechen im Namen des Kommunismus entschuldigen und denjenigen, die unter diesen gesellschaftlichen Verhältnissen für Demokratie und Freiheit gekämpft haben, unsere Hochachtung zum Ausdruck bringen.
Es hieße jedoch, einen großen Teil der Geschichte der kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert auszublenden, wenn wir allein bei dieser Charakterisierung stehenblieben. Weltanschauungen entwickeln sich in konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen sehr unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die kommunistischen Bewegungen nicht nur auf Terror und Diktatur reduzieren lassen. Das trifft übrigens auch für die deutsche Geschichte zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Machtergreifung des Faschismus in Deutschland.
In dieser Phase haben nicht nur, aber eben auch in hoher Zahl Kommunisten unter bewusstem Einsatz ihres Lebens gegen die Errichtung eines faschistischen Terrorregimes gekämpft, und viele haben ihr Leben in den Konzentrationslagern verloren, und zwar nicht deshalb, weil sie eine proletarische Diktatur errichten wollten, sondern weil sie das faschistische Terrorregime bekämpft haben,
und zwar zu einem Zeitpunkt, als konservative und liberale Politiker zum Teil mit fliegenden Fahnen, zum Teil aus Opportunismus zur NSDAP übergelaufen sind. Historische Belege gibt es dafür massenhaft. Ich kann sie Ihnen gern zitieren, wenn Sie das wollen.
Kommunistische Parteien haben in Westeuropa - aber nicht nur dort -, anders als in Deutschland, seit Jahrzehnten einen anerkannten Platz. Sie sind zum Teil an Regierungen von EU-Mitgliedsstaaten beteiligt. Im EUStaat Zypern stellen sie den demokratisch gewählten Präsidenten, übrigens mit hervorragenden Beziehungen zu Angela Merkel.
In diesem Zusammenhang ist es übrigens wichtig zu erwähnen, dass auch der Antikommunismus ein probates Begründungsmuster für die Einschränkung von Demokratie und Freiheit sein kann, wie wir es zurzeit im EUMitgliedsstaat Ungarn erleben. Da geht es nicht nur um ein Mediengesetz, das jeder Diktatur hervorragend zu Gesicht steht, sondern um eine Reihe weiterer Einschränkungen von Demokratie, die maßgeblich mit der Bekämpfung der kommunistischen Gefahr legitimiert werden.
Übrigens ist in diesem Zusammenhang interessant, wie sich da konservative Vorkämpfer für Demokratie in Freiheit auf der europäischen Bühne verhalten.
Die konservative Fraktion - vor allen Dingen deren deutsche Mitglieder aus der CDU und der CSU - haben klare Unterstützung für die Abschaffung von Demokratie und Freiheit in Ungarn signalisiert.
Offensichtlich ist das Verhältnis zur Demokratie nicht nur in der Geschichte des Kommunismus ein eher funktionales als ein grundsätzliches.
Daher fällt unsere Beurteilung der kommunistischen Bewegung insgesamt sowie des Antikommunismus tatsächlich differenzierter aus als in dem Antrag der anderen drei Fraktionen.
Das eigentliche Kernproblem der aktuellen Debatte um den Kommunismus betrifft jedoch nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft, nämlich die Frage, ob man vor dem Hintergrund der Geschichte des Kommunismus noch über linke Gesellschaftsmodelle diskutieren darf. Dazu findet der Antrag der CDU, der SPD und der FDP in der Begründung sehr deutliche Worte und offenbart damit auch ein Stück weit das zentrale Anliegen dieses Antrags. Jeder, der über die Marktwirtschaft hinausgehende Vorstellungen hat, verlässt also den Boden von Demokratie und Freiheit. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, sehen wir anders.
Seit 20 Jahren, also seit dem Untergang des real existierenden Sozialismus weltweit und seit der globalen Wirkung marktwirtschaftlicher Prinzipien, hat sich eine Reihe von Menschheitsproblemen weiter zugespitzt. Soziale Polarisierung, Ressourcenverbrauch, kriegerische Auseinandersetzungen und die Steigerung von Rüstungsausgaben sind eben nicht mit dem real existierenden Sozialismus verschwunden. Damit will ich nicht behaupten, dass sich die Dinge bei der weiteren Existenz des real existierenden Sozialismus nicht auch so entwickelt hätten.
Aber das jetzige Gesellschaftsmodell ist wohl offensichtlich auch nicht in der Lage - zumindest bisher -, die Probleme zu lösen.
Daher ist es übrigens ausdrücklich legitim und notwendig, über grundsätzliche Alternativen nachzudenken,