Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Sie wissen allerdings auch genau, dass einer unverzüglichen Besetzung rechtliche Verfahren entgegenstehen, die zunächst abgeschlossen werden müssen. Ich kann Ihnen für meine Fraktion versichern, dass es unser Bestreben ist, hierfür eine zeitnahe Lösung zu finden. Ich denke, dass es Ihres Antrages dazu nicht bedarf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Leben in der DDR darf nicht auf Unterdrückung und Repression reduziert werden. Es war in der Biografie der meisten - das glaube ich sagen zu können - keine verlorene Zeit. Es gab Höhen und Tiefen im Leben der Menschen, Erfolge, Niederlagen und unerfüllte Wünsche. Es gab so etwas wie Normalität. Das alles gehört zur historischen Wahrheit und zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.

Geschichte ist selten ein Entweder-oder, oft ist Geschichte ein Sowohl-als-auch. Wichtig ist der Anspruch der Opfer auf Aufrichtigkeit. Der Ministerpräsident hat es gesagt: Die Opfer sind es, die verzeihen können. Verzeihen setzt die Einsicht der Täter voraus, so hieß es.

Was ist das für eine Einsicht - wir hatten den vorherigen Tagesordnungspunkt dazu -, wenn man sich outet, um sich danach sogleich beherzt wählen zu lassen? Einsicht fällt schwer - das gilt nicht nur für die DDR-Vergangenheit -, letztlich ist Einsicht aber der Schlüssel dazu, den Weg für einen wirklichen Neuanfang frei zu machen.

Ich bedauere außerordentlich, dass es nicht möglich war, dieses wichtige Thema im Vorfeld miteinander abzustimmen, dass viele Dinge unbearbeitet geblieben sind und dass der Antrag in dieser Form den Landtag erreicht hat, sodass wir ihm als Fraktion heute nicht zustimmen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Schröder. - Als Letzter in der Debatte spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei meiner Vorredner haben heute in ihren Reden auch das Thema Schlussstrich gestreift. Ich finde, die Tatsache, dass wir 22 Jahre nach dem Mauerfall hier stehen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es eben nicht um eine Schlussstrichdebatte geht, sondern dass die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit ein wichtiges Thema ist, das natürlich auch darauf ausstrahlt, wie wir heute miteinander Demokratie gestalten wollen.

Meine Damen und Herren! Hedwig Richter, die ein von mir in den letzten Tagen mit großem Interesse gelesenes Buch geschrieben hat „Pietismus im Sozialismus - die Herrnhuter Brüdergemeinde in der DDR“ zitiert in ihren Ausführungen Mary Fulbrook:

„Konzepte, die nur den repressiven Charakter des SED-Regimes hervorheben, reichen nicht aus, um den Aufbau, die Stabilität und den Untergang der DDR zu erklären. Tatsächlich werden jedoch auch das Ausmaß des repressiven Charakters und die totalitäre Durchdringung der Gesellschaft erst deutlich, wenn die Geschichte der DDR nicht lediglich als Unterdrückungsgeschichte analysiert wird.“

Das heißt nichts anderes als die Verabschiedung von einem Schwarzweißdenken, das einseitig auf die zweifellos vorhandenen und auch massiven Unterdrückungsmechanismen von SED und Stasi schaut. Denn dabei geraten zwei Dinge aus dem Blick:

Erstens dass es tatsächlich Erfahrungen individuellen Glücks in der DDR geben konnte, deren heutige Verleugnung auch die Erfahrungen von Menschen aus der DDR verleugnet. Ich glaube, das ist in diesem Hause unstrittig. Das ist auch noch einmal deutlich geworden.

Aber - zweitens und wichtiger - aus dem Blick geraten auch alle, die durch ihr alltägliches Tun und Unterlassen halfen, das staatssozialistische System zu stabilisieren und dessen dauerhaften Be

stand zu sichern. Nur wenige, vielleicht fast niemand kann für sich in Anspruch nehmen, konsequent widerständig gelebt zu haben. Für die meisten gilt, dass sie mehr oder weniger große Anpassungsleistungen vollzogen haben, im Übrigen manchmal, um die eben schon genannte Erfahrung individuellen Glücks zu ermöglichen, manche gezwungenermaßen, viele aber in vorauseilendem Gehorsam.

Nicht nur diejenigen, die Nachbarn, Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Kommilitonen und andere bespitzelten, müssen sich der Verantwortung stellen. Auch diejenigen, die mit kleinen und großen Kompromissen im Alltäglichen Unrecht stabilisiert und geduldet haben, müssen sich nach ihrer Beteiligung fragen lassen.

Roland Jahn, Bundesbeauftragter, hat unlängst eine größere Bereitschaft hierzu in der Bevölkerung ausgemacht und gleichzeitig treffend festgestellt, dass es nicht einfach ist, sich einzugestehen, einer Diktatur gedient zu haben.

Genau diese Schwierigkeit des Sich-Eingestehens stellt sich für uns alle, stellt sich für die verschiedenen Institutionen, stellt sich für die verschiedenen Institutionen auch in ihrer Geschichte, beispielsweise für diejenigen, die in den ehemaligen Blockparteien Mitglied waren. Hierüber ist zu reden, wenn über Täterschaft in der DDR gesprochen wird - und dies, ohne die schwere Schuld jener zu negieren, die aktiv und im vollen Bewusstsein Menschen geschadet haben.

Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem friedlichen Ende der DDR-Diktatur ist auch über gegenseitiges Verzeihen zu reden. Hannah Arendt bezeichnet dieses gegenseitige Verzeihen im politischen Raum als Versöhnung. Dabei ist klar: Verzeihen ist nach Martin Gutmann niemals die Sache des Täters selbst, sondern wenn überhaupt, dann die des Opfers.

Versöhnung macht auch nicht schuldlos, sie setzt das Bekenntnis von Täterinnen und Tätern sogar voraus. Aber sie entbindet diejenigen, die schuldig geworden sind, von den schuldhaften Folgen ihrer Taten und durchbricht so auch die Kette fortlaufender Folgen von Unrecht, die über Generationen hinausreichen kann. Ich werde auf das Thema Generationen gleich noch einmal zu sprechen kommen.

Eine solche gesellschaftliche Versöhnung ist notwendig. Und wenn sie als Verstehen in Form einer Selbstreflexion, wie hier von Matthias Höhn vorgetragen, passiert, dann ist sie, denke ich, auch ein wichtiger Punkt. Sie bedarf geschützter Räume, und wir wollen helfen, diese Räume zu schaffen.

Dazu braucht es aber zum Beispiel auch Projekte der psychosozialen Beratung. Ich finde es wichtig, dass es uns allen hier im Raum gelingt, in den nächsten Doppelhaushalt wieder Mittel einzustel

len, damit solche psychosoziale Beratung für diejenigen, die Opfer von DDR-Unrecht geworden sind, möglich ist und dass diese Bratung nicht an dem wenigen Geld scheitert, das dafür notwendig ist. Denn es sind nicht nur diejenigen, die zu DDRZeiten Opfer geworden sind, sondern es sind heute die Kinder und auch Enkelkinder, bei denen sich das immer noch fortträgt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es braucht einen stärkeren Fokus der Aufarbeitung von DDRUnrecht über SED und Stasi hinaus. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Im Übrigen möchte ich noch beantragen, über die einzelnen Punkte getrennt abzustimmen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Striegel. - Es gibt eine Anfrage von Herrn Gallert.

Herr Striegel, ich habe mit hohem Interesse die Debatte verfolgt. Eingedenk der Tatsache, dass dieser Antrag eigentlich als Entschließungsantrag zum vorhergehenden Beschluss zur Einsetzung eines Stasi-Ausschusses gedacht war, stelle ich Ihnen nach der Debatte, vor allen Dingen nach dem Redebeitrag von Herrn Miesterfeldt, folgende Frage.

Sie haben selbst mit unterschrieben, dass Verantwortung, Schuld oder Täterschaft - ich will mich über die Begriffe nicht streiten - per Kommission im Falle von Staatssicherheit festgestellt werden kann. Sie haben den Antrag ja mit eingebracht. Nach dem, was Sie jetzt gesagt haben, und nach dem, was in der Auseinandersetzung mit Ihrem Antrag kam, sagen Sie: Eigentlich müssten wir das gleiche Verfahren auch jenseits von Stasi und SED, zum Beispiel im Bereich der evangelischen Kirche, zum Beispiel im Bereich der Blockparteien anwenden. - Habe ich Sie da richtig verstanden?

Ich glaube, es ist schwierig, Recht und Unrecht sozusagen per Kommission feststellen zu lassen, und es ist ein Instrument, das deutlich nicht weit genug geht. Vielmehr brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte über die Frage von Verstrickungen im DDR-Alltag. Insofern bin ich dankbar für die Ausführungen, die der Kollege Höhn gemacht hat. Ich glaube, die helfen da auch weiter. Es ist eben nicht ausreichend, nur einen solchen Einsetzungsbeschluss zu fassen. Deswegen haben wir sehr deutlich gesagt: Es braucht mehr als das.

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Dann können wir die Debatte abschließen.

Wir kommen nunmehr zum Abstimmungsverfahren. Eine Ausschussüberweisung wurde von niemandem beantragt. Stattdessen liegt ein Antrag auf abschnittweise Abstimmung vor. So können wir dann auch verfahren. Ich stelle jetzt den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/531 zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir über Punkt 1 des Antrages ab. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einige Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und eine Stimme aus der Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Es gibt Enthaltungen aus der Fraktion DIE LINKE. Punkt 1 ist abgelehnt worden.

Jetzt stimmen wir über Punkt 2 des Antrages ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Punkt 2 ist abgelehnt worden.

Wir stimmen nun über Punkt 3 ab. Wer ist dafür? - Dasselbe Abstimmungsverhalten wie eben. Wer stimmt dagegen? - Das gleiche Abstimmungsverhalten. Wer enthält sich der Stimme? - Ebenso. Punkt 3 ist abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt über Punkt 4 abstimmen. Wer stimmt dem zu? - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einigen Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE hat die Mehrheit des Hohen Hauses dagegen gestimmt. Punkt 4 ist abgelehnt worden.

Damit hat keiner der Punkte und somit auch nicht der Antrag insgesamt die erforderliche Mehrheit erhalten. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Tagesordnungspunkt ist erledigt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 23:

Erste Beratung

Landesweingut und Landgestüt nicht veräußern

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/538

Zum Schluss also Wein und Reiten. Diesen Antrag bringt die Fraktion DIE LINKE ein. Es spricht für die Fraktion Herr Abgeordneter Krause.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir die Landesregierung auffordern, ihren Beschluss zum Verkauf des Landesweingutes und des Landgestüts Prussendorf zurückzunehmen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch nicht vorbei. Ich bitte für diesen letzten Tagesordnungspunkt um Ihre Aufmerksamkeit.

Folgende Überlegungen spielen dabei eine Rolle: Erstens erschließt sich für unsere Fraktion aufgrund der vorliegenden wirtschaftlich stabilen Entwicklung des Landesweingutes nicht die Notwendigkeit, an dieser Stelle eigentumsrechtliche Veränderungen vorzunehmen.

(Herr Borgwardt, CDU: Ist klar!)

Die immer wieder konstruierte Debatte über einen Investitionsstau, den das Landesweingut angeblich vor sich herschiebt, ist ein Zweckargument und unhaltbar. Hier wurde regelrecht ein Pappkamerad aufgebaut.

Als Landtagsabgeordnete, die über diese Angelegenheit zu entscheiden haben, sollten wir unbedingt wissen, dass das Landesweingut an sich auf solider wirtschaftlicher Grundlage arbeitet und schwarze Zahlen schreibt. Um das Gut herum gibt es allerdings nicht betriebswirtschaftlich notwendige Gebäude und Immobilien von einem mehr oder weniger großen kulturhistorischen Wert, die nach wie vor auf eine Sanierung warten und, um mit den Worten des Herrn Ministers zu sprechen, die das Landesweingut natürlich „verhübschen“ würden. Hinzu kommen noch Investitionsaufwendungen an bestimmten Trockenmauern, die nicht unerheblich sind.

Das alles ist aber nach unserer Kenntnis in einem gewissen Zeitrahmen machbar, wenn man sich dazu entschließen würde, dem Landesweingut einen Kreditrahmen einzuräumen. Unter diesen Bedingungen würde das Landesweingut die finanziellen Aufwendungen ohne Weiteres aus seinen betrieblichen Ergebnissen selbst schultern können.

Zweitens. Der Verkauf beider Einrichtungen widerspricht der immer noch gültigen Beschlusslage des Landtages. Mit diesem Beschluss hat sich der Landtag damals klar dazu bekannt, beide Einrichtungen im Landeseigentum zu belassen und entsprechend zu betreiben.

Das Problem besteht allerdings darin, dass es die Landesregierungen waren, die sich nie wirklich zu ihren Landesbetrieben bekannt haben und darum auch nicht ernsthaft bemüht waren, diese Betriebe zielstrebig zu entwickeln. Diese Landeseinrichtungen wurden von Haushalt zu Haushalt immer wieder nur als finanzielle Manövriermasse benutzt. Vor diesem Dilemma stehen wir auch heute. Das ist bedauerlich.

Wir müssen wissen: Nach wie vor erfüllt das Landgestüt hoheitliche Aufgaben, wie das Vorhalten der Vatertiere und die Organisation der Leistungsprü