Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Sitzung. Es ist die 100. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Ich heiße Sie alle noch einmal herzlich willkommen und ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Liebe Kollegin Hohmann, ich gratuliere Ihnen im Namen des Hohen Hauses zum Geburtstag und wünsche Ihnen persönlich alles Gute.
Ich komme zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Mit Schreiben vom 4. November 2015 bat die Landesregierung für die 48. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen. Minister Herr Bullerjahn entschuldigt sich am Donnerstag bis 15 Uhr wegen der Teilnahme am Bund-Länder-Gesprächskreis und an der Finanzministerkonferenz in Berlin.
Staatsminister Herr Robra entschuldigt sich am Donnerstag ganztägig wegen der Teilnahme an der Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder und der anschließenden Besprechung mit dem Chef des Bundeskanzleramtes in Berlin.
Ministerin Frau Professor Dr. Kolb entschuldigt sich am Donnerstag ganztägig wegen der Teilnahme an der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Berlin.
Wir kommen zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 48. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die Fraktion DIE LINKE hat fristgemäß ein Thema zur Aktuellen Debatte eingereicht, das unter dem Punkt 21 in die Tagesordnung aufgenommen wurde. Gemäß einer Übereinkunft im Ältestenrat wird es am Freitag an erster Stelle behandelt werden. Hierzu schlagen die parlamentarischen Geschäftsführer die Rednerreihenfolge DIE LINKE, SPD, GRÜNE und CDU vor.
Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.
Zum zeitlichen Ablauf der 48. Sitzungsperiode. Am heutigen Abend findet eine parlamentarische Begegnung mit dem Eine-Welt-Netzwerk SachsenAnhalt in Kooperation mit der Engagement Glo
bal gGmbH statt unter dem Motto „Was passiert nach den MDG? - Wie gehen wir in SachsenAnhalt und Europa damit um?“. MDG sind die Millenniumsziele. Die Einladungen dazu sind ausgesprochen. Ich habe hiermit noch einmal darauf hingewiesen.
Für die Aussprache haben wir im Ältestenrat die Debattenstruktur D vereinbart. Das sind 45 Minuten. Die Fraktionen erhalten in der Reihenfolge SPD, DIE LINKE, CDU und GRÜNE das Wort. Für die Einbringerin hat zunächst die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Professor Dr. Dalbert das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Papst Franziskus ruft in seiner Enzyklika „Laudato si - über die Sorge für das gemeinsame Haus“ dazu auf, das gemeinsame Haus zu schützen. Ich zitiere in Auszügen:
„Der Klimawandel... stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar.... Darum ist es dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen drastisch zu reduzieren, zum Beispiel indem man die Verbrennung von fossilem Kraftstoff ersetzt und Quellen erneuerbarer Energie entwickelt.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Es geht darum, wie wir unseren Kindern und Enkeln die Welt überlassen. - Ich finde, es ist ein bisschen laut, wenn ich das einmal so sagen darf.
- Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Es geht also um den Erhalt des Hauses, in dem wir alle wohnen. Deswegen muss Klimaschutz unserer aller ureigenes Interesse sein.
Die Klimakatastrophe findet nicht irgendwo statt, in fernen Welten. Sie findet auf dem ganzen Globus statt. Sie findet eben auch in Deutschland und in Sachsen-Anhalt statt.
Wer glaubt, dass die Klimakatastrophe etwas sei, was in ferner Zukunft stattfinden wird, dem empfehle ich den Film „Chasing Ice“. Das ist ein Film, der in eindrücklichen Bildern zeigt, dass bereits heute die Gletscher dramatisch abschmelzen. Die Klimakatastrophe ist bereits heute Realität.
Was heißt das? - Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, dass bei einer Temperaturerhöhung um nur 1 °C in Deutschland Naturkatastrophen mit einem Schaden von jährlich 137 Milliarden € auftreten werden.
In Princeton hat gerade die Forschungsorganisation Climate Central eine neue Studie veröffentlicht. Darin heißt es, dass bei einem Temperaturanstieg um 2 °C weltweit durch die steigenden Meeresspiegel 130 Millionen Menschen betroffen sein werden. Allein in Deutschland wären davon 1,3 Millionen Menschen betroffen. Da rede ich noch nicht von den Klimaflüchtlingen, die sich weltweit auf den Weg machen müssen, um eine neue Heimat zu finden.
Vom 30. November bis zum 11. Dezember findet in Paris die große UN-Klimakonferenz statt. Diese Konferenz hat eine zentrale Bedeutung, weil sie in Nachfolge des sogenannten Kyoto-Protokolls eine neue Klimaschutzvereinbarung mit verbindlichen Klimazielen für alle 195 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention treffen soll.
Nun gut, wir werden sehen, wie verbindlich die Ziele für die einzelnen Länder sein werden, die dort verabredet werden. Denn für die Vergangenheit können wir feststellen, dass diese jährlichen Konferenzen keinen echten Beitrag zum Klimaschutz geleistet haben.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch nicht sinnvoll, auf die internationale Gemeinschaft zu warten oder gar auf klimaschädliche Entwicklungen in Ländern wie den USA oder China zu verweisen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Getreu dem Motto: Es gibt nur Gutes, wenn man es tut, müssen wir vor unserer Haustür anfangen.
Deswegen die Frage: Wie sieht es in Sachsen-Anhalt aus? - Vordergründig gut. Die CO2-Emissionen sind nach 1990 um 60 % zurückgegangen. Das heißt, das bundesweite Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Minderung um 40 % zu erreichen, ist gesichert. Also ist alles gut? Ich denke: Nein!
Es ist richtig, dass nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 der Primärenergieverbrauch um etwa 40 % stark eingebrochen ist und die CO2-Emissionenen um 60 % zurückgegangen sind - bis 1995.
Die Landesregierung will uns diesen Rückgang als Erfolg des Klimaschutzes verkaufen. Dazu sage ich ganz klar: Das ist Etikettenschwindel! Denn die Gründe sind ganz andere.
Die Gründe sind doch nicht Klimaschutz, sondern die Gründe sind der Zusammenbruch der Wirtschaft und der Industrie nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.
Seit 1995 sind die CO2-Emissionen eben nicht mehr gesunken. Es hat also kein Klimaschutz stattgefunden. Das lässt sich anhand der Zahlen belegen. Im Grunde genommen ist dies hinlänglich bekannt.
Bei den CO2-Emissionen je Einwohner lagen wir 2011 bei 11,5 t. Während im Bundesdurchschnitt die CO2-Emissionen pro Einwohner gesunken sind, sind sie in Sachsen-Anhalt gestiegen, und wir liegen im Moment auf dem viertletzten Platz aller Bundesländer. In Sachen CO2-Reduktion hat sich also nichts getan. Das gilt übrigens auch, wenn Sie das anders herunterbrechen, zum Bespiel die CO2-Emissionen bezogen auf das Bruttoinlandprodukt als Indikator der wirtschaftlichen Entwicklung. Auch dann werden Sie sehen, dass sich seit 1995 schlicht nichts getan hat.
Es ist gut, dass Sachsen-Anhalt ein eigenes Klimaschutzprogramm hat. Damit will die Landesregierung bis 2020 einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sodass das Zweigradziel erreicht wird.
Wenn ich mir jedoch die Antwort auf unsere Große Anfrage zum Klimaschutzprogramm anschaue, zeigt dies deutlich, dass die vorliegende Fassung des Klimaschutzprogramms nicht dazu geeignet ist, Klimaschutz in Sachsen-Anhalt voranzutreiben.