Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Oh!)

- Das ist ein ganz pragmatisches Argument.

Es kann und darf nicht sein, dass Beamte und Richter jährlich vorsorglich gegen ihren Dienstherrn Widerspruch gegen ihre laufende Besoldung einlegen müssen,

(Zustimmung bei der CDU)

weil objektiv nach dieser Karlsruhe Formel erst im Folgejahr die Kriterien der Verfassungsrichter mit den erst dann vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes abgeglichen werden können. Um diese Nachhaltigkeit zu erreichen, ist die Wiedereinführung des früheren Weihnachtsgeldes eine Option.

Andere Optionen wie die lineare Erhöhung der Besoldung unter Einrechnung des Weihnachtsgeldes in die monatlichen Entgelttabellen, wie es einige andere Länder seit Jahren machen, sind dagegen abzuwägen. Dabei muss der künftige Gesetzgeber, wie es Karlsruhe verlangt, auch die außerhalb der eigentlichen Besoldung stehenden Elemente wie Beihilfe und Versorgung im Auge behalten und einbeziehen.

Ich sage es noch einmal: Es gibt künftig keine Unterschiede mehr zwischen den einzelnen Besoldungsbestandteilen, sondern was am Ende zählt, ist die Zahl, die herauskommt, die für die Beamtinnen und Beamten konkret zur Verfügung steht.

Zweitens. Der künftige Gesetzentwurf wird Rechtsfrieden, auch für die Vergangenheit, herstellen müssen; auch das hat Frau Feußner schon gesagt. Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, haben im Dezember 2015 ein Gesetz für die Richter und einen kleinen Teilbereich der Beamten, nämlich den der Staatsanwälte, beschlossen, der für Jahre 2011 bis 2014 Ausgleichsregelungen vorsieht. Auch insoweit muss der Gesetzgeber der siebenten Wahlperiode agieren und ausgewogene, verfassungskonforme Lösungen finden, wenn er nicht in eine Welle von Klagen hineinlaufen will.

Drittens und letztens. Das Parlament und die nächste Landesregierung müssen sich politisch sensibel vor Augen halten, dass die Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitern nicht nur, aber auch in der Besoldung Ausdruck findet. Ein wichtiger Baustein dafür ist die zeit- und wirkungsgleiche Umsetzung der Tarifergebnisse. Das haben wir in den letzten Jahren sehr viel beamtenfreundlicher gemacht als viele andere Bundesländer; ich nenne nur Nordrhein-Westfalen.

Finanzpolitisch wird es aber immer auch auf das Gesamtpaket für das Personal ankommen, das neben der Besoldung Haushaltsvorsorge für Be

förderungen und Stellenhebungen sowie Personalverstärkungen in den jeweils aktuellen Brennpunktbereichen der Landesverwaltung umfasst. In diesem Bereich ist auch in der sechsten Legislaturperiode viel geschehen. Außerdem und gleichzeitig ist die Balance zur Kostenentwicklung der Personalhaushalte insgesamt im Blick zu halten, um der gesamtstaatlichen Verantwortung für einen soliden und die Schuldenbremse einhaltenden Landeshaushalt Rechnung zu tragen.

Es gibt also viel zu tun in der siebenten Legislaturperiode. Landespolitisch bleibt es richtig spannend. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Herr Staatsminister, wenn ich die Handbewegung von Herrn Gallert richtig gedeutet habe, dann möchte er Sie etwas fragen. - Bitte.

Nur eine Frage. Herr Robra, Sie haben ganz grundsätzlichen Änderungsbedarf im Verhältnis zwischen Beamten und Landesregierung begründet, und zwar nicht nur juristisch. Welche Rahmenbedingungen haben sich denn seit Anfang Dezember 2015, seit der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes, bis zu dieser Landtagssitzung Ende Januar 2016 so fundamental verändert, dass man jetzt offensichtlich zu einer so fundamental anderen Einschätzung kommt?

Es hätte mich fast enttäuscht, wenn Sie mich nach dieser Rede nichts gefragt hätten.

Ja, ich habe echt überlegt.

Sie schließen ja bei fast jedem Tagesordnungspunkt eine Frage an.

Nein, substanziell hat sich nichts verändert. Aber wir dringen natürlich immer tiefer in die Probleme ein. Wir sehen - das sage ich nicht nur für uns; wir tauschen uns ja im Kreise der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien aus -, dass die Umsetzung dieser Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts uns vor Riesenherausforderungen stellt.

Es ist immer schön zu sehen, wo wir aktuell im Kreise der Länder stehen. Wir sind sehr weit in die Mitte gerückt. So schlecht stehen wir gar nicht da. Aber im Moment ist kein Land wirklich in der Lage zu sagen, wo es absolut steht, vor dem Hinter

grund dieser Messlatte des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben da eine tiefgreifende Verunsicherung im Kreise derjenigen, die für die Besoldung zuständig sind. Das ist jetzt alles nicht mehr so einfach.

Ich stehe nicht an zu sagen - denn wir haben damals nicht dafür gestimmt -: Hätte man geahnt, dass es so kommt, dass das Verfassungsgericht die Aufgabe der Festsetzung der Besoldung für die Beamtinnen und Beamten einmal zu einer solchen mathematischen Herausforderung macht, dann hätte man sich auf diese Länderverantwortung gar nicht erst eingelassen. Dann hätte man sich wie früher und in bewährter Weise in einem gemeinsamen Tross mit Bund und Ländern bewegt. Denn die ökonomischen Rahmenbedingungen sind letztlich für alle dieselben.

Auch diese Frage hat das Verfassungsgericht noch nicht abschließend beantwortet: Sind dabei wirklich die Abweichungen unter den Ländern relevant? Oder reden wir von den ökonomischen Rahmendaten der Bundesrepublik Deutschland insgesamt? - Diesbezüglich sind also noch nicht alle Messen gesungen. Es ist noch viel Arbeit von den Besoldungsreferenten - ich sehe Herrn S. auf der Besuchertribüne sitzen - zu leisten. Wir werden jede Woche schlauer. Ich gehe davon aus, dass sich auch diejenigen, die in der siebenten Legislaturperiode dafür verantwortlich sind, noch auf manche Überraschung und manchen Erkenntnisgewinn gefasst machen dürfen, nicht nur in dieser Frage.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Die vereinbarte Fünfminutendebatte wird jetzt durch die Fraktion DIE LINKE eröffnet. Herr Knöchel hat das Wort.

Während er nach vorn kommt, begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Carolinum in Bernburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich stehe noch immer andächtig gerührt vor so viel Asche-aufs-Haupt-Streuen bei Ihnen, liebe Frau Feußner.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben in Ihrer Rede einen Verriss von 15 Jahren CDU-Politik abgeliefert.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber kommt die Erkenntnis nicht ein bisschen spät?

Sie haben als Grundlage dieser Erkenntnis benannt: Die Zahl der Klagen nimmt zu. - Jetzt muss

ich Sie darauf hinweisen: Nicht die Zahl der Klagen nimmt zu, die Zahl der Urteile nimmt zu.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn die Klagen verfolgen wir schon seit 2008. Auf dieses Jahr bezogen sich die ersten großen Klagen, über die im vergangenen Jahr entschieden wurde. Das heißt, das Problem ist schon länger bekannt.

Und: Warten auf Gerichte - das war genau die Praxis, die wir in der letzten Zeit hier erleben durften.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Robra, ich freue mich, dass Sie aus meiner Rede zur Frage der Richterbesoldung zitiert haben. Die Frage ist: Müssen wir uns ganz eng an die Vorgaben des Verfassungsgerichts halten? Dürfen wir die Vorgaben gerade so schrammen? Sollten wir nicht darüber nachdenken, wie eine faire Vergütung für Beamtinnen und Beamte aussieht?

Sie sind sich - das hat Ihre Rede gezeigt - durchaus dessen bewusst, was an Unrecht in diesem Land geschehen ist. Insoweit ist es nicht schön, dass Sie hier Einsicht zeigen; es ist vielmehr ein Skandal, dass Sie das auch noch hier so sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hoffen auf das Parlament der nächsten Wahlperiode. Etwas anderes bleibt Ihnen auch nicht. Ich hoffe, dass dann andere Dinge passieren.

Heute, am 28. Januar 2016, in der letzten Sitzungsperiode dieses Hohen Hauses, beantragen die Koalitionsfraktionen, dass die Landesregierung „eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage“ erstellen möge, um, „über alle Besoldungsgruppen hinweg, eine Jahressonderzahlung einzuführen“. Sie begründen ihren Antrag mit einem „Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachsen“, das eine Änderung unseres Besoldungsrechts erforderlich mache, um eine verfassungsgemäße Alimentierung der sachsen-anhaltischen Beamtinnen und Beamten sicherzustellen.

An der Begründung merken Sie bereits, dass dieser Antrag mit der heißen Nadel gestrickt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz in Karlsruhe, und es hat darüber befunden, ob das sächsische Besoldungsrecht mit dem Grundgesetz und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, zu denen auch das Alimentationsprinzip gehört, in Einklang zu bringen ist.

Warum, meine Damen, meine Herren, muss sich das Bundesverfassungsgericht regelmäßig mit der Besoldung in den Ländern auseinandersetzen? - Mit der Föderalismusreform im Jahr 2002 - Herr Robra wies darauf hin - wurde das Besoldungs

recht wieder Sache der Länder, aus der Sicht meiner Fraktion ein Fehler,

(Beifall bei der LINKEN)

ein Wiederholungsfehler. Erst in den 70er-Jahren wurde der Wettbewerbsföderalismus bei der Besoldung aufgegeben und das Besoldungsrecht bundesweit vereinheitlicht - zu Recht. Denn ich erkenne keinen Unterschied zwischen der Arbeit eines hessischen und der eines sachsen-anhaltischen Polizisten. Ein Finanzbeamter muss das gleiche Steuerrecht durchsetzen, egal ob sein Finanzamt in Düsseldorf oder Magdeburg steht. Wie wollen Sie denn erklären, dass ein Beamter weniger Geld bekommt, nur weil sein Land ärmer ist?

Im Jahr 2003 wurde also wieder jener unselige Weg des Wettbewerbsföderalismus beschritten. Infolgedessen entstand bei der Besoldung in Deutschland ein Flickenteppich.

Herr Robra sagt: So schlecht stehen wir gar nicht da. - Wir stehen beim Eingangsamt des mittleren Dienstes auf Platz 14 von 17. Was ist dann bei Ihnen schlecht?

Besonders eifrig war die CDU in Sachsen-Anhalt, die das Weihnachtsgeld als jährliche Sonderzahlung abschaffte und Tarifergebnisse nicht übernahm. Dazu kam etwas später ein SPD-Finanzminister, der zwar - verspätet, aber immerhin - die Tarifergebnisse voll übernahm, aber den Beamten mit der Kostendämpfungspauschale in die Tasche griff. Die Beamtinnen und Beamten des Landes wurden von der Koalition als Sparschweine entdeckt.