Es geht, das möchte ich abschließend noch einmal ganz klar sagen, um das Sexualstrafrecht, und es geht darum, dass alle gleich behandelt werden. Das müssen wir endlich auf den Weg bringen. - Danke.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Frau Brakebusch, CDU: Aber Gäste müssen sich auch anpassen!)
Danke sehr, Kollegin Lüddemann. - Für die SPDFraktion spricht die Abgeordnete Frau Hampel. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass sich am Silvesterabend auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Köln widerwärtige und abscheuliche Taten zugetragen haben, die sich gezielt gegen
Frauen richteten. Frauen wurden von Männergruppen umzingelt, massiv sexuell bedrängt und am Schluss bestohlen. Und die Polizei vor Ort war offensichtlich nicht in der Lage, diese Frauen zu schützen und die Täter dingfest zu machen.
Der Eindruck, dass der Staat womöglich das Heft des Handelns für ein paar Stunden verloren hat, wurde noch dadurch verstärkt, dass über Tage hinweg die Berichterstattung nur schleppend erfolgte und dass man sich insbesondere zur Herkunft der Täter lange in Schweigen gehüllt hat.
Es wurden in der Tat massive Fehler gemacht. Das hat man jetzt auch eingestanden. Dafür wurde zum Schluss der Polizeipräsident von Köln von seiner Aufgabe entbunden.
Deshalb unterstütze ich auch, wie es Herr Gallert uns als SPD, als Koalition mitgeteilt hat, Ihren Antrag dahingehend, dass der Landtag von SachsenAnhalt heute klarstellt, dass wir alle Formen von Sexismus und sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen, aber auch gegen Jungen und Männer auf das Schärfste verurteilen.
Das trifft auf die häusliche Gewalt ebenso zu wie auf Übergriffe im öffentlichen Raum. Niemand in unserem Land darf Frauen körperlich oder seelisch attackieren. Aber genauso wenig dürfen wir es zulassen, dass nunmehr alle Flüchtlinge unter einen Generalverdacht gestellt werden
und dass die Vorfälle gezielt von rechten Gruppierungen oder von der AfD genutzt werden, um das gesellschaftliche Klima gegen Flüchtlinge und Ausländer weiter zu vergiften und schlimmstenfalls zu weiteren Gewalttaten gegen Flüchtlinge aufzurufen.
Ich bin sehr froh darüber, dass sich bundesweit nicht nur Personen des öffentlichen Lebens oder aus dem politischen Raum dafür ausgesprochen haben, dass die Täter schnell ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden müssen, egal welcher Herkunft sie sind und welcher Religion sie angehören, sondern dass dies auch von vielen hier
lebenden Ausländern und auch von derzeit Geflüchteten genauso gefordert worden ist. Denn der weitaus größte Teil der hier in Deutschland lebenden Ausländer lebt friedlich hier, will sich integrieren und will sich auch rechtstreu verhalten. Deshalb verlangen auch sie eine zügige Bestrafung der Täter und sprechen sich sogar oder auch für eine schnelle Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gilt, bei den Menschen in unserem Land verloren gegangenes Vertrauen in unsere Rechtsstaatlichkeit zurückzugewinnen. Das betrifft den Opferschutz. Es ist schon vieles gesagt worden. Wir müssen in Zukunft dafür Sorge tragen, dass Straftaten im Bereich der sexualisierten Gewalt zügig aufgeklärt werden und zu einer Verurteilung führen.
Wir wissen, dass sexuelle Gewalt in unserer Gesellschaft generell ein Problem ist, auch vor Köln, und dass diese sexualisierte Gewalt typischerweise im sozialen Nahraum, in der Familie oder auch im Bekanntenkreis, stattfindet. Noch immer erleben Opfer, dass ihnen nicht geglaubt wird oder dass die Taten bagatellisiert werden. Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, tun sich oft sehr schwer damit, diese auch anzuzeigen, weil sie fürchten, dass ihnen die Verantwortung für diese Tat auch noch zugeschrieben wird. Entsprechend hoch ist die Dunkelziffer in unserem Land. Die Zahlen sind wirklich erschreckend.
Wir haben, das wurde von meinem Kollegen Borgwardt schon gesagt, in Sachsen-Anhalt eine gut ausgebaute Beratungsstellenlandschaft. Wir haben vier Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt, in Dessau, Halle, Magdeburg und Stendal. Wir haben Interventionsstellen und Frauenzentren als feste Bestandteile der Beratungs- und Unterstützungsangebote im Netzwerk für ein Leben ohne Gewalt. Ich glaube, es ist neben der Debatte, die wir führen müssen, auch unsere Aufgabe, dass wir diese in Zukunft weiter finanzieren und auch weiter qualifizieren im Hinblick darauf, dass, wie Ministerin Frau Kolb-Janssen bereits gesagt hat, die geflüchteten und von Gewalt bedrohten Frauen schon jetzt in unseren Frauenhäusern und Frauenzentren Hilfe und psychologische Unterstützung brauchen. Es liegt viel vor uns.
Es ist dringend notwendig - ich sagte es bereits -, die Debatte über die sexuelle Gewalt, über ihre Ursachen und Folgen in unserem Land weiterzuführen.
Jetzt läuft mir ein wenig die Zeit davon. Was ich aber in diesem Zusammenhang unbedingt noch ansprechen muss, ist das Thema Verbesserung der inneren Sicherheit und Verstärkung der Polizei. Wir werden das in dieser Landtagssitzung - ich glaube, morgen - auch noch behandeln.
- Gleich hinterher. Das passt ja gut zusammen. - Es ist natürlich richtig: Wir haben aufgrund dieser Silvesternacht in Köln ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis. Das spiegelt sich doch in allen Gesprächen wieder. Sein wir doch ehrlich, jeder, egal wo, erlebt das. Deshalb sind wir in der Pflicht, freie Stellen bei der Polizei, wenn wir sie haben, wie es ja in erheblicher Größenordnung der Fall ist, auch möglichst zügig zu besetzen und unsere Polizei in der Fläche wieder Präsenz zeigen zu lassen,
(Herr Lange, DIE LINKE: Nein! - Weitere Zu- rufe von der LINKEN: Nein! - Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist ein zu hartes Urteil! - Heiterkeit)
- Auf der Uhr! - Die Diskussion wird folgen. Wir haben viel Arbeit vor uns. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Alternativantrag.
Ich möchte noch einmal zum Ausgangspunkt zurückkommen. Der Ausgangspunkt war die Verurteilung von sexualisierter Gewalt und nicht zuzulassen, dass es in irgendeiner Art und Weise eine religiöse, ethische, kulturelle oder soziale Differenzierung in dieser Frage geben darf.
Wenn Sie jetzt vermisst haben, Kollege Borgwardt, dass ich den Imam von Köln verurteile, dann kann ich das gern nachholen. Der Imam von Köln steht mit einer solchen Position leider nicht allein. Ich zitiere Ihnen einen anderen Kirchenvertreter:
„Frauen können verhindern, dass sie geschlagen werden, indem sie einfach das tun, was die Männer von ihnen verlangen“,
und nicht etwa anfangen, über Scheidung zu diskutieren. Das war kein Imam. Das war ein Erzbischof, und zwar ein katholischer Erzbischof aus Spanien.
- In diesem Monat, vor 14 Tagen etwa. - Das beweist sehr deutlich, dass die Aussage stimmt, dass die kulturellen Differenzen, die religiösen Differenzen mitnichten Ursache dafür sind, sondern ein
(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Das trennt uns doch gar nicht! Das sehen wir auch so! Was soll das mit den Vorwürfen!)
- Die Vorwürfe wegen des Imams von Köln kamen doch von Ihnen. Dazu sage ich noch einmal ausdrücklich: Wenn ich sage, jede dieser Relativierungen, jeder Versuch der Begründung muss verurteilt werden, dann trifft das auf den Imam von Köln genauso wie auf den Erzbischof von Toledo zu. Das trifft auf Kirchenvertreter der christlichen Kirche genauso wie auf Muslime zu. Wir dürfen keine Differenz lassen.
Wie gesagt, Frau Kolb-Janssen, Ihren Vorwurf habe ich verstanden, die Differenz nicht - mit einer Ausnahme. Lassen Sie uns noch einmal über die Realitäten reden. Ist Abschiebung ein probates Mittel, um das Problem zu bewältigen? - Dazu sage ich, schon aus formaljuristischen Gründen - darüber muss ich mich mit der Justizministerin nicht streiten - lehnen wir das nach wie vor ab. Ich bin an dieser Stelle aber Pragmatiker.
Sagen Sie mir doch einmal: Wie soll das passieren? - Wie gesagt, der Großteil der Tätergruppe, die in Köln am Werke war, kommt aus Marokko, Algerien und Tunesien. In Tunesien dürfen sie das Land überhaupt nicht illegal verlassen. Dort werden die Leute eingesperrt, wenn man ihrer habhaft wird - wie zu DDR-Zeiten. Das wird übrigens ganz wesentlich von der Europäischen Union mitfinanziert.
Marokko nimmt die Leute nicht zurück. Algerien nimmt die Leute nicht zurück. In Libyen gibt es überhaupt niemanden, der sie zurücknehmen könnte. In Tunesien haben wir eine ähnliche Situation.
Die werden jetzt straffällig. Nun erzählen wir allen Leuten: Wir lösen das Problem, indem wir sie ausweisen. Wir wissen, dass 95 % dieser Täter überhaupt nicht ausgewiesen werden können. Die einzige Gegend, in die überhaupt noch Ausweisungen funktionieren, ist der Westbalkan.
Was wir nicht wissen, wenn wir wirklich jemanden ausweisen können - ich konzentriere mich auf die letzten 5 % -, ist - und die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering -, dass derjenige dort für seine Straftaten im Bereich sexualisierter Gewalt wirklich in den Knast geht. Davon können wir überhaupt nicht ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ gering. Das bedeutet, nach einer Abschiebung wird ein Sexualstraftäter im Normalfall auf freiem Fuß bleiben, wenn eine Abschiebung überhaupt möglich ist.
Dann haben wir die Situation, dass es faktisch keine Strafverfolgung in diesem Bereich gibt. Die einzige Alternative dazu ist, und zwar egal woher er kommt, radikale Strafverfolgung. Polizei und Justiz müssen dazu in der Lage sein, personell und rechtlich, diese Strafverfolgung zu realisieren. Und dann müssen die Leute in den Knast. Das ist die Alternative dazu.