Aber - darauf hat Norbert Bischoff schon hingewiesen - im Gegensatz zu anderen Ehrenamtlern gibt es für diesen Dank keinen politischen Konsens. Ich zitiere nur einmal den AfD-Fraktionsvorsitzenden aus Brandenburg, den Kollegen Gauland - es fällt mir in diesem Kontext schwer, „Kollege“ zu sagen. Der bezeichnet diese Flüchtlingshelfer als die „nützlichen Idioten“. Aber es gibt solche Beispiele durchaus auch hier im Land. Es gibt auch einen Landrat hier bei uns, im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, der sie als „rosarote Willkommenshysteriker“ bezeichnet. Aber wir haben auch solche Situationen, dass solche Menschen nicht nur diskreditiert werden, sondern - -
- Der Zusammenhang ist klar, wenn ich einen solchen Begriff verwende, Herr Schröder. Der ist eindeutig, da brauche ich nichts herauszureißen.
Aber es gibt eben nicht nur die verbale Diskreditierung, es gibt auch die realen Angriffe auf diejenigen, die sich in der Flüchtlingshilfe betätigen. Ich nenne als Beispiel den ehrenamtlichen Bürgermeister von Tröglitz. Das ging damals noch durch die Presse. Heute ist das leider Alltag. Heute sind
solche Angriffe leider kaum noch eine Zeitungsnotiz wert. Deswegen ist es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, diese Ehrenamtler zu verteidigen gegen Diskreditierung und gegen Angriffe.
Aber - das gehört zur Wahrheit dazu - gerade diese Ehrenamtler stoßen nicht selten an staatliche Mauern. Diese staatlichen Mauern sind nicht das Versagen irgendeines Beamten; sie liegen im System. Während sich die Ehrenamtler darum kümmern, dass Flüchtlinge hier ein menschenwürdiges Dasein haben, dass sie willkommen geheißen werden, dass sie sich wohlfühlen können, wissen wir alle, die wir hier im Raum sind, dass die Asylgesetzgebung spätestens seit Anfang der 90er-Jahre darauf ausgerichtet ist, möglichst radikale Abwehrpositionen zu organisieren, damit man möglichst wenig Zuzug hat.
Wir erleben das auch heute wieder. Heute Morgen schaue ich in die Presse, und was lese ich von unserem Ministerpräsidenten? - Obergrenzen, Obergrenzen, Obergrenzen! Das bedeutet doch, einen Abwehrmechanismus zu organisieren. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Flüchtlingshelfer wollen. Deswegen stoßen sie an staatliche Mauern und an Obergrenzen. Auch das gehört zur Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das sehen wir übrigens auch in der Praxis. Es gibt in Magdeburg eine Gruppe junger Medizinstudenten. Wissen Sie, was die machen? - Die organisieren für illegalisierte Flüchtlinge medizinische Betreuung.
Damit sind sie bei uns eigentlich schon fast kriminell. Weil sie für Menschen medizinische Betreuung organisieren, werden sie kriminalisiert. Das ist doch ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Aber es gibt auch die kleineren Schritte. Es gibt zum Beispiel Studenten von der Fachhochschule Merseburg, die in die Flüchtlingseinrichtung Krumpa gehen. Dort führen sie Deutschkurse mit den Flüchtlingen durch. Ja, und vielleicht haben sie Flüchtlinge auch darüber unterrichtet, welche Rechte sie haben, welche Möglichkeiten. Was passiert? - Die Heimleitung schließt sie aus wegen Anstiftung zur Unruhe. Was passiert? - Der Landkreis - ich weiß es nicht; zumindest war das in den letzten zwei, drei Tagen noch nicht der Fall - hat dagegen offensichtlich erst einmal nicht interveniert. Das ist ein Skandal! Hier macht der Staat
Sie werden ignoriert, sie werden belächelt, sie werden diskreditiert und sie werden angegriffen. Das ist die Realität. Ich habe größte Hochachtung vor jedem Feuerwehrmann, vor jedem Chorleiter, sogar vor dem Chef eines Karnevalsvereins - obwohl ich Preuße bin -, aber ich sage mit aller Deutlichkeit: Diese ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer leisten etwas ganz Besonderes, weil sie nicht überall Ehre empfangen, weil sie angegriffen werden für ihren Humanismus. Das ist zu werten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Etwas, das wir allerdings nicht zulassen dürfen, ist, dass diese Ehrenamtler Notnagel für staatliches Versagen sind. Dann möchte ich es doch noch einmal sagen: Ich fand die Position des DRKChefs aus Wanzleben völlig richtig, der mir sagte: Jawohl, Herr Gallert, wir betreuen die Menschen dort oben in der ZASt in den Zeltlagern, aber wir weigern uns, das noch im November zu tun. Wir weigern uns, die unhaltbaren Zustände dort in einem Zeltlager im November noch mit unserer Betreuung zu legitimieren; denn sie sind nicht zu legitimieren. Zelte zur Unterbringung von Flüchtlingen im November zeugen von staatlichem Versagen und dafür lassen wir uns nicht einspannen.
Eine solche Position finde ich richtig. Ehrenamtler sind nicht der Notnagel; vielmehr müssen sie durch staatliches Handeln unterstützt werden.
Wir haben allerdings auch auf der Landesebene Schwierigkeiten. Man muss sich nur einmal vorstellen, dass freiwillige Feuerwehren aus verschiedenen Landkreisen die ZASt Halberstadt unterstützen wollen und als Erstes erfahren, dass Hilfe aus weiteren Landkreisen willkommen ist. Aber das Innenministerium sagt: Die Hotelkosten für die Kameraden, die dort für eine Woche übernachten müssen, werden nicht erstattet werden. Also sollen bitte nur diejenigen kommen, die einen relativ kurzen Nachhauseweg haben.
Dann liegen uns Schreiben von Bürgermeistern vor, denen zu entnehmen ist, dass die Kommunen die Aufwandsentschädigung vorfinanzieren sollen und das Land sich irgendwann darum kümmern wird. Das ist nicht in Ordnung. Wir als Land Sachsen-Anhalt müssen ein Vorbild bei der Unterstützung des Ehrenamtes sein. Solche Dinge gehören sich nicht. Wir müssen im Interesse der Kameraden der freiwilligen Feuerwehr eine angemessene Regelung finden.
Ich komme am Ende meiner Rede zu einem anderen Problem. Herr Graner hat ganz speziell darauf hingewiesen, dass es hierbei um die christlichen Kirchen geht, die eine ganz besondere aktive und hervorragende Rolle spielen.
Herr Graner, Sie haben - das machen wir auch gern - die Chefs zitiert. Wissen Sie, wir könnten uns alle hinstellen und zitieren. Aber was wirklich interessant ist, ist, dass die kirchlichen Gemeinden vor Ort oftmals die verlässlichsten, ausdauerndsten und besten Flüchtlingshelfer vor Ort sind. Das ist wirklich entscheidend.
Dicke Resolutionen kennen wir alle und jeder Parteitag stimmt ihnen zu. Aber wie sieht es mit unseren Parteimitgliedern aus? Sind sie vor Ort wirklich überall so engagiert? - Ich muss wirklich sagen, die christlichen Kirchen haben bei uns in SachsenAnhalt relativ wenige Mitglieder, aber dabei sind sie wirklich stark, und zwar nicht, weil es der Bischof und die Bischöfin erzählen, sondern weil sie es aus ihrem christlichen Selbstverständnis heraus tun. Das ist wichtig.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Herr Striegel, GRÜNE: Aber auch, weil die Bischöfe vorangehen! - Unruhe)
Dass die Bischöfin es auch tut, ist absolut richtig und dass sich Herr Feige gegenüber der AfD so geäußert hat, ist absolut wichtig. Aber bei ihnen ist es wie im richtigen Leben: Die Leute vor Ort entscheiden, ob sie sich engagieren. Deswegen ist es so unwahrscheinlich gut, dass sie es tun.
Dies sage ich auch in einem anderen Zusammenhang; denn daneben haben wir auf einmal eine Auseinandersetzung um den christlichen Glauben. Es gibt diejenigen, die das christliche Abendland vor der Islamisierung schützen müssen. Diejenigen, die für christliche Werte stehen, sind diejenigen, die muslimische Flüchtlinge betreuen, sie integrieren und ihnen helfen. Das sind christliche Werte und nicht, auf die Straßen zu rennen, um einen vermeintlichen Islamismus zu bannen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Rosmeisl, CDU: Na, na, na! - Zurufe von der CDU: Ey! - Unruhe)
Deswegen möchte ich ausdrücklich den Kirchen danken und den ehrenamtlich Tätigen, die sich dort engagieren. - Danke.
„Und es war kein Raum für sie in der Herberge.“ - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat die heutige Aktuelle Debatte zum Thema „Ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe“ beantragt. Für diese Debatte ist kein Tag besser geeignet als der heutige Freitag vor dem dritten Advent, unserer letzten Sitzung vor Weihnachten und der Tag vor der Veranstaltung „Politik sagt Danke“ am morgigen Samstag.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Hintergründe für die aktuelle Flüchtlingssituation wurden bereits dargelegt, sie sind uns allen bekannt. Bekannt sind uns Fakten und Zahlen, täglich neue Meldungen über die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, benötigte Unterkünfte, fehlende Winterbekleidung, Fragen der schnelleren Regelung von Asylanträgen und vieles mehr.
Im Verhältnis zu sonstigen langwierigen parlamentarischen Prozessen wurde schon viel auf den Weg gebracht, um diesen neuen Herausforderungen flexibler begegnen zu können. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ämtern, zum Beispiel in den Jugendämtern, des Landes gehen bis an oder über ihre Grenzen, um Bedingungen zu schaffen, die für die ankommenden Menschen einigermaßen erträglich sind und sie schützen, wenn sie des Schutzes bedürfen, wie zum Beispiel die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Ohne die überwältigende und uneigennützige Hilfsbereitschaft von vielen, vielen Ehrenamtlichen, die häufig nach ihrem Arbeitstag und/oder am Wochenende Spenden sammeln, Deutsch unterrichten, Flüchtlinge beraten, mit den Kindern spielen oder sie zu gemeinsamen Aktionen einladen, wäre es dem Gemeinwesen nicht möglich, neben den behördlichen Abläufen und Notwendigkeiten auch zu vermitteln: Deutschland hat ein gastfreundliches Gesicht. Wir heißen die Geflüchteten willkommen.
Hierbei spielen die Kirchen, die Religionsgemeinschaften und auch die Wohlfahrtsverbände in unserem Land eine herausragende Rolle. Warum? - Sie fürchten sich nicht vor Problemen. Sie betrachten das Helfen in Not und das Hinschauen auf Bedürftigkeit als ihre ureigenste Aufgabe. Damit sind sie zum einen bestens geeignet, die vielen Herausforderungen und Anforderungen zu koordinieren, Menschen zusammenzubringen und die Hilfe möglichst effektiv zu gestalten. Die Kleiderkammern sind hierfür ein Beispiel, die dafür Sorge tragen, dass die benötigte Kleidung auch dort ankommt, wo sie gebraucht wird, oder die Tafeln, die zunehmend auch Flüchtlinge versorgen.
Zum anderen sind unsere Kirchen, Religionsgemeinschaften und Wohlfahrtsverbände unverzichtbar, weil sie mit ihren Strukturen die Menschen in unserem Land zum Mitmachen, zum Mitfühlen, zum Anpacken einladen. Sich dem Nächsten zuzuwenden, nicht immer auf die Uhr zu schauen, sich selbst und von sich etwas zu geben, das leben sie vielfach vor.
Auch ich möchte an dieser Stelle aus dem Gemeinsamen Wort zur Flüchtlingssituation der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, dem Bistum Magdeburg und der Evangelischen Landeskirche Anhalts zitieren:
„Dankbar sind wir vor allem auch für die große Hilfsbereitschafft vieler Engagierter in Sachsen-Anhalt, die in Vereinen, Religionsgemeinschaften und Initiativen Flüchtlinge im Alltag unterstützen. Sie alle geben ein Beispiel dafür, was es heißt, in den Menschen, die zu uns kommen, den Bruder und die Schwester zu sehen, die in Not sind. Das erfordert Mut, denn manche, die sich engagieren, werden von Mitbürgern angefeindet und bedroht. Umso mehr sind wir dankbar, dass es in unserem Land Menschen gibt, die Zivilcourage zeigen und denen, die zu uns kommen, Gastfreundschaft erweisen. Das ist es, was unsere Gesellschaft menschlich macht und was sie derzeit auch dringend braucht! Dankbar sind wir auch für die vielen Kommunalpolitikerinnen und -politiker, die trotz aller Schwierigkeiten nach vorn schauen und sich konstruktiv den Herausforderungen stellen.“
Den Ehrenamtlichen in unserem Land gebührt daher der Dank von uns allen. Sie bilden in gewisser Weise das Rückgrat unserer Gesellschaft, nicht nur in Bezug auf die Flüchtlingshilfe, sondern für alle anderen ehrenamtlichen Betätigungsfelder ebenfalls. Insofern ist diese Debatte auch in das Umfeld des Tages des Ehrenamtes eingebettet und wird hoffentlich vielen Mut machen, sich neu oder weiter für Menschen einzusetzen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die ehrenamtliche Hinwendung zu den Flüchtlingen, die häufig traumatisiert sind und Schweres durchmachen mussten, ist auch ein erster wichtiger Schritt in Richtung Integration, nein eigentlich müsste ich sagen, in Richtung Inklusion und Miteinander.
Ich kenne auch zahlreiche Mitbürgerinnen und Mitbürger mit, wie man heute sagt, Migrationshintergrund, die sich in beispielhafter Weise für Flüchtlinge einsetzen. Sie leben damit auch als Vorbilder für die Menschen, die nach Sachsen-Anhalt kom
men und das, was sie mitbringen an Kenntnissen und Erfahrungen, zum Beispiel ihre Musik, an uns weitergeben können. Dadurch wird auch unsere Gesellschaft reicher.