Protokoll der Sitzung vom 07.10.2011

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Daldrup, Sie erwähnten den bürokratischen Aufwand. Die Direktzahlungen sind zurzeit allein an die Größe der Fläche gebunden, die sich einfach ermitteln lässt. Es kann gut sein, dass sich der bürokratische Aufwand durch die Einbeziehung weiterer Kriterien erhöht. Aber diese Befürchtung, sei sie auch durchaus berechtigt, darf doch nicht dazu führen, dass wir die Chance verpassen, systematisch - darum geht es - mehr gegen die Bodenerosion zu tun, mehr für eine gute Gewässerqualität, mehr für den Klimaschutz und mehr für den Erhalt der Artenvielfalt zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Daldrup, CDU: Das können wir auch ohne Bürokratie! Die brauchen wir nicht!)

Es muss doch ganz anders gewichtet werden. Das Ziel Bürokratieabbau darf doch nicht über die Auf

gabe gestellt werden, Probleme, die unsere Existenz betreffen, zu bewältigen.

(Herr Daldrup, CDU: Aber es geht auch oh- ne!)

Die Direktzahlungen sind zurzeit ausschließlich an die Flächengröße gebunden. Zurzeit gibt es keine Kappungsgrenze. 0,5 % der Betriebe bekommen Direktzahlungen in Höhe von jeweils mehr als 300 000 €. 51 % der Betriebe bekommen Direktzahlungen in Höhe von bis zu 5 000 €.

Nun kann man sagen: Je größer die Fläche, desto höher der Arbeitsaufwand. - Ja, das ist richtig, aber das ist doch kein linearer Effekt. Das wird deutlich, wenn man sich einmal die Höhe der Förderung pro Arbeitskraft ansieht, wenn man das zueinander in Bezug setzt.

In Sachsen-Anhalt gibt es Betriebe mit großen Flächen. Diese Betriebe haben im Jahr 2008 Direktzahlungen in Höhe von mehr als 25 000 € pro Arbeitskraft bekommen. In Ländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen mit einer kleinteiligeren Landwirtschaft waren es 10 000 € pro Arbeitskraft.

Die Landwirtschaft sorgt für Arbeitskräfte im ländlichen Raum und somit natürlich auch für die Attraktivität des ländlichen Raums. Das ist doch genau das, was wir wollen und wofür wir uns einsetzen müssen.

(Zustimmung von Herrn Erdmenger, GRÜ- NE)

In dem Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD wird eine Reduzierung der betriebsgrößenabhängigen Direktzahlungen kategorisch abgelehnt. Das können wir nicht verstehen. Wir sträuben uns nicht gegen die Überlegungen der EU und des EU-Parlaments, Herr Czeke, der Höhe der Direktzahlungen soziale Kriterien wie die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zugrunde zu legen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden darüber noch intensiv diskutieren. Wir wollten Sie heute mit den ersten Vorschlägen überraschen,

(Herr Czeke, DIE LINKE: Das ist Ihnen ge- lungen!)

wir wollten Sie jedoch nicht überfordern, indem wir jetzt auch noch über die Kappung reden.

Lassen Sie uns hinsichtlich der EU-Agrarreform Schritte in Richtung auf eine nachhaltige Landwirtschaft gehen, die im Einklang mit Mensch und Natur wirklich zur Lösung der Probleme unserer Zeit beiträgt. Stimmen Sie deshalb unseren Vorschlägen zum Greening der ersten Säule zu, die vorsehen, dass die EU-Agrarsubventionen abgeschafft werden und Maßnahmen, die zu den neuen Herausforderungen zählen, weiterhin ausreichend

über die zweite Säule finanziert werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Frau Frederking, würden Sie eine Frage der Kollegin Schindler beantworten?

Ja.

Es ist keine Frage, sondern eine Klarstellung zu dem Begriff der Gentechnik. Ich hatte das auch dargestellt: Es geht nicht um gentechnische Maßnahmen unter Einbeziehung verschiedener Arten, sondern lediglich um gentechnische Veränderungen innerhalb einer Art. Diese Gentechnik ist gesondert zu betrachten.

(Herr Lange, DIE LINKE: Nein, ist sie nicht! Das stimmt nicht!)

Ich möchte jetzt nicht Ihre oder eine andere Definition heranziehen. Ich habe deutlich gemacht, was wir darunter verstehen wollen: Wenn wir von genetischen Veränderungen innerhalb einer Art sprechen, dann reden wir von Züchtung und von genetischen Veränderungen durch Züchtung. Das ist die Abgrenzung, die wir vornehmen wollen. Wir wollen nicht pauschal jede Art der Agrogentechnik ausschließen, sondern differenzieren dabei.

(Herr Borgwardt, CDU: Wir wollen keine Möhren mit Ohren! - Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Möchten Sie antworten? - Es wird hochwissenschaftlich.

Es wird hochwissenschaftlich, ja. - Bei der Gentechnik geht es immer darum, dass man Sequenzen verändert, dass man das Genmaterial einer Pflanze verändert und es dann in die Natur ausbringt. Diese Dinge geschehen zunächst im Labor, aber dann wird die genetisch veränderte Pflanze in die Natur ausgebracht. Das löst Vorgänge aus, die wir nicht im Griff haben. Mir sind aus der Anwendungsgentechnik nur Maßnahmen bekannt, bei denen es um unterschiedliche Arten geht.

Vielen Dank. - Ich sehe keine weitere Wortmeldung. Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein. Ich habe keinen Antrag auf Überweisung vernommen.

(Herr Czeke, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)

- Herr Czeke, habe ich bei Ihnen etwas überhört? Dann sagen Sie es jetzt bitte noch einmal.

Herr Präsident, ich hatte beantragt, dass der Antrag der Fraktion GRÜNE an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, an den Ausschuss für Umwelt, an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien und an den Zeitweiligen Ausschuss „Grundwasserprobleme, Vernässungen und das dazugehörige Wassermanagement“ überwiesen wird.

(Herr Borgwardt, CDU: Ja, ist klar!)

Okay, dann haben wir das jetzt alle noch einmal gehört.

(Unruhe)

Gibt es noch Unklarheiten, was den Antrag angeht? - Nein. Dann lasse ich zuerst darüber abstimmen, ob der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN an die genannten Ausschüsse überwiesen werden soll. Wer dafür ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit hat der Antrag auf Überweisung keine Mehrheit gefunden.

Ich lasse deshalb über die Anträge selbst abstimmen. Zuerst stimmen wir über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/446 ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich lasse deshalb über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 6/461 abstimmen. Wer stimmt dem Alternativantrag zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 16 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung

Den demografischen Wandel gestalten

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/443

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/470

Den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD bringt Herr Scheurell ein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nahezu alle politischen Entscheidungsprozesse, mit denen sich der Landtag von Sachsen-Anhalt befasst, sind von einer gesellschaftlichen Entwicklung überlagert. Diese Entwicklung entzieht sich nahezu vollständig einer politischen Regelung. Wir haben das gestern in einer politischen Debatte auch wieder feststellen müssen.

Seit Jahrzehnten beobachten wir in Deutschland eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung. Diese ist nicht in jedem Fall problematisch. Wenn aber ein komplettes Sozialsystem auf der Annahme einer konstanten oder sogar kontinuierlich wachsenden Bevölkerungszahl aufbaut, die Bevölkerungsentwicklung aber rückläufig und durch einen zunehmenden Alterungsprozess der Gesellschaft gekennzeichnet ist, dann ist der demografische Wandel tatsächlich eine Herausforderung, die wir gestalten müssen. Der vorliegende Antrag macht deutlich, dass sich die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen dieser Herausforderung stellen.

In Mitteldeutschland haben wir nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zuerst eine große Zunahme der Bevölkerung erlebt, weil die Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten bei uns eine neue Heimat finden mussten. Unmittelbar danach haben wir aber erlebt, wie ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang einsetzte. Dieser setzte mit der Errichtung der sowjetischen Besatzungszone ein. Millionen DDR-Bürger trauten weder den Verheißungen des real existierenden Sozialismus, noch konnten sie die Diktatur des Proletariats länger ertragen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die demografische Entwicklung in Sachsen-Anhalt auch nach der Herbstrevolution im Jahr 1989 rückläufig war und ist. Lebten im Jahr 2007 noch rund 2,4 Millionen Einwohner in Sachsen-Anhalt, so werden es im Jahr 2020 nach den Berechnungen des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr nur noch rund 2,1 Millionen Mitbürger sein.

Für die politische Bewertung noch wesentlicher ist die Betrachtung der Bevölkerungskohorten. Im Jahr 2007 betrug der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in Sachsen-Anhalt 15,4 %, der Anteil der über 65-Jährigen rund 23 %. Während der Anteil der unter 20-Jährigen bis zum Jahr 2020 weiter auf 14,2 % sinken wird, wird der Anteil der über 65-Jährigen auf 28,8 % steigen. Einem jeden aus dieser Gruppe sei es gegönnt, im Alter die Früchte seines Arbeitslebens zu genießen. Dieser Prozess verläuft in seinen statistischen Eckwerten auch in den anderen mitteldeutschen Ländern sehr ähnlich.

Zwei weitere Bemerkungen zur Verdeutlichung der demografischen Entwicklung in Sachsen-Anhalt.

Die 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose geht von 1,94 Millionen und die Europop-Studie 2008 geht von weniger als zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2025 aus. Hinzu kommt, dass aufgrund der überdurchschnittlich häufigen Abwanderung von Frauen auch 40 % der potenziellen jungen Mütter fehlen werden.

Des Weiteren wird sich aufgrund der Zusammensetzung der Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren die Alterung der Gesellschaft in Mitteldeutschland mit allen damit verbundenen Herausforderungen für die Stadt- und Wohnumfeldgestaltung dramatisch bemerkbar machen. Die weit überwiegende Mehrheit der über 65-Jährigen lebt heute noch in ganz normalen Wohnungen, also in solchen, die nicht an die Bedürfnisse älterer und hochbetagter Menschen angepasst sind.

Im Zusammenhang mit der Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum werden noch ganz andere Probleme auf uns zukommen. Wir haben uns demnächst im Landtag mit den Regionalisierungs- und Entflechtungsmitteln zu beschäftigen.