Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Ich kann es doch gar nicht kleinreden. Der Übernachtungstourismus hat tatsächlich 1,277 Milliarden € eingebracht - das ist schon einmal gut und richtig -, bei den gewerblichen Betrieben rund 801 Millionen €. Das sind Zahlen, die stehen einfach, darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Für mich ist es schwierig, wenn dann in der vorletzten Sitzung des Tourismusausschusses, der ein reiner Tourismusausschuss war, nur noch Berichterstattungen laufen und die offenen Probleme gar nicht mehr angesprochen werden.

Wenn die Akteurinnen nur noch zur Berichterstattung vorbeikommen, dann befremdet mich das. Es ist aber nicht zu ändern.

Ich freue mich, dass wir im nächsten Jahr den German-Travel-Markt in Magdeburg haben, eine internationale Reisemesse, die tatsächlich auf Sachsen-Anhalt aufmerksam machen kann und muss, auch im Hinblick auf ausländische Gäste.

Wenn Sie den Antrag ablehnen, gut, dann muss ich damit leben. Ich hoffe nur, dass bei den Touristikern der Ansatz einer positiv gemeinten Kritik ankommt. Aber wir haben auf der einen oder anderen Regionalversammlung noch die Möglichkeit, das geradezurücken. Ich würde mir nur wünschen, wir tun es nicht gegeneinander, sondern wir machen es der Sache wegen gemeinsam. Dabei sind wir gegenwärtig nicht auf e i n e m Weg. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Frau Hampel, SPD)

Mit der Erwiderung ist die Debatte beendet. Wir stimmen jetzt über den Antrag in der Drs. 6/4528 ab. Eine Überweisung ist nicht gefordert worden. Also stimmen wir direkt über den Antrag ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 17 ist erledigt.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 18 aufrufe, möchte ich Sie darüber informieren, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, dass der Tagesordnungspunkt 19 vom morgigen Tag auf den heutigen Tag vorgezogen wird. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann wird das so gemacht.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

Nummer 2 des Beschlusses (Drs. 6/4454) zum Verfahren der Prüfung der Rechnung des Landesrechnungshofes Sachsen-Anhalt nach § 101 der Landeshaushaltsordnung (LHO)

Antrag Fraktionen CDU, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4531 neu

Nachdem der Landtag in seiner letzten Sitzungsperiode den Beschluss in der Drs. 6/4488 zum Verfahren der Prüfung der Rechnung des Landesrechnungshofes Sachsen-Anhalt gefasst hat, dass er auf Vorschlag des Präsidenten des Landesrechnungshofes zwei Mitarbeiter aus dem Prüfungsdienst benennt, die die Jahresrechnungen 2011, 2012 sowie 2013 des Landesrechnungshofes vorbereitend prüfen, liegt Ihnen nun in dem interfraktionellen Antrag in der Drs. 6/4531 neu der namentliche Benennungsvorschlag vor. Es sollen die Mitarbeiter des Prüfungsdienstes Herr Kirchhoff und Frau Zappe beauftragt werden.

Hierzu ist keine Debatte vorgesehen. Wünscht dennoch jemand das Wort? - Das sehe ich nicht. Dann stimmen wir jetzt über die Drs. 6/4531 neu ab. Wer stimmt dieser zu? - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das so beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt 18 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Erste Beratung

Verantwortung gerecht werden - Unterbringung von Geflüchteten verbessern - Kapazitäten nutzen und erschließen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4537

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Quade. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verantwortung gerecht werden, darum geht es. Wir debattieren zu dem von uns vorgelegten Antrag in einer Zeit, in der die Entwicklungen des Zuzugs, der Unterbringung, der politischen Entscheidungen einer großen Dynamik unterliegen, in einer Zeit, in der der Satz von Angela Merkel „Wir schaffen das“ jeden Tag aufs Neue und zuallererst von ihrer eigenen Partei infrage gestellt wird und ihm eben auch das „Wir schaffen das nicht“ entgegengehalten wird.

Ich sage, es geht in dieser Debatte weniger um die tatsächlich dringend notwendige Klärung der Vor

aussetzungen für eine gute Aufnahme von Geflüchteten als vielmehr um die Infragestellung einer ganz grundlegenden Haltung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Man hat tatsächlich den Eindruck, um diese Auseinandersetzung um die Haltung der Bundesrepublik zu gewinnen - damit hat Sigmar Gabriel ausnahmsweise doch einmal Recht -, wird jeden Tag einen neue Sau durchs Dorf getrieben. Einmal nehmen angeblich die Flüchtlinge, die gar keine richtigen Flüchtlinge seien, weil sie ja nur vor Armut fliehen, den richtigen Flüchtlingen die Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen weg. Ein anderes Mal wird pauschal die Zielstellung ausgegeben, die Zahl der Abschiebungen solle verdoppelt werden.

Dass auch nach Einschätzung der Integrationsbeauftragten des Landes und gemäß den Zahlen Ihres Hauses, Herr Minister, 90 % der Menschen, die in den letzten Wochen und Monaten angekommen sind, eine gute bis sichere Bleibeperspektive haben, erwähnen Sie logischerweise nicht. Denn das macht deutlich - unabhängig davon, wie ich das Prinzip der sicheren Drittstaaten, der sicheren Herkunftsstaaten bewerte oder wie ich die Zielstellung der höheren Abschiebequoten per se beurteile -: Die schnellere Abschiebung von angeblich nicht Schutzberechtigten ändert nichts an der Situation der Erstaufnahme im Land. Diese wurde schlichtweg unzureichend, zu spät und nicht bedarfsgerecht geplant.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nun hören wir ganz aktuell, dass es Gegenden in Syrien gebe, aus denen man gar nicht fliehen müsse. Herr Minister - ich habe es schon einmal zu Ihnen gesagt -, zeigen Sie mir bitte diese Gegenden in Syrien, in denen Sie sich momentan gern aufhalten würden, zeigen Sie mir die Gegenden in Syrien, in denen Sie Ihre Familie leben lassen würden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Apropos Familie. Es gibt schon die nächste Forderung. Jetzt lässt der Bundesinnenminister den Koalitionspartner per Pressestatement wissen, dass auch der Familiennachzug für Geflüchtete aus Syrien eingeschränkt werden soll. Das wird dann zurückgenommen, von den CDU-Landesministern, auch dem hiesigen, aber es wird sekundiert und ist nun offenkundig offiziell das Ziel der CDU, ungeachtet dessen, dass damit Frauen und Kinder dem Tod überlassen werden, ungeachtet dessen, dass bereits erhebliche Hürden für Familiennachzug bestehen, ungeachtet dessen, dass Familiennachzug für Flüchtlinge gemäß Genfer Flüchtlingskonvention möglich sein muss. Das Gleiche gilt im Übrigen für subsidiär Schutzberechtigte.

Schließlich kam das Revival der Obergrenzen für die Flüchtlingsaufnahme, die nun auch vom Innenminister gefordert wird, ohne dass er sagt, wie diese Obergrenze durchgesetzt werden soll, ohne dass er sagt, was mit den Menschen, die übrig bleiben, passieren soll - ganz abgesehen davon, dass es auch überaus spannend wäre zu erfahren, wie Sie gedenken, das innerhalb der Bundesrepublik für das Land Sachsen-Anhalt durchsetzen.

Ich will ganz deutlich sagen: Die einzige realistische Antwort auf die Frage, wovon sich Menschen aufhalten lassen sollten, die dem Tod entfliehen konnten, die Krieg erlebt haben, die ihre Familien verloren haben, die verzweifelt sind und die sich auf eine gefährliche, strapaziöse und langwierige Flucht begeben haben, lautet: mit massiver staatlicher Gewalt zur Sicherung der Grenzen. Angela Merkel weiß das und auch Sie wissen das. Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie es gefälligst auch.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Streit um Haltung, um eine grundsätzliche Haltung, ist das Wesen von Politik. Und ja, der intensive Streit um Haltung, den wir gegenwärtig erleben, entspricht eben auch Konfliktlinien, die in der Gesellschaft deutlich kontroverser, deutlich zugespitzter und deutlich unversöhnlicher geführt werden, als wir es hier tun. Etwas, das ich im Kontext der Flüchtlingsaufnahme wirklich problematisch finde, ist, dass, um die Hoheit im Streit über die Haltung zu gewinnen, die Realitäten, die man beeinflussen kann, so angepasst werden, dass sie die Haltung bestätigen.

Meine Fraktion ist in der Frage der Haltung klar entschieden. Aber Aufgabe von Politik ist es auch, die gerade konkret anstehenden Aufgaben zu erfüllen bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Mit unserem Antrag konzentrieren wir uns auf die Situation im Land, auf das, was landespolitisch möglich und aus unserer Sicht dringend nötig ist.

Am drängendsten für uns ist die Situation der Zeltunterbringung. Dass Menschen immer noch in Zelten leben müssen, ist schlichtweg nicht hinnehmbar. Wann diese Situation überwunden sein wird, weiß scheinbar niemand. Im Sommer hieß es, zu Beginn der kalten Jahreszeit würden die Zelte unnötig. Dann war von Mitte, später von Ende Oktober die Rede. Dann hieß es: Anfang November. Und schließlich: vielleicht Ende November.

Das Gleiche gilt für alle Baumaßnahmen. Dass meine Fraktion bereits vor zwei Jahren über die Ausbaumaßnahmen in der ZASt gesprochen hat, dass wir bereits vor geraumer Zeit die Errichtung einer weiteren ZASt beantragt haben - geschenkt. Gleichzeitig hören wir vom Finanzministerium und

dem BLSA, dass es durchaus Kapazitäten gäbe, die aber vom Innenministerium abgelehnt worden seien.

Wir sehen, dass es eine Liste mit zur Verfügung stehenden Kapazitäten gibt - es gibt keine aktuellere -, die sich zum Teil nicht in den Belegungsinformationen wiederfinden. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass auch und gerade im Bereich der Erschließung von Kapazitäten vieles in Bewegung ist; keine Frage. Aber es scheint diese Bewegung nur in eine Richtung zu geben, nämlich dahin, dass die an der einen Stelle stolz verkündeten erschlossenen Kapazitäten irgendwann plötzlich einfach nicht mehr vorkommen.

Nicht minder drängend sind die Fragen der Kommunikation und der Logistik. Dass sich eine geplante Verteilung in die Kreise verschieben kann, ist klar. Dass man nicht immer genau sagen kann, wie viele Familien und wie viele Alleinreisende kommen, welche Sprachbedarfe es geben wird, wie viele Schulplätze gebraucht werden, welche besonderen Schutzbedürfnisse im Einzelnen vorhanden sind, ist auch nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass es nach übereinstimmender Darstellung der Kreise die Regel ist, dass nicht klar ist, wann wie viele Menschen kommen und welche Spezifika es gibt. Somit ist es kaum möglich, dass sich die Kreise gut auf ihre Aufgabe der kommunalen Flüchtlingsaufnahme vorbereiten können.

Noch weniger nachvollziehbar ist, dass die Ankunft der Asylsuchenden in den Kreisen nicht selten in den Nachtstunden liegt. Das ist eine Härte für die Asylsuchenden. Das ist eine Zumutung für die Kreise und ihre Mitarbeiterinnen. Das ist in Zukunft unbedingt zu vermeiden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Eindruck, der uns aus den Kreisen gespiegelt wird, ist, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, insbesondere in Halberstadt, ein unglaubliches Chaos herrscht, dass es dem Stab und dem Ministerium relativ egal ist, was in den Kreisen los ist und dass es einzig darum geht, die Verantwortung auf die Kreise abzuwälzen. Das trifft nicht weniger die beteiligten Hilfsorganisationen, diejenigen, die sich um gute Aufnahmebedingungen bemühen, und die vielen Ehrenamtlichen. Das ist ein nicht akzeptabler Zustand.

Vor dem Hintergrund dessen, was ich eingangs zur Frage der Haltung und der Tendenz zur Anpassung der Realitäten an die Haltung sagte, frage ich mich schon, ob es nur am Unvermögen liegt oder ob es eben nicht doch darum geht, die Überlastungsanzeigen aus den Kommunen regelrecht zu provozieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Und ja, die Möglichkeiten der Unterbringung in den Kreisen sind unterschiedlich. Es gibt Kreise, die Zeit zur Herrichtung von Unterkünften brauchen. Es gibt Kreise, die kommen innerhalb ihrer kommunalen Gliederungen nicht weiter mit der Unterbringung. Die Landräte haben den Auftrag zur Unterbringung, aber keinen Zugriff auf die kommunalen Wohnungsbauunternehmen.

Aus den Kommunen wird ihnen zuweilen mitgeteilt: Wir haben keine Wohnungen. Das kann weder mit Blick auf die Abwanderungsbewegungen noch mit Blick auf den Leerstand wirklich sein. Mir scheint es notwendig zu sein, zwischen verfügbarem, nicht verfügbarem und eben auch politisch nicht verfügbarem Wohnraum zu unterscheiden.

Wenn die Analyse nun ergibt, dass die Wohnraumsituation in den Landkreisen und kreisfreien Städten unterschiedlich ist, dann ist es angesichts der massiv fehlenden Erstaufnahmeplätze in Landesverantwortung der richtige Weg, von der starren Verteilquote auf die Kreise zumindest vorübergehend abzuweichen.

Wenn es so ist, dass Leerstand, der ausgewiesen ist, real nicht verfügbar ist, weil Gebäude zum Beispiel bereits komplett entkernt worden sind oder nicht beziehbar sind, wenn es so ist, dass teilweise nur Zeit notwendig ist, an anderer Stelle aber politisch gemauert wird, dann ist es richtig, eine Fachgruppe mit Vertreterinnen des Finanzministeriums, des Landesverwaltungsamtes, des Ministeriums für Inneres und Sport sowie mit der Integrationsbeauftragten damit zu beauftragen, eine realistische und aktuelle Einschätzung zu den tatsächlich verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten in den Kreisen zu treffen. Darauf könnte in enger Abstimmung mit den Kreisen eine vernünftige Verteilung aufbauen, das würde auch helfen, Überforderungssituationen zu vermeiden und abzubauen.

Im letzten Punkt unseres Antrages schließlich fordern wir die Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses zur Aufnahme und Unterbringung Asylsuchender und Geflüchteter. Wir haben den Arbeitsauftrag relativ klar beschrieben und begründet. Deshalb will ich an dieser Stelle nur eines sagen, weil ich schon höre, dass Sie sagen: Wer wird denn jetzt so kurz vor der Wahl noch einen Ausschuss einrichten und was soll denn das?

Dass wir die Einsetzung einen solchen Ausschusses vorschlagen, verstehen wir als Zeichen, dass wir das Parlament ernst nehmen und auch Vertrauen haben, dass die Kolleginnen und Kollegen in allen anderen Fraktionen das auch tun.

Aus diesem Ernstnehmen ergibt sich für uns die Schlussfolgerung, dass sich die Arbeitsweise des Parlaments seinen Aufgaben anpassen muss.