Protokoll der Sitzung vom 29.01.2016

Schauen wir uns einmal den Klimaschutz an. Sie erklären, dass Sie in Sachen Klimaschutz viel erreicht haben. Dabei verschweigen Sie aber drei Dinge. Erstens. Der hauptsächliche Rückgang der Treibhausgasemissionen - nämlich um 60 % - ist auf das Zusammenbrechen der Industrie nach 1990 zurückzuführen und nicht auf Aktivitäten Ihrer Landesregierung.

Zweitens. Die Treibhausgasemissionen liegen mit 11,5 t pro Einwohner und Jahr im bundesdeutschen Durchschnitt immer noch in der Schlussgruppe, nämlich an der viertletzten Stelle.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Drittens. In acht Jahren zwischen 2005 und 2012 wurden die Emissionen pro Jahr um 0,3 Millionen t CO2 reduziert.

(Zurufe von der CDU: Die sind auch nicht weiter gestiegen! - Das ist positiv!)

In den nächsten acht Jahren von 2012 bis 2020 wollen Sie die Emissionen um 0,8 Millionen t pro Jahr senken. Herr Dr. Aeikens, mir fehlt komplett die Phantasie, wie Sie die Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 160 % pro Jahr steigern wollen, und das sogar ohne Kohleausstieg. Mit Ihrem Klimaschutzprogramm 2020 wird das jedenfalls nicht gelingen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen zunächst eine Landesregierung, die die Dinge beim Namen nennt, und das tut diese Landesregierung offensichtlich nicht. Dann brauchen wir ein Klimaschutzgesetz und ein Klimaschutzprogramm mit verbindlichen Zielen, verbindlichen Maßnahmen und klaren Verantwortlichkeiten. Da sage ich Ihnen ganz klar: Echten Klimaschutz, den gibt es nur mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

(Beifall bei den GRÜNEN)

Echter Klimaschutz ist dringend nötig. Die Klimakatastrophe findet doch schon statt, hier und jetzt bei uns in Sachsen-Anhalt. Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten Jahren um bis zu 1,5°C gestiegen. Ein Indikator für die stattfindende Klimakatastrophe sind doch die Jahrhunderthochwasser an Elbe und Saale. Die Jahrhunderte werden in Sachsen-Anhalt immer kürzer. An der Saale dauerte das Jahrhundert zuletzt zwei Jahre. Warum? - Den Flüssen fehlt auch Raum. Die Umsetzung der Deichrückverlegungen ist bei Ihrer Landesregierung Fehlanzeige, stattdessen bauen Sie nur Deiche und favorisieren Polder.

(Zuruf von der CDU)

Von Ihnen werden Polder sogar als effizienter angesehen als Deichrückverlegungen. Da nenne ich Ihnen nur einmal ein Gegenbeispiel: Die 400 ha in Lenzen in Brandenburg haben zu einer Scheitelabsenkung von bis zu 45 cm beim Juni-Hochwasser 2013 geführt. Gleichzeitig können Sie mit Deichrückverlegungen die Ziele des Naturschutzes erreichen, weil die Auen dann wieder zu wertvollen Lebensräumen für bedrohte Arten werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deswegen sage ich Ihnen ganz klar, Herr Dr. Aeikens, wir wollen Sachsen-Anhalt nicht alle zwei Jahre wiederaufbauen. Naturnahen Hochwasserschutz, der den Flüssen tatsächlich mehr Raum gibt, den gibt es nur mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Dann kommen wir zum Artenschutz. Der Artenschutzreport des Bundesamtes für Naturschutz besagt klar: Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend. Und mehr noch, es wird ein klarer Zusammenhang zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung in Sachsen-Anhalt und dem Zustand der Artenvielfalt gezogen. Die Anzahl der Vögel ist in der Agrarlandschaft in 30 Jahren um 50 % zurückgegangen. Auch hierbei sind die Aktivitäten der Landesregierung unzureichend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Aktionsplan zum Erhalt der biologischen Vielfalt wird nicht umgesetzt, was mich nicht wundert, weil er kein echter Aktionsplan ist und man ihn somit auch nicht umsetzen kann. Deswegen muss er überarbeitet werden. Das ist dringend nötig, und zwar jetzt.

Bezeichnend für Ihre Politik und für das klägliche Versagen bei den Anforderungen des Naturschutzes ist, wie Sie mit den Anforderungen des europäischen Naturschutzes umgehen. Sachsen-Anhalt hat diese Anforderung für 86 % der FaunaFlora-Habitat-Gebiete nicht erfüllt.

Dass es auch anders geht, zeigen uns die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und

Schleswig-Holstein. Da sage ich Ihnen ganz klar, Herr Dr. Aeikens, man muss sich nicht immer mit den Schlechtesten messen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Die landwirtschaftliche Nutzung ist ein Schlüssel zum Erfolg beim Artenschutz. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die einen Beitrag zum Erhalt der Arten leistet. Gewässerrandstreifen und Feldraine sind aus dem Landschaftsbild verschwunden, dabei sind das wichtige Lebensräume für alle Arten, ob es Amphibien oder Bienen sind.

Deswegen brauchen wir eine ökologische Landwirtschaft und einen echten Artenschutz. Dazu gehört selbstverständlich auch eine andere Tierhaltung. Wir brauchen eine Tierhaltung, mit der es Mensch, Tier und Umwelt gut geht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Da sage ich Ihnen auch: Echten Tierschutz, den gibt es nur mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Denn wir wollen,

(Zuruf von Herrn Rosmeisl, CDU)

dass Sachsen-Anhalt auch in 20 Jahren noch ein lebens- und liebenswertes Land ist. Deswegen brauchen wir eine nachhaltige Politik, die an das Morgen denkt. Das ist der Schwerpunkt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Professor, für Ihren Debattenbeitrag. - Wir kommen dann zum Debattenbeitrag der SPD. Die Abgeordnete Frau Budde hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank. - Ich gebe zu, Herr Minister, Sie haben mich nachhaltig verwirrt.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Unter dieser Überschrift der Regierungserklärung habe ich mir etwas völlig anderes vorgestellt, und habe mir gedacht: Och, machen wir in der letzten Landtagssitzung noch einmal für 90 % des Landes, für die ländlichen Regionen, für das platte Land, was Sachsen-Anhalt ausmacht, eine schöne Debatte darüber, wie wir das entwickeln können. Dann habe ich Ihre Regierungserklärung gelesen und habe für mich beschlossen, ich bleibe dabei, dass das für mich mehr ist als das, was Sie aufgezählt haben; aber natürlich gehört das zu einer lebens- und liebenswerten Heimat dazu.

Dann haben Sie mich ein zweites Mal verwirrt mit Ihrem ersten Zitat:

„Der Mensch ist nicht das Produkt seiner Umwelt, sondern die Umwelt ist das Produkt des Menschen.“

Mit Respekt auch gegenüber verblichenen britischen Konservativen, ich glaube, das war schon im viktorianischen Zeitalter falsch.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE, und von Frau Dr. Paschke, DIE LINKE)

Ich glaube schon, und bin sehr davon überzeugt, dass der Mensch das Produkt seiner Umwelt ist. Unser Denken, unsere Wertvorstellungen, unsere Gesundheit, unsere Lebenserwartung, alles das und noch ganz viel mehr ist geprägt von Umwelt im umfassenden Sinne.

Natürlich sind wir geprägt von unserer Umwelt, von den familiären, von den sozialen, von den natürlichen, von den ökonomischen und politischen Faktoren der Umwelt. Ich weiß zwar, wie Sie es gemeint haben, aber trotzdem finde ich das Zitat falsch. Der Mensch ist wirklich ein Produkt seiner Umwelt, zugleich gestaltet er sie aber natürlich auch. Das war das, was Sie betonen wollten.

Ich glaube aber, dass gleiche Chancen deshalb unheimlich wichtig sind, weil der Mensch ein Produkt seiner Umwelt ist und weil er sie auch gestaltet. Gleiche Chancen, ohne die es kein liebens- und auch kein lebenswertes Sachsen-Anhalt gibt und auch keine Heimat. Gleiche Chancen für Männer und Frauen. Gleiche Chancen für Kinder, egal wo sie herkommen, unabhängig vom Elternhaus. Gleichwertige Lebensverhältnisse, aber eben in allen Regionen unseres Landes. Dazu sind wir verpflichtet nach Artikel 72 des Grundgesetzes; das ist gut.

Gleiche Chancen für die Balance von ökonomischen Interessen und Notwendigkeiten, aber auch ökologischen Zielen und der Bewahrung der Natur und der Lebensgrundlagen. Das sage ich ganz bewusst als Städterin hier: Gerade auch Chancengerechtigkeit zwischen den Zentren des Landes und dem platten Land, nämlich den ländlichen Regionen, die unser Land prägen.

(Zustimmung von Frau Schindler, SPD, und bei der LINKEN)

Ich glaube sogar felsenfest, ob Sachsen-Anhalt ein liebens- und lebenswertes Land, eine Heimat ist und ob diese Botschaft über das Land hinaus getragen werden kann, das entscheidet sich in den ländlichen Räumen ganz elementar mit. Es entscheidet sich bei Weitem nicht nur in der Umweltpolitik, sondern auf ganz vielen Politikfeldern, zum Beispiel in der Wirtschaftspolitik.

Wenn wir uns die ländlichen Räume angucken, dann ist das Rückgrat des ländlichen Raumes eine mittelständische Wirtschaft, eine kleinteilige Wirt

schaft. Neben der Land- und Forstwirtschaft sind es diese mittelständischen Unternehmen, die die ländlichen Räume prägen.

Leben und gut leben können in einer gesunden Natur, das setzt auch voraus, dass man Arbeit hat. Deshalb gehört es für mich als elementarer Bestandteil dazu, wenn man über eine lebens- und liebenswerte Heimat redet, dass es um die wirtschaftliche Entwicklung geht.

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns in der nächsten Legislaturperiode damit beschäftigen, dass es eine neugestaltete Gemeinschaftsaufgabe „ländliche Entwicklung“ gibt und nicht bloß die Verbesserung regionaler Wirtschaftsstruktur, sondern auf diese ländlichen Räume hin angepasst.

(Zustimmung von Frau Schindler, SPD)

Deshalb steht auf dem Auftragszettel für uns in der Politik ganz weit oben die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, und das heißt in erster Linie eine flächendeckende Breitbandversorgung. Das ist eine Mammutaufgabe; wir wissen das. Aber ohne sie wird es nicht gehen.

Wenn jemand mit seiner Geschäftsidee online gehen will, dann kommt für ihn erst einmal jeder Standort in Betracht, Sülzetal, Halle-Neustadt oder Zabakuck, das tatsächlich in Sachsen-Anhalt liegt, bei Genthin, so habe ich mir sagen lassen. Der Name hört sich so fremdländisch an. Der schnelle Internetzugang muss vorhanden sein,

(Zustimmung bei der SPD)

sonst kommt die Dienstleistung überhaupt nicht an und das Produkt nicht zum Kunden. Deshalb sagen wir, wenn wir über eine lebens- und liebenswerte Heimat reden, dann müssen wir das akzeptieren als Daseinsvorsorge und müssen das anerkennen.