Ich glaube, dass dafür eine frühzeitige Abstimmung über neue Kofinanzierungsmodelle sowohl im Land als auch vielleicht mit der Bundesregierung notwendig ist und dass uns gar nichts anders übrig bleiben wird, als neue Lösungswege zu finden.
Die Regierungserklärung ist ein wichtiges Signal gewesen, weil sie den Akteuren und Verbänden im Land das Angebot unterbreitet, sich aktiv an der Programmierung der Strukturfonds zu beteiligen. Das gilt sowohl für den parlamentarischen Raum als auch für die Zivilgesellschaft. Das Prinzip der Partnerschaft ist ein wichtiger Garant für zielgenaue und effiziente Programme, und es ist übrigens eine Bedingung der Europäischen Union, dass dieses Prinzip auch angewendet wird.
Verehrter Herr Ministerpräsident, ich würde das Informieren und Einbeziehen noch ergänzen wollen um den Aspekt, gemeinsam über die Strategie zu diskutieren, vielleicht auch zu streiten, aber dann auch gemeinsam zu entscheiden;
denn am Ende muss der Haushaltsgesetzgeber einen Haushaltsplan verabschieden, in dem die Strategie steht.
Ich möchte es aber auch nicht kleinreden. Das war mir bei Ihnen, Herr Gallert, eindeutig ein Schuss zu viel.
- Nein, das meine ich auch so. Ich muss hier gar nichts sagen. Ich sage hier prinzipiell nur das, was ich richtig finde und will. Und dies will ich sagen.
(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Schröder, CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Das hätte ich von mir nie behauptet!)
Ich denke, man sollte es nicht kleinreden. Hätte die Landesregierung sich in dieser Phase noch nicht eingebracht, dann hätte ich das persönlich für ein großes Versäumnis gehalten; denn wir alle, auch Sie wissen, wie wichtig es ist, sich auch in diese
Vorphasen intensiv einzubringen, die Diskussion zu führen und darauf hinzuweisen, was wir für unser Land als die richtige Strategie ansehen.
Wenn die Diskussion erst so weit gediehen ist, dass man nichts mehr korrigieren kann - denn diese Abstimmung ist schlimmer als bei Staatsverträgen, mit sehr vielen Partnern -, dann wird wieder gesagt: Das war zu spät.
Deshalb finde ich es richtig und gut, das heute auf die Tagesordnung zu bringen. Und es ist auch gut, dass danach der Antrag kommt, der sich damit beschäftigt, wie wir zukünftig das Parlament und die Zivilgesellschaft einbeziehen können.
(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das hätten Sie sich sparen können! - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)
Im Übrigen ist es auch nicht in allen Bereichen so, dass die Europäische Union uns bei der Wirtschaftsförderung immer einen weiteren Spielraum gegeben hat als zum Beispiel die Vorschriften der GRW. Wir kämpfen seit 20 Jahren gemeinsam dafür, dass es möglich wird, dass das Land die Forschungspolitik und die danach folgende Markteinführung der entwickelten Produkte mit europäischen Mitteln oder überhaupt finanziert.
Seit 20 Jahren können wir bei der EU nicht das durchsetzen, was den GA-Richtlinien nach möglich wäre, nämlich dass wir den Schritt der Markteinführung finanzieren. Dies ist ein entscheidender Aspekt, wenn es um die Produktentwicklung und die Ansiedlung von Unternehmen hier im Land geht.
Das ist nur ein kleiner Punkt, an dem aber sehr deutlich wird, dass es nicht immer nur die Bundesregelungen sind, sondern dass auch die vorgegebenen europäischen Regelungen in vielen Bereichen sehr stark einschränken, und zwar auch in Punkten, die ich nicht richtig finde.
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Ja, ich glaube, dass es zur Erreichung des Ziels der Sicherung von Wohlstand und Beschäftigung notwendig sein wird, dass wir eine gesunde und dynamische Wirtschaft haben, die es weiterzuentwickeln gilt, und eine funktionierende Sozialpartnerschaft. Dazu gehört nicht zuletzt auch eine wettbewerbsfähige industrielle Basis.
Ich bin auch weiterhin der Überzeugung, dass das verarbeitende Gewerbe in Zukunft eine zentrale Bedeutung für eine positive gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung einnehmen wird, dass wir gute Standortbedingungen schaffen müssen und dass wir in den verschiedenen Politikbereichen die Wirtschafts- und Industriepolitik als Querschnittsaufgabe begreifen müssen.
Aber Strukturfonds sind, wenn sie, wie vorgesehen, fondsübergreifend eingesetzt werden, per se für die Bewältigung solcher Querschnittsaufgaben
geeignet. Es wäre nicht gut, wenn am Ende weiterhin stehen würde, dass wir Großunternehmen nicht fördern können.
Wir müssen aber auch berücksichtigen, dass wir in Sachsen-Anhalt in erster Linie durch den Mittelstand geprägt sind und dass wir auch einen industriellen Mittelstand haben. Wenn es denn am Ende so bleiben würde, was ich jetzt noch nicht weiß, dann muss man eben dafür sorgen, dass man die Mittel aus den Strukturfonds intelligent dafür einsetzt, den Mittelstand und den industriellen Mittelstand zu fördern. In diesem Bereich haben wir ganz viele Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Deshalb muss man damit umgehen und geeignete Instrumente finden, die genau an dieser Stelle eingesetzt werden können.
Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir die europäischen Mittel am besten für die Entwicklung des Landes einsetzen können und wie wir mit den insgesamt zurückgehenden Mitteln umgehen. Bis 2020 sind es noch sehr viele Jahre, in denen wir trefflich darüber streiten können, wie wir die Mittel einsetzen. Das werden wir sicherlich auch tun. - Vielen Dank.
Danke schön, Frau Kollegin Budde. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Fraktionsvorsitzende Frau Professor Dr. Dalbert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, zu Beginn einen Ausblick in die Zukunft zu wagen, in eine mögliche Zukunft Europas, wie es sie in zehn oder 15 Jahren geben könnte. Europa als starke politische Gemeinschaft mit zentraler Gestaltungskraft nach innen und nach außen, Europa als Heimat aller Europäerinnen und Europäer und als Anziehungspunkt für viele Menschen in der Welt.
Eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik hat zu einer vernünftigen Regulierung der Finanzmärkte und zu verbindlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder geführt und die Chance für ein nachhaltiges Wachstum in allen Ländern eröffnet. Eine konsequent an den Grundsätzen von Solidarität, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtete Kohäsionspolitik hat in ganz Europa für vergleichbare Lebensverhältnisse gesorgt.
Möglich geworden ist diese anziehende Entwicklung Europas eben gerade durch die Finanzkrise. Diese Krise hatte den Menschen damals im Jahr 2011 Angst gemacht. Gerade bei uns hatten viele Menschen den Eindruck, dass wir für die anderen, die Leichtfertigen, die Sorglosen, die Gierigen die
Zeche zahlen müssen. Es geisterten Szenarien durch die Debatte, die unterschiedlicher nicht sein konnten: Griechenland und Portugal und Italien und, und, und - am besten raus aus der europäischen Gemeinschaft. Oder - noch besser -: Deutschland zurück zur starken D-Mark. Aber am Ende haben sich die Menschen für Europa entschieden.
Deutlich ist eines: Ein Scheitern des Projektes Europa würde fatale Folgen für Deutschland haben. Es würde zur Verteuerung unserer Produkte und damit zur Gefährdung unserer Wirtschaft, unserer Arbeitsplätze und unseres Wohlstandes führen. Ein Auseinanderfallen Europas wäre mit einem Anstieg regionaler, nur schwer kontrollierbarer Konflikte und mit einer Zunahme der Kriegsgefahr in der Welt verbunden.
Die Zukunft ist Europa. Aber um Angst und Verunsicherung der Menschen zu überwinden, muss Europa besser werden. Hierzu sind aus der Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN drei Schritte notwendig.
Zu allererst braucht Europa Demokratie. Europa muss raus aus den Hinterzimmern der Politik. Bis heute werden in Nacht-und-Nebel-Aktionen und allzu häufig vorbei an legitimierten Parlamenten und Institutionen politische Entscheidungen getroffen,
Entscheidungen, die intransparent sind, die die Bürger und Bürgerinnen nicht verstehen und die ihrer Kontrolle entzogen sind.
Wir GRÜNEN wollen eine lebendige Demokratie in Europa. Das heißt aus unserer Sicht: Stärkung der Mitbestimmungs- und Kontrollrechte aller demokratischen Institutionen und Öffnung für mehr Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger und Bürgerinnen auf allen Ebenen.
Lassen Sie uns konstruktiv darüber streiten, wie wir zu einer gemeinsamen und gerechten Finanz- und Wirtschaftspolitik, zu einer europäischen Wirtschaftsregierung kommen. Welche Kompetenzen sind wir denn bereit auf die europäische Ebene abzugeben, weil wir denken, dass dies zum gemeinsamen Nutzen ist? In einem Europa der lebendigen Demokratie wird das Subsidiaritätsprinzip ernst genommen. Politik findet immer auf den jeweils angemessenen Ebenen statt, lokal, national oder eben europäisch.
Dann braucht Europa zentrale Projekte, welche die europäische Gemeinschaft für die Menschen in Europa greifbar und erlebbar machen; denn die friedenssichernde Mission Europas ist doch immer mehr in den Hintergrund getreten. Nur wenn wir die Menschen für Europa begeistern können, hat Europa eine Zukunft.
Für uns GRÜNE ist ganz klar und unabdingbar die Frage des sozialen Fortschritts eines der zentralen Projekte. Einen europäischen Integrationsprozess ohne sozialen Fortschritt wird es nicht geben. Wenn die Menschen Angst haben, dass ihre sozialen Errungenschaften durch Europa beschnitten werden, werden sie sich von Europa abwenden.
Gerade die Menschen hier in Sachsen-Anhalt werden eine Antwort auf die Frage nach dem sozialen Fortschritt durch Europa verlangen. Wenn die Menschen hier in Sachsen-Anhalt befürchten, dass ihre Löhne durch die Ausweitung des Arbeitsmarktes noch weiter unter Druck geraten und dass die sozialen Sicherungsleistungen noch weiter auf Talfahrt gehen, dann werden sie sich einem europäischen Integrationsprozess verweigern.
Ein zweites zentrales Projekt ist für uns GRÜNE eine gemeinsame Klima- und Energiepolitik. Verheerende Klima- und Umweltfolgen einer verfehlten Energiepolitik machen eben nicht an den Grenzen eines Nationalstaats halt.
Für eine solche Politik kann Sachsen-Anhalt eine Modellregion sein, von der Europa lernt und auf die die Menschen hier im Land stolz sein können.
Drittens braucht Europa eine neue europäische Vision. Wir müssen die Menschen für Europa begeistern. Unsere bündnisgrüne Vision ist ein Europa der gelebten Demokratie, des sozialen Fortschritts für alle, und ein Europa mit einer gemeinsamen nachhaltigen Klima- und Energiepolitik mit 100 % erneuerbaren Energien.
Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie eine andere Vision von Europa als wir GRÜNEN. Dann aber lassen Sie uns über eine gemeinsame europäische Vision streiten. Denn die Menschen dürfen von uns verlangen, dass wir ihnen sagen, wie die Reise weitergeht.