Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

nicht dieses Haus. Und - Herr Minister, das müssen Sie sich jetzt von mir durchaus noch einmal anhören, ich hätte das sonst nicht gesagt -: Obwohl wir zu Beginn der Wahlperiode gemeinsam beschlossen haben, dass wir über 6 000 aktive Polizeivollzugsbeamte haben wollen, haben Sie im Kabinett am 11. September 2011 ein Personalentwicklungskonzept mit einer Zielzahl von 4 929 Polizeivollzugsbeamten im Jahr 2020 beschlossen. Das ist nicht mehr aktuell und von der Wirklichkeit überholt, aber diesen Beschluss haben Sie im Kabinett bis heute nicht aufgehoben. Das gehört zur Realität dazu.

Was die freien Stellen betrifft: Sie haben am 1. Januar 344 freie Stellen im Polizeivollzug gehabt.

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

- Frau Weiß, das müssen Sie sich jetzt auch einmal anhören. Sie haben 344 freie Stellen im Polizeivollzug gehabt, stellen in diesem Jahr allenfalls 250 ein. Es gehen weitere Beamte in Pension. Mir soll einmal jemand erzählen, warum es da keine freien Stellen gibt,

(Zustimmung bei der LINKEN)

zumal sich die Zahl der freien Stellen auch daraus ergibt, wie Sie dem Informationssystem der Landesregierung unschwer entnehmen können, dass Teilzeitstellen zusammengestückelt werden können.

Ich will mit einem letzten Punkt - dabei rede ich nicht über juristische Spitzfindigkeiten der Auslegung von § 83 Abs. 2 und 3 SOG - meine Vorschläge erweitern: Wenn wir schnell zu einer Entlastung der Vollzugspolizei kommen wollen, halte ich es auch für sinnvoll, dass wir über die Beschäftigung von Tarifpersonal in der Polizeiverwaltung nachdenken. Dabei kann man schnell rekrutieren und auf dem freien Markt Arbeitskräfte gewinnen. Das kann dann zur Entlastung des Polizeivollzugs beitragen. Insofern sollten wir auch eine solche Maßnahme für die neue Wahlperiode in Aussicht nehmen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Gallert.

Nur zu.

Bitte sehr.

Kollege Erben, ich habe ein tiefes menschliches Verständnis dafür, dass Sie dem Kollegen Stahlknecht vorwerfen, dass er sich aus der Verantwortung für das Personalentwicklungskonzept stiehlt. Dem hat er zugestimmt.

Ich habe ein noch tieferes menschliches Verständnis dafür, als dass alle CDU-Minister tatsächlich permanent überall erzählen, dass es nur einen Minister gab, der in den letzten fünf Jahren das Gute in diesem Land verhindert hat, dass es Herr Bullerjahn war und sie ihm alle wehrlos ausgeliefert waren.

Ich habe dafür tiefes menschliches Verständnis. Aber, Kollege Erben, jetzt müssen wir der Ehrlichkeit halber einen zweiten Fakt anfügen. In dieser Koalitionsvereinbarung 2011 stand noch etwas anderes, und dies haben Sie, so glaube ich, als Parteitagsdelegierter mit beschlossen, nämlich dass der gesamte Einstellungskorridor für den gesam

ten Landesdienst auf sage und schreibe 400 pro Jahr abgesenkt werden soll.

Auch Ihnen muss dabei klar gewesen sein, dass Sie ein Papier verabschieden, in dem eine Forderung für die Polizei stand, die mit der anderen Forderung in überhaupt keine Übereinstimmung zu bringen war, und deswegen ein Papier beschlossen haben, das zwei völlig unterschiedliche Richtungen vorgegeben hat. Ich sage jetzt einmal, der Vorwurf an den Kollegen Stahlknecht ist völlig richtig, aber ein bisschen mehr Selbstkritik wäre an der Stelle angebracht.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. Ich glaube, es war gar keine Frage. Trotzdem will ich kurz darauf erwidern. Da ich schon so viel Kritik heute einstecken durfte, habe ich mir erlaubt, auch solche zu äußern. - Herzlichen Dank.

Dafür habe ich wiederum auch menschliches Verständnis.

Bei so viel menschlichem Verständnis kann hier nichts mehr schief gehen. - Bevor der nächste Debattenredner spricht, nämlich Herr Striegel für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, können wir Seniorinnen und Senioren der evangelischen-freikirchlichen Gemeinde Magdeburg bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Dann wollen wir mit dem Kritisieren weitermachen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Stahlknecht! Oder ist er jetzt gerade Abgeordneter?

Mit dem heutigen Tag, auch mit diesem Antrag haben Sie dann doch noch einmal den sicherheitspolitischen Offenbarungseid vorgelegt. Das macht Ihr Alternativantrag noch einmal sehr deutlich.

Sachsen-Anhalt hat zu wenig Polizisten. Ich glaube, darüber sind wir uns inzwischen quer durch alle Fraktionen einig. Allein in den letzten fünf Jahren sank die Zahl der Beamten noch einmal um 800, und CDU und SPD haben im Duett - das ist wichtig - zwischen Finanzminister Bullerjahn und Innenminister Stahlknecht das große und immer schräge Lied vom Stellenabbau gesungen. Das

Ergebnis sehen wir heute mit dieser Zahl von deutlich unter 6 000.

Mit Ihrer Personalpolitik haben Sie das Land unsicherer gemacht. Die Aufklärungsquote ist unter dieser Landesregierung gesunken. Die Interventionszeiten sind höher geworden. Statt einer aufgabenbezogenen Personalausstattung gab es eine halbherzige Strukturanpassung.

Herr Minister, Sie haben heute wieder von Strukturreformen geredet. Das hieß zwischendurch in Ihren Pressemitteilungen jedenfalls anders. Denn auf eine Strukturreform konnten sie sich mit dem Koalitionspartner leider nicht einigen.

Es gab Scheindebatten über Reiterstaffeln und zum Schluss der Legislaturperiode die Aufstellung einer Hilfspolizei, die kaum ausgebildet und ohne rechtliche Grundlage operiert.

Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD handeln in Sachsen-Anhalt beim Thema Polizei nach dem Motto: Haltet den Dieb! Die Entwicklung war lange absehbar.

Als GRÜNE kritisieren wir seit Beginn der Legislaturperiode das Personalentwicklungskonzept. Der Kollege Erben und die Kollegin Tiedge haben dazu die notwendigen Dinge gesagt. Diese Altersabgänge bei der Polizei kamen nicht überraschend. Die Landesregierung hätte bereits seit mehreren Jahren nachsteuern und die Zahl der Neueinstellungen anpassen können, um die massive Personalreduktion zu dämpfen.

Als GRÜNE haben wir immer wieder einen Dreischritt für eine gute Polizeiversorgung in SachsenAnhalt vorgeschlagen:

Erstens Definition der zu erledigenden Aufgaben und der Qualität, die wir von der Polizei erwarten.

Zweitens Festlegung zukunftsfähiger Strukturen der Landespolizei.

Drittens eine sich aus den Punkten eins und zwei ableitende notwendige Zahl an Beamtinnen und Beamten im Vollzug und in der Polizeiverwaltung. Ich bin gespannt, was wir dazu in dem Papier, das wir dann hoffentlich als Parlament von der Regierung übersandt bekommen, nachlesen können.

Sie, meine Damen und Herren, haben sich dagegen entschieden. Ihnen, meine Damen und Herren, war die schwarze Null wichtiger als die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Land durch eine funktionierende und mit ausreichenden Ressourcen ausgestattete Polizei.

Die Sicherheitslage in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland macht Ihr Scheitern nun offenbar. Sachsen-Anhalts Polizei ist nicht mehr krisenfest. Unter den Bedingungen der Flüchtlingssituation und der aktuellen Terrorgefahren ist diese Polizei am Limit, die Bereitschaftspolizei kommt

nicht mehr aus den Stiefeln, es gibt zu wenig Verkehrsüberwachung. Das ist hier alles länglich und auch in der Presse, deutlich beschrieben worden.

Darunter leidet besonders auch die Bekämpfung der Alltagskriminalität. Das - das wissen wir, meine Damen und Herren - beeinträchtigt das Sicherheitsempfinden unserer Bürgerinnen und Bürger empfindlich. Da helfen jetzt auch keine symbolischen Aktionen wie heute für Magdeburg bekannt gegeben. Es funktioniert nicht, nur zu sagen, wir sind jetzt mehr auf Streife. Ich brauche auch das notwendige Personal dafür. Ansonsten ist das eine völlig sinnfreie Aktion.

Herr Stahlknecht, wer soll Ihnen denn Ihr heutiges Versprechen glauben, tatsächlich mehr Polizistinnen und Polizisten einstellen zu wollen? - Sie haben von dieser Möglichkeit in dieser Legislaturperiode nur in einem sehr begrenzten Umfang Gebrauch gemacht. Auf was sollen die Bürgerinnen und Bürger denn ihre Zuversicht gründen? - Warme Worte helfen keinem Einbruchsopfer. Ihre vagen Versprechungen machen unser Land nicht sicher.

Ihre Notlösungen werden scheitern, weil Sie Ihre Hilfspolizei juristisch auf Sand gebaut haben. Ihre Versprechungen verhallen, weil die Bürgerinnen und Bürger an dieser Stelle kein Vertrauen mehr in Sie haben.

Sachsen-Anhalt braucht mehr und vor allem eine gut ausgebildete und vernünftig ausgestattete Polizei. Dafür setzen wir GRÜNE uns ein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir werden deshalb nach der Landtagswahl den Einstellungskorridor aufgabenbezogen erhöhen. Wir werden dem Antrag der LINKEN heute zustimmen, weil er zumindest die richtigen Forderungen an die Landesregierung stellt. Hoffnung, dass diese Landesregierung echte Schritte für mehr Sicherheit in Sachsen-Anhalt geht, haben wir - das liegt auch an der Kürze der Legislaturperiode, die wir noch vor uns haben - nicht mehr.

Wir werden das hoffentlich auch gemeinsam anders machen. Wir werden Sachsen-Anhalts Polizei so aufstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder sicher leben können. Sicherheit, auch in kurzfristigen Krisensituationen, darf nicht von der Haushaltslage abhängen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollege Striegel. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kolze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Striegel, Ihre Worte ver

nehme ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Auf der einen Seite erzählen Sie uns hier, dass Sie der Polizei mit weiterem Personal helfen wollen, auf der anderen Seite wollen Sie lieber heute als morgen den Verfassungsschutz dieses Landes abschaffen. Das passt doch überhaupt nicht zueinander, lieber Kollege.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Der Aufgabenumfang unserer Landespolizei wird durch die Pflicht zur Gewährleistung der inneren Sicherheit definiert. Keine Frage, die Landespolizei sieht sich in Sachsen-Anhalt aktuell mit verschiedenen sicherheitsrelevanten Großeinsatzlagen konfrontiert. So müssen Risikospiele für die dritte Liga, ständig Großdemonstrationen und zunehmend auch andere Großeinsätze abgesichert werden. Nicht zuletzt gehen die aktuellen Herausforderungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik mit einer steigenden Belastung unserer Polizei einher.