Protokoll der Sitzung vom 06.10.2011

Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wollen diesem für die Beschäftigten wichtigen Thema die notwendige Aufmerksamkeit verschaffen. Der Fachkräftesicherungspakt in Sachsen-Anhalt ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nutzen Sie diese Chance für Sachsen-Anhalt. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zuruf von der CDU: Thema verfehlt!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Latta. Es gibt eine Anfrage. Möchten Sie sie beantworten?

Ja, gern.

Herr Abgeordneter Steppuhn, bitte.

Frau Latta, ich fand es sehr spannend, wie Sie den Arbeitsmarkt und die Arbeitsverhältnisse beschrieben haben. Ich möchte Sie fragen, wie Sie die Instrumentenreform der Bundesregierung, das, was auf den Weg gebracht worden ist, beurteilen und wie Sie die Folgen für Sachsen-Anhalt beurteilen. Das war nämlich der Ausgangspunkt für die von uns beantragte Debatte.

(Zuruf von der CDU: Thema verfehlt!)

Ich habe am Anfang versucht, Ihnen vor Augen zu führen, dass die Einsparungen in Höhe von 7,8 Milliarden €, die bis zum Jahr 2015 vorgenommen werden sollen, auch Auswirkungen auf die aktuelle Entwicklung im Land Sachsen-Anhalt haben werden. Ich habe am Schluss auch zur Sprache gebracht, dass der von Ihnen entwickelte Katalog und das Instrument des Fachkräftesicherungspaktes als solches gute Ansätze dafür sind, in Sachsen-Anhalt miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich hoffe, dass dieser Weg von Ihnen mitgetragen wird. - Das dazu.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Latta. - Damit sind wir am Ende der Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 der Geschäftsordnung nicht gefasst. Das Thema ist damit abgeschlossen.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Verantwortung des Staates für ehemalige Sicherungsverwahrte gewährleisten - Friedliche Lösung in Insel erreichen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/457

Für die Redebeiträge ist folgende Reihenfolge vorgeschlagen worden: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und CDU. Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Es spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Dalbert.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwa Mitte Juli 2011 sind zwei ehemalige Sicherungsverwahrte in den Ortsteil Insel gezogen und haben dort etwa einen Monat lang friedlich gelebt. Etwa Mitte August 2011 wurde - vermutlich durch die Indiskretion einer Behörde - vor Ort bekannt, dass diese beiden ehemaligen Sicherungsverwahrten in den Ort gezogen waren.

Seit diesem Zeitpunkt fanden unter Anführerschaft des Ortsbürgermeisters regelmäßig Demonstrationen in Insel statt. Diesen Demonstrationen haben sich rasch gewaltbereite rechtsradikale Kameradschaften angeschlossen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war eine Beschädigung der Demokratie und unseres Rechtsstaates auf dem Weg.

Universelle, unveräußerliche Menschenrechte, über die auch ehemalige Sicherungsverwahrte verfügen, waren immer weniger das Thema. Das Thema war die Lösung, die sich die Nazis auf die Fahnen geschrieben hatten, nämlich Vertreibung: Die müssen weg - das ist die Lösung -, die müssen hier aus dem Ort weg.

Wer, wie der Ortsbürgermeister, Rechtsradikale als Gäste seiner Demonstration bezeichnet, gefährdet die Demokratie und den Rechtsstaat.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Es ist unerträglich, wenn Politiker und Politikerinnen hier im Lande den Anschein erwecken, es bedürfe der Neonazis, um Recht und Ordnung in diesem Land zu schaffen.

Wir haben vor diesem Hintergrund bereits am 16. September 2011 dazu aufgefordert, eine pro

fessionelle Moderation in Insel in die Wege zu leiten. Dieser Vorschlag wurde auch von den vier Fraktionen im Rechtsausschuss begrüßt. Aber es passierte nichts.

Demokratie braucht gute Freunde, Frau Ministerin. Es reicht nicht, immer wieder den richtigen Satz zu wiederholen, dass auch ehemalige Sicherungsverwahrte das Recht auf die freie Wahl des Wohnortes hätten. Gute Freunde halten nicht nur Sonntagsreden. Gute Freunde packen in Zeiten der Not auch mit an. Das hätte ich mir an dieser Stelle gewünscht.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Die Situation eskalierte weiter. Die Lösungsvorschläge fokussierten sich immer mehr auf den Vorschlag, den sich die Nazis auf die Fahne geschrieben hatten: Die müssen hier weg. Der Zeitplan, den der Ortsbürgermeister vorgab - er sagte: Wenn keine behördliche Lösung gefunden wird, dann werden wir am 15. Oktober 2011 mit einer großen Demonstration durch den Ort ziehen -, erweckt den Eindruck, als wäre er von den Nazis diktiert worden; denn wir stehen vermutlich - das wissen wir alle - vor einem Bundesparteitag der Nazis am 15. Oktober 2011 in Dessau.

Vor diesem Hintergrund und mit dieser Sorge haben wir fristwahrend eine Aktuelle Debatte beantragt. Zeitgleich haben alle Fraktionen hier im Hohen Haus gemeinsam um eine Erklärung gerungen, eine Erklärung, mit der wir deutlich machen, dass es unerträglich ist, dass man den Neonazis eine Stimme gibt, und in der wir deutlich machen, wie schwierig die Situation ist.

Wir wollen damit sagen, dass wir die Ängste der Menschen vor Ort ernst nehmen. Wir wollen aber auch sagen, dass man auch in diesem Fall die Menschenrechte und den Rechtsstaat wahren muss und dass man ergebnisoffen in eine solche Situation hineingehen muss, dass man Emotionen herausnehmen muss und dass man dann moderierend zu einer Lösung kommen muss.

Resozialisierung bedeutet immer, dass man an beiden Seiten ansetzt, bei den ehemaligen Sicherungsverwahrten, aber auch bei der aufnehmenden Gesellschaft, um beide Seiten zur Resozialisierung zu befähigen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Dieser Erklärung ist beinahe die Grundlage entzogen worden, und zwar durch eine One-ManShow des Innenministers, der sich gestern in dieser aufgepeitschten Situation in einer Art Haustürgeschäft

(Herr Rosmeisl, CDU: Das ist peinlich!)

hat unterschreiben lassen, dass die beiden Sexualstraftäter aus Insel wegziehen wollen. Damit ha

ben Sie sich zum Agenten der Straße gemacht, Herr Stahlknecht.

(Zurufe von der CDU: Buh! - Pfui! - Unruhe bei der CDU)

Welche Motivation Sie hatten, werden Sie dem Hohen Haus darlegen können, aber ich sage Ihnen: Sie haben der Demokratie damit einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zurufe von der CDU)

Es spricht für die Demokratiefähigkeit der vier Fraktionen in diesem Haus, dass wir uns durch diesen Alleingang unsere Erklärung und unsere gemeinsame Stellungnahme zum Rechtsstaat nicht kaputt machen lassen und dass wir diesen Antrag als Entschließungsantrag einbringen werden. Ich werbe dafür, dass wir ihn mit der großen Mehrheit aller vier Fraktionen beschließen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Danke für die Einbringung der Aktuellen Debatte. Es gibt vonseiten des Vorsitzenden der Fraktion der CDU den Wunsch, eine Frage zu stellen.

(Herr Schröder, CDU: Eine Intervention!)

- Eine Intervention. Herr Kollege Schröder, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Dalbert, ich erlaube mir jetzt das Wort zu ergreifen. Sie werben zu Recht für die gemeinsame Entschließung, an der alle Fraktionen mitgewirkt haben. Ich habe das am gestrigen Tage mitverfolgt. Sie werben für diese gemeinsame Entschließung mit Worten, die mich dazu treiben, jetzt nach vorn zu kommen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe kein Interesse daran, die Situation in Insel durch eine Debatte zu beschweren. Sie selber haben Ihren ursprünglichen Antrag auf eine Aktuelle Debatte mit der Teilüberschrift „Friedliche Lösung in Insel erreichen“ versehen. In dem Text, den wir gemeinschaftlich verabredet haben, steht im zweiten Absatz der Satz:

„Die Fraktionen nehmen die Ängste von Nachbarn ernst. Es ist auch originäre Aufgabe des Staates, die Bürgerinnen und Bürgern vor Gefahren zu schützen.“

Das ist Bestandteil des Textes. Wenn man den Schutz der Menschen unseres Landes ernst nimmt, auch den Schutz von ehemals Sicherungsverwahrten, von ehemaligen Straftätern, und eine

Situation herbeiführt, in der auf Demonstrationsveranstaltungen verzichtet wird, in der - in diesem Fall durch den Innenminister mit Moderation von Persönlichkeiten auch aus dem Bereich der Kirche - eine Lösung gefunden wird, die deeskalierend wirkt, dann ist das etwas, was zu dieser Entschließung passt, was nicht im Widerspruch zu ihr steht.

(Zustimmung von Herrn Harms, CDU)

Deswegen ist das etwas, was den Innenminister eben gerade nicht zu einem Agenten der Straße macht, sondern vielmehr zu einem Agenten dieser Entschließung.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie mir, noch einen Hinweis zu geben: Wenn die Justizministerin dieses Landes auf die Rechtslage, die auch in diesem Haus unstrittig ist, und auf die von uns allen gewollte Resozialisierung hinweist, auf die auch diese Menschen einen Anspruch haben, auch in Sachsen-Anhalt, dann ist das eben nicht als Sonntagsrede abzutun. Auch das will ich an dieser Stelle einmal deutlich sagen.