Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir später über den Bundesverkehrswegeplan debattieren, steht jetzt ein artverwandtes Thema auf der Tagesordnung. Die Anträge der Fraktion DIE LINKE und der Regierungskoalition sehen wir nicht unkritisch, was ich erläutern möchte.

Das Für und Wider im Hinblick auf eine Bundesfernstraßengesellschaft muss differenziert betrachtet werden. Es könnte ein Fehler sein, hier einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen zu suchen. Wir lehnen daher ein Konzept für eine Bundesfernstraßengesellschaft nicht kategorisch ab. Vielmehr sollte es das Ziel sein, in Zukunft mehr Effizienz, vor allem beim Erhalt und bei der Bewirtschaftung unserer Autobahnen und Bundesstraßen, zu gewährleisten. Eine Bundesfernstraßengesellschaft kann helfen, diese Ziele zu erreichen.

Politische Interessen hatten in der Vergangenheit oft Einfluss auf die Planung von Projekten. Das wird im Zusammenhang mit dem Bundesverkehrswegeplan besonders deutlich. Von allen Bundesländern wurden hierfür Straßenbauprojekte angemeldet, weil es vor allem die regionale Politik so wollte. Ob die Projekte dabei in das Gesamtnetz der deutschen bzw. europäischen Fernstraßen passten, war und ist in viel zu vielen Fällen unerheblich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die zur jetzigen Zeit absolut unnötige Aufblähung des Bundesverkehrswegeplanes könnte durch eine Bundesfernstraßengesellschaft zumindest eingegrenzt werden. In einem gewissen Maße kann es sinnvoll sein, dass die Länder in dieser Frage etwas Macht an den Bund abgeben.

(Zuruf von Herrn Hövelmann, SPD)

Jetzt bestehende Anreize für Fehlinvestitionen, bedingt durch die Verantwortung für das Planen, Bauen und Verwalten, jedoch nicht für das Finanzieren - das macht ja der Bund -, würden vermieden werden. Außerdem könnten sich unser Verkehrsministerium und die nachgelagerten Behörden sogar einige Probleme ersparen und sich zum Beispiel stärker auf die maroden Landesstraßen, vor allem auf die Brücken, konzentrieren, also auf die eigentliche Kernaufgabe, die durchaus oft vernachlässigt wird.

Es stellt sich natürlich die Frage, in welchem Maße die Planungskompetenz auf eine Bundesfernstraßengesellschaft übertragen werden soll. Hierüber muss offen diskutiert werden. Meines Wissens werden auch vom Bund mehrere Modelle erörtert.

Ein zentraler Punkt, der an das Thema Bundesfernstraßengesellschaft gekoppelt ist, ist die Eigentumsfrage. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist klar: Das Eigentum an einer möglichen Bundesfernstraßengesellschaft sollte weiterhin bei der öffentlichen Hand liegen. Eine Privatisierung der Gesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft kommt für uns nicht infrage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das gilt ebenso für Einzelprojekte. Die anscheinend sehr ernst gemeinten Gedankenspiele der Bundesregierung, im Bundesfernstraßenbau öffentlich-private Partnerschaftsobjekte - ÖPP genannt - in großem Maßstab einzuführen, sind keine Mittel für die Lösung des Sanierungsstaus. Die Gefahr, dass die Steuerzahler künftiger Generationen die Zeche bezahlen müssen, ist groß. Am Ende kann es nicht darum gehen, wohlhabenden Bürgern neue Geldanlagemöglichkeiten zu erschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aus dieser Richtung - Versicherungskonzerne, Investmentfonds - weht der Wind bei dieser ÖPPDiskussion jedoch. Die Finanzwelt sollte sich andere Anlagemöglichkeiten suchen.

Natürlich wollen wir auch nicht eine Arbeitsplatzverlagerung bei der Landesstraßenbauverwaltung oder anderen Verwaltungen auslösen. Dies müsste keineswegs passieren. Es wäre wenig hilfreich, wenn eine mögliche Bundesfernstraßenverwaltung in Berlin oder anderswo zu einer Mammutbehörde mutierte. Die Synergien und das Know-how dürfen Sachsen-Anhalt nicht verloren gehen. Deshalb sollten die arbeitsintensiven Detailplanungen weiterhin im Bundesland Sachsen-Anhalt erfolgen. Dies wäre auch logisch. Darüber hinaus könnte sich die Landesstraßenbauverwaltung von Sachsen-Anhalt stärker auf die bereits erwähnte Problematik der Landesstraßen konzentrieren, wenn sie sich weniger intensiv den Bundesfernstraßen widmen müsste.

Ich weiß, es gibt Grüne in anderen Bundesländern, die eine Bundesfernstraßengesellschaft in der Tendenz ablehnen. Aber dort - ich spreche von Baden-Württemberg - hat der grüne Verkehrsminister auch gute Gründe. Baden-Württemberg ist bei den Projektanmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan strukturiert vorgegangen. Man hat dort bereits eine tatsächliche Priorisierung vorgenommen. Mit anderen Worten: Baden-Württemberg braucht offensichtlich keine Hilfestellung aus

Berlin. Das ist von außen betrachtet logisch und konsequent

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

und eine Bundesfernstraßengesellschaft daher vielleicht entbehrlich.

Liebe Frau Berthold, würden Sie bitte langsam zum Ende kommen? Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.

Ja. - In Sachsen-Anhalt liegen die Dinge nun einmal anders. In diesem Gesamtkontext können wir den Anträgen der CDU, der CSU und der LINKEN nicht zustimmen. Wir wollen das Thema Bundesfernstraßengesellschaft zumindest nicht einfach beerdigen.

(Zustimmung von Herrn Geisthardt, CDU, von Herrn Scheurell, CDU, und von Frau Weiß, CDU - Herr Geisthardt, CDU: Bravo!)

Der gegenwärtige Status quo im Bereich der Planung, des Baus und der Finanzierung von Bundesfernstraßen ist mehr als nur bedenklich und sollte nicht die Zukunft sein. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über die Anträge der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Berthold. Es gibt eine Frage. Der Abgeordnete Herr Scheurell hat eine Frage. Möchten Sie diese beantworten? - Bitte schön, Herr Scheurell, Sie haben das Wort.

(Das Saalmikrofon funktioniert nicht - Zu- rufe: Drücken! - Noch einmal drücken! - Hei- terkeit bei allen Fraktionen)

Kommen Sie zu mir vor.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das Mikro hat Cha- rakter! - Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben uns ganz neue Betrachtungsaspekte für die Antragsformulierung der einzelnen Fraktionen aufgezeigt. Wir sind doch aber nur vier Fraktionen. Wo ist hier die CSU?

Das ist ja ein Projekt der Bundesregierung. Darum habe ich die CSU an dieser Stelle erwähnt.

Aber Sie haben doch auf unsere Anträge reflektiert.

Ja, das ist richtig. Dann streichen Sie das.

(Frau Bull, DIE LINKE: Nicht substanziell!)

Vielen Dank. Die Frage wurde beantwortet. - Meine Damen und Herren! Wir kommen zu dem Debattenbeitrag der CDU-Fraktion. Frau Schiergott, Sie hätten noch einmal das Wort, wenn Sie wollen. - Sie verzichtet. Dann kommen wir zu dem Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Hoffmann, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin überlegt, ob ich eine Zwischenfrage stelle. Aber ich darf jetzt noch einmal reagieren und das halte ich für effizienter.

(Herr Scheurell, CDU: Jawoll!)

Ich bin aus dem Beitrag von Frau Berthold nicht ganz schlau geworden.

(Frau Weiß, CDU: Wir auch nicht!)

Sie hat einerseits Gründe für eine sachliche Bearbeitung des Themas genannt. Es ist eine der drei Säulen, sich mit der Effizienzfrage einer solchen Gesellschaft zu beschäftigen. Das ist aber nur eine der drei Säulen, von denen auch Herr Bodewig sprach.

Frau Berthold hat andererseits auch Argumente genannt, die zu der Vorsicht mahnen, die die drei Fraktionen zumindest in den Raum zu stellen versuchen. Ich will davor warnen, dass die Bundesfernstraßengesellschaft gerade unter dem Aspekt ÖPP der erste Schritt sein könnte - nicht ohne Grund reflektiert Herr Dobrindt bei dem Thema im Moment sogar mehr auf die Autobahnen als auf die Bundesfernstraßen -, dem der zweite folgen könnte: den Weg freizumachen für privates Geld.

Wenn man weiß, dass von dem Bundesverkehrswegeplan, der im Moment völlig überfrachtet ist, nicht annähernd das, was darin aufgeführt ist, auch gebaut werden kann, und dass zum Beispiel bei den Versicherungsgesellschaften Geld in dreistelliger Milliardenhöhe vagabundiert, das nicht angelegt werden kann, aber angelegt werden könnte, wenn man das Thema in einer Art gestaltet, wie ich das angedeutet habe, möglicherweise mit einem Gewinn von 3,5 %, dann wird das insofern - -

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

- Das ist nicht erfunden. - Wenn dann Anlageformen für dieses Geld gesucht werden, dann wird man Projekte umsetzen, die niemand braucht, nur damit gebaut wird. Der Fokus wird stärker auf dem Neubau liegen und weniger auf dem Erhalt; das hat Herr Bodewig nicht bestritten. Wir haben vereinbart, dass andere Dinge, die in diesem Kreis besprochen wurden, hier nicht ausgesprochen werden. Daran muss man sich auch halten. Aber diese Dinge werden nicht bestritten.

Sogar die Informationen aus dem Ministerium sind nicht weit von dem entfernt, was ich hier sage; zumindest lassen sie die Vermutung zu. Davor müssen wir uns hüten; denn dann geht es um den Neubau. In den Schubladen gibt es Projekte, bei denen überlegt wird, auf der rechten äußeren Spur einer Autobahn Oberleitungstrassen zu bauen, um dort Busse und auch Lkw fahren zu lassen. Angesichts dessen warte ich nur auf die Beschlussfassung, dass bei uns Gigaliner durch die Länder brummen und dass die Fernbusse noch besser mit Oberleitungslinien fahren. Dann gnade der Deutschen Bahn Gott; das kann keiner wirklich wollen. Ich male hiermit ein Szenario an die Wand - -

(Herr Thomas, CDU: Mein Gott!)

- Ich sage nur, was das Geld interessiert. Warum haben Sie, wenn Sie das selber nicht so sehen, den Antrag so gestellt? Sie können das glauben.

(Herr Thomas, CDU: Nein, ich glaube es nicht!)

- Das ist dann ein anderes Problem. Ich sage Ihnen aber, was alles möglich ist.

Ich muss ehrlich sagen: Das kann keiner wollen; denn dann sind die eigentlichen Probleme, nämlich der Erhalt der Straßen und der Anspruch, sich auf der kommunalen Ebene den Straßen zu widmen, tatsächlich gefährdet.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich verstehe das nicht. Ich kann nur sagen: Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich hätte mir gewünscht, alle vier Fraktionen hätten sich auf einen Antrag einigen können. Das hätte der der Koalitionsfraktionen sein können, dann hätte ich meinen zurückgezogen. Nun erhalte ich ihn aufrecht. Wundern Sie sich nicht: Wir stimmen unserem Antrag zu, und wenn er keine Mehrheit erhält, dann stimmen wir Ihrem Antrag zu. Dann sind es eben nur drei Fraktionen; tut mir leid.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)