Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Dann haben wir die Situation, dass es faktisch keine Strafverfolgung in diesem Bereich gibt. Die einzige Alternative dazu ist, und zwar egal woher er kommt, radikale Strafverfolgung. Polizei und Justiz müssen dazu in der Lage sein, personell und rechtlich, diese Strafverfolgung zu realisieren. Und dann müssen die Leute in den Knast. Das ist die Alternative dazu.

(Herr Schröder, CDU: Das schreckt ja richtig ab!)

Das ist auch eine ehrliche Alternative. Die ist vielleicht ein bisschen schwieriger als zu erzählen: Wir schieben alle ab und dann haben wir das Problem nicht mehr. Nein, wir haben das Problem. Gerade Köln zeigt übrigens, wie substanziell das Problem ist. Diejenigen, die dort mit hoher Wahrscheinlichkeit am Werke waren, sind tatsächlich seit mehreren Jahren existierende Jugendgruppen aus dem nordafrikanischen Bereich - so können Sie sich die Sache heute beim Kollegen Lanz angucken; mit einem Experten wird darüber diskutiert, der sich damit beschäftigt -,

(Herr Borgwardt, CDU: Das war noch Wer- bung für heute Abend!)

die natürlich kriminell werden, und zwar deswegen, weil das ihre einzige Alternative ist, hier irgendetwas zu sein, weil sie völlig illegal sind. Wer illegal ist, seinen Lebensunterhalt verdienen will und nicht zurückkehren kann, der wird in irgendeiner Art und Weise kriminell. Das ist das Kölner Problem. Das löst man aber nicht dadurch, dass man den Leuten erzählt, wir könnten sie irgendwohin abschieben und dann sei das Problem weg. Das funktioniert so nicht. Dabei müssen wir ehrlich sein.

Die einzige Alternative, richtig zu handeln, ist eine effektive Strafverfolgung bis hin zur gerichtlichen Verurteilung, bis hin zum Freiheitsentzug. Das ist die einzige Alternative. Deswegen ist diese ganze Abschiebedebatte eine völlige Scheindebatte. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Das ist völlig falsch!)

Damit ist die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich gehe davon aus, dass keine Überweisung beantragt wird.

Wir stimmen zunächst über den Ursprungsantrag in der Drs. 6/4730 ab. Das ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir stimmen nun über den Alternativantrag in der Drs. 6/4760 ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 11.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung

Einstellung von zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4729

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4763

Bevor Frau Tiedge für die Antragstellerin den Antrag einbringt, begrüßen wir Damen und Herren der Firma Salutas Magdeburg/Barleben. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Tiedge, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Problemlagen, bei denen man absolut nicht glücklich ist, wenn man letztlich feststellen muss, dass man mit seiner jahrelang geübten Kritik Recht behält. So ergeht es uns bei der Frage: Wie viele Polizistinnen und Polizisten braucht das Land?

Ich kann es inzwischen nicht mehr nachvollziehen, seit wann und wie oft wir in diesem Hohen Haus darüber diskutiert haben. Es begann bereits mit meinem Vorgänger in der Fraktion Matthias Gärtner. Er hatte schon damals kritisiert, dass die Polizeistärke nur nach der Bevölkerungsdichte berechnet wird, ohne dass auch nur ansatzweise Belastungskriterien in die Berechnung einbezogen wurden. Vehement wurde das damals schon abgelehnt. Zum einen mit Blick auf die Erfahrungen der alten Bundesländer, zum anderen aber auch immer mit der Begründung, wir seien das Land mit den meisten Polizisten pro Einwohner.

Eigenartigerweise hört man dieses Resultat aber auch von den Finanz- und Innenministern der anderen Länder. Dann frage ich mich schon: Wer hat denn nun eigentlich die meisten?

Aber - welch ein Wunder - in einer der letzten Pressemitteilungen der CDU-Fraktion las ich:

„Die Bevölkerungszahl darf künftig nicht allein der Maßstab zur Bestimmung der Sollstärke bleiben.“

Hätte sich diese Erkenntnis doch schon früher in manchen Köpfen durchgesetzt; vielleicht hätten wir die heutigen personellen Probleme nicht in ihrer ganzen Schärfe.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Bereits vor zehn Jahren habe ich in einer Landtagsdebatte die Landesregierung aufgefordert - ich zitiere mich an dieser Stelle einmal selbst -, den geplanten Stellenabbau bei der Polizei zu überdenken. Die angedachte Streichung von Stellen bis zum Jahr 2010 und die damit zu erreichende Polizeidichte von 1 : 365 wird die Flächenpräsenz der Polizei und damit die öffentliche Sicherheit des Landes ernsthaft gefährden. Ein bedarfsgerechtes PEK ist notwendig. Dabei muss der Polizeivollzugsdienst auch künftig von der Verwaltungsarbeit entlastet werden.

Ich wiederhole: Das war vor zehn Jahren. Getan hat sich bis heute nichts. Im Gegenteil: Abbau, Abbau, Abbau - das war die Devise.

Bei fast jeder Haushaltsberatung haben wir auf die personellen Engpässe hingewiesen und Änderungsanträge gestellt, den letzten bei der Beratung zum Nachtragshaushalt 2015/2016. Das Personalentwicklungskonzept wurde wie eine Monstranz vor sich hergeschoben. Darüber durfte nicht diskutiert werden. Personalabbau war oberstes Gebot.

Und nun? Wie ist die jetzige Situation? - Plötzlich werden unsere Argumente übernommen. Plötzlich war seitens der CDU die Rede davon, dass wir 7 000 Polizeivollzugsbeamtinnen in Sachsen-Anhalt benötigen und ein Einstellungsbedarf von 350 Anwärtern besteht. - Welch seltsame Wandlung. Wir fragen uns verwundert: Woher kommt dieser Sinneswandel?

Bis heute kann ich es nicht nachvollziehen, woher die Landesregierung die Gewissheit nahm, dass wir in den nächsten Jahren nicht mehr so viele Polizeibeamtinnen benötigen würden. Fachliche Erwägungen können es nicht gewesen sein. Denn nach wie vor haben wir einen gleichbleibend hohen Stand an Kriminalität, eine Aufklärungsquote, mit der man sich nicht rühmen sollte, eine Arbeitsbelastung für die Polizistinnen und Polizisten, die weit über das normale Maß hinausgeht, sowie einen Krankenstand bei der Polizei, der das Ergebnis all dessen ist.

Meine Damen und Herren! Ein bisschen erinnert mich die Diskussion an meine Studienzeit. Bevor Sie sich gleich zu Beginn aufregen, hören Sie einfach bis zum Ende zu.

Während meines Jurastudiums wurde uns Studenten erklärt, dass es in unserem Land, wenn die sozialistische Menschengemeinschaft erst einmal existiert, auch keine Kriminalität mehr geben wür

de. Wir haben uns daraufhin schon ernsthaft darüber Gedanken gemacht, was wir dann nach dem Studium machen würden, da man ja dann auch keine Staatsanwälte mehr brauchte.

Aber wie wir wissen, wurde es nichts mit der sozialistischen Menschengemeinschaft, mit einer kriminalitätsfreien Gesellschaft schon gleich gar nicht. Ich unterstelle den heute Verantwortlichen auch nicht, dass sie die sozialistische Menschengemeinschaft im Auge hatten, aber sie müssen doch so etwas Ähnliches wie eine kriminalitätsfreie Gesellschaft im Blick gehabt haben bei ihren Überlegungen, dass wir nicht mehr so viel Polizisten brauchen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber ich frage Sie allen Ernstes: Was hat Sie dazu veranlasst, zu glauben bzw. davon auszugehen, wir würden in Sachsen-Anhalt nicht mehr so viele Polizisten benötigen? - Vielleicht bekommen wir heute Abend eine Antwort darauf, die nicht nur fiskalische Gründe beinhaltet.

Kommen Sie bitte nicht mit den Begründungen, die Flüchtlinge und die damit verbundene Asylpolitik oder die Randale bei Fußballspielen oder Demonstrationen seien schuld. Letztere gab es schon immer; es ist also kein neuer Sachverhalt. Dass mehr Flüchtlinge den Weg nach Deutschland suchen würden aufgrund von Krieg, Hunger und Verfolgung, geschah auch nicht über Nacht. Auch darauf hätte man vorbereitet sein können, ja müssen.

Aber an dieser Stelle zeigt sich die Gesamtmisere im öffentlichen Dienst. Häufig werden Polizeivollzugsbeamte zu Aufgaben herangezogen, die eigentlich von Verwaltungsbeamtinnen bzw. Angestellten erledigt werden müssten. Aber auch in diesem Bereich fehlt es an Personal und somit beißt sich die Katze in den Schwanz.

Meine Damen und Herren! Nun kommt der ganze große Wurf. Der Innenminister will Hilfspolizistinnen und -polizisten per Ministerverordnung einstellen. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Der durch den Innenminister vorgeschlagene Weg der Einstellung von bis zu 250 Hilfspolizistinnen und -polizisten im Angestelltenverhältnis befristet für zwei Jahre entbehrt jeglicher gesetzlicher Grundlage.

Nun wird seitens des Innenministeriums der § 83 SOG herangezogen. Darin ist geregelt, dass die zuständige Behörde Personen mit deren Einwilligung zur Unterstützung der Polizei bei Notfällen, die durch Naturereignisse, Seuchen, Brände, Explosionen, Unfälle oder ähnliche Vorkommnisse verursacht sind, zu Hilfspolizeibeamten bestellen kann. - So weit, so gut - besser gesagt: so schlecht.

Um dem Gesetzestext halbwegs gerecht zu werden, benennt der Minister in seiner Verordnung die Hilfspolizisten im Angestelltenverhältnis um in Hilfspolizeibeamte, um dann gleichzeitig in der Begründung zu erklären, dass diese keine Beamten sein müssen.

Wir fragen uns, woher das rechtlich hergeleitet wurde. Beamte im Angestelltenverhältnis gibt es nun einmal nicht; ansonsten hätte man dies im SOG auch so festgeschrieben und die Personen würden Hilfspolizeiangestellte genannt.

Noch absurder wird dann die Begründung. Wir fragen uns, wie man den Notfall mit § 83 Abs. 1 Buchstabe b SOG ernsthaft begründen will. Wie will man ernsthaft begründen, dass der Personalnotstand durch Naturereignisse, Seuchen, Brände oder ähnliche Vorkommnisse eingetreten ist? - Dieser Versuch eines rechtlichen Konstruktes auf der Grundlage des § 83 SOG kann nur scheitern.

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Justizministeriums, der wir uns vorbehaltlos anschließen: Mit dieser Argumentation wird jedoch zumindest mittelbar die gegenwärtige Flüchtlingssituation als Notfall definiert, um eine Bestellung von Hilfspolizeibeamten zur Unterstützung der Polizei zu begründen. Dabei wird jedoch übersehen, dass erstens kriegerische Auseinandersetzungen in Syrien, Irak, Afghanistan oder in Afrika nur schwerlich unter einen Notfall gemäß § 83 Abs. 1 Buchstabe b SOG zu subsumieren sind, der ein plötzlich eintretendes Ereignis ist, welches zu erheblichen Schäden für Personen und/oder Sachen in SachsenAnhalt geführt hat oder unmittelbar und gegenwärtig zu führen droht. Zweitens lösen die Ereignisse in Syrien/Irak, Afghanistan bzw. Afrika nicht ohne Weiteres und unmittelbar einen Personalnotstand der Polizei in Sachsen-Anhalt aus.

Ein Notfall gemäß § 83 SOG, der eine Inanspruchnahme von Hilfspolizeibeamten zur Unterstützung der Polizei rechtfertigt, liegt gar nicht vor.

Meine Damen und Herren! Der einzige Grund für den Personalnotstand bei der Polizei in SachsenAnhalt ist die verfehlte Personalpolitik der Landesregierung, und das seit vielen Jahren.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wenn allerdings abgezielt wird auf die Verantwortung Deutschlands für die kriegerischen Auseinandersetzungen in diesen Ländern, dann müssen wir mit aller Deutlichkeit sagen, dass Deutschland Schuld auf sich geladen hat, und zwar mit Waffenlieferungen und direkten Beteiligungen an diesen Kriegen. Das hat aber nun rein gar nichts mit der Personalsituation bei der Polizei in Sachsen-Anhalt zu tun.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion legt Ihnen mit dem vorliegenden Antrag einen Lösungs