Protokoll der Sitzung vom 13.12.2011

Was will ich damit sagen? - Warum dieser Rechtsterrorismus als solcher in seinen Ausmaßen und

Gefahren nicht erkannt wurde, ist zunächst eine Frage, die die Exekutive klären muss.

(Zurufe von der LINKEN: Machen Sie das! - Ja!)

Wie wir die Parlamentarische Kontrollkommission in die Lage versetzen, ihre Funktion besser wahrzunehmen, ist eine Frage, die wir hier und in den anderen Parlamenten klären müssen. Eines steht fest: Ohne parlamentarische Kontrolle ist keine Tätigkeit eines Nachrichtendienstes zulässig.

(Zuruf von der LINKEN: Doch!)

Diese Kontrolle muss wirksam sein.

Die verfassungsrechtliche Legitimation des Verfassungsschutzes und seine parlamentarische Kontrolle gehören untrennbar zusammen. Der politischen Kontrolle des Verfassungsschutzes muss auch deswegen eine so große Beachtung geschenkt werden, weil die normative Bindung und folglich auch der Rechtsschutz nur begrenzte Reichweite haben können.

Die parlamentarische Kontrolle hat deswegen die Aufgabe, das Vertrauen in das rechtmäßige Agieren des Verfassungsschutzes im Parlament und bei den Menschen im Land zu rechtfertigen und zu stärken. Das muss der Maßstab für die Zusammensetzung, die Aufgaben und die Befugnisse der Kontrollgremien des Verfassungsschutzes sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir zunächst lediglich die Voraussetzungen dafür, dass alle Fraktionen in der Parlamentarischen Kontrollkommission vertreten sein werden.

(Zuruf von der LINKEN)

Die beabsichtigte Größe der Kommission halte ich für einen vertretbaren Kompromiss zwischen dem Anliegen, dass alle Fraktionen in der PKK repräsentiert sind, und dem Anliegen der Wahrung absoluter Vertraulichkeit der Sitzungen. Doch ist letzteres Kriterium längst keine Garantie für die Wahrung der Geheimhaltung.

Das parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages, das seit 1978 besteht und zurzeit zwölf Mitglieder hat, hat in seiner 30-jährigen Geschichte nicht ein einziges Mal mit der Verletzung der Vertraulichkeit der Sitzungen zu kämpfen gehabt. In der lediglich vierköpfigen PKK in Sachsen-Anhalt gab es das Problem in der letzten Wahlperiode sehr wohl.

(Zuruf: Richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist aus der Sicht meiner Fraktion nur ein erster Schritt hin zu einer wirksameren parlamentarischen Kontrolle. Wir Parlamentarier sollten die Vertrauenskrise der Dienste

zum Anlass nehmen, unser eigenes Engagement auszubauen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Erben, es gibt eine Anfrage. Möchten Sie diese beantworten?

Ja.

Sie wurde zurückgezogen. Weitere Anfragen gibt es nicht. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Kollege Striegel.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute im Landtag zu einer Sondersitzung zusammengekommen sind, hat zwei Gründe. Im Übrigen scheint mir die LINKE nicht dabei zu sein. Einer davon ist so banal wie formal entscheidend: Unsere Verfassung sieht für Gesetze ein Zweilesungsprinzip mit mindestens zweitägigem Abstand vor.

Der zweite hat mit einem Vorgang zu tun, der unser Land seit gut fünf Wochen in Atem hält und den Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, im Innenausschuss des Deutschen Bundestages als - Zitat - „Niederlage für die Sicherheitsbehörden“ bezeichnet hat.

Ein Versagen der Behörden, Herr Kollege Erben, nicht der Zivilgesellschaft oder eines kollektiven Wirs. Ich kann dieses Wir bei Ihnen ganz ehrlich nicht verstehen. Diese Niederlage, die Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, von Freiheit und Menschenrechten durch einen jahrelang unentdeckten, ja bisweilen geleugneten rechten Terrorismus wird uns in dieser Woche noch ausführlich beschäftigen.

Schon die heute bekannten Fakten, die Tatsache, dass ein Trio 13 Jahre lang mordend, Bomben bauend und Banken ausraubend durch das Land zog und doch unerkannt blieb, dass es breite Unterstützungsstrukturen und Solidaritätsaktionen in der Szene gab und dass 17 Verfassungsschutzämter der Bundesrepublik trotz hunderter Spitzel, trotz Überwachungsmaßnahmen nicht einen leisen Hinweis auf die Verbrecher gehabt haben wollen, macht mindestens stutzig und nötigt uns als Parlament zu mehr und zu wirksamerer parlamentarischer Kontrolle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt, dass es mit einiger Verzögerung nun gelungen ist,

einen zumindest von drei Fraktionen getragenen Gesetzentwurf zur Erweiterung der PKK auf den Weg zu bringen. Es war an der Zeit, ja, meine Damen und Herren, es war höchste Zeit.

Der Landtag der sechsten Wahlperiode muss selbst Kontrolle ausüben und Verantwortung für die Grundrechte übernehmen. Er darf die Aufsicht über den Geheimdienst nicht verdienten, aber inzwischen unzureichend legitimierten politischen Pensionären der vergangenen Legislaturperiode überlassen.

(Herr Leimbach, CDU: Ui, ui, ui!)

Was wir in den letzten Monaten erlebt haben, war Kontrolle, Herr Erben, parlamentarische Kontrolle kann man es nicht mehr so ganz nennen.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Das ist falsch!)

Wir sind froh, dass es mit dem nun gefundenen Verfahren möglich wird, zum Jahresbeginn 2012 endlich die neuen Mitglieder der Kommission zu wählen. Meine Fraktion will mehr und sie will wirksamere parlamentarische Kontrolle. Diese Kontrolle scheint notwendig, um Demokratie, Recht und Verfassung bisweilen vor denen in Schutz zu nehmen, die das Wort Verfassungsschutz im Namen tragen.

Mehr Kontrolle wird möglich, wenn alle demokratischen Fraktionen, das Parlament in Gesamtheit diese Kontrolle durch die Mitgliedschaft in der PKK ausüben. Mehr und bessere Kontrolle wird möglich, wenn, wie von allen Fraktionen gewünscht, die PKK zukünftig ihre Geschäftsstelle beim Landtag und damit in unmittelbarer Verantwortung des Parlaments hat. Mehr und tatsächliche Kontrolle wird vor allem möglich, wenn der intransparente Raum für Geheimdienste auf das absolut Notwendige beschränkt wird.

Über das Führen einzelner V-Männer, ihre konkreten Aufgaben und ihre Bezahlung lässt sich nicht öffentlich diskutieren. Maßstäbe zum Einsatz von V-Leuten, das Qualitätsmanagement bei ihrem Einsatz, Vereinbarungen zur Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern usw. sind Dinge, die im Innenausschuss sehr wohl besprochen werden müssen, wenn wir es mit parlamentarischer Kontrolle ernst meinen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Kollege Striegel, möchten Sie eine Zwischenfrage beantworten?

Am Ende der Rede. - Auch die neu gewählten Mitglieder der PKK müssen sich überlegen, wie sie mehr Transparenz und effektivere Kontrolle schaffen. Der PKK steht dafür das Mittel der eigenen

Geschäftsordnung zur Verfügung. Hierin kann sie regeln, dass sich die Mitglieder der Kommission für ihre Arbeit, beispielsweise der Unterstützung von sicherheitsüberprüften Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, der Fraktionen oder von Gutachtern bedienen kann. Hierin kann zudem geregelt werden, dass die PKK im Regelfall nach ihren Sitzungen in geeigneter Form die Öffentlichkeit informiert, wie das aktuell in Thüringen geschieht.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine wirksamere Geschäftsordnung der PKK zu etablieren und in der regelmäßigen Praxis deren Beitrag für eine effektive Kontrolle der Geheimdienste zu beurteilen, wird Aufgabe der Kommission, ja des ganzen Parlaments sein.

In Auswertung der Arbeit der PKK und nach der hoffentlich vollständigen Aufklärung der Versäumnisse von Verfassungsschutzbehörden bei der Beobachtung rechter Gewalttäter und Terroristen wird die von uns diskutierte Änderung des Verfassungsschutzgesetzes definitiv nicht die letzte sein.

Der Umbau der bundesdeutschen Geheimdienste und die Einführung wirklich effektiver - weil stärker öffentlich wirksamer - Kontrollbefugnisse des Parlaments stehen uns erst noch bevor. Beides sind Aufgaben, die mit notwendiger Ruhe und etwas zeitlichem Abstand zu den nun bekanntgewordenen Fakten zu absolvieren sind. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Striegel, es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Erben.

Herr Kollege Striegel, Sie haben in Ihrem Redebeitrag meine Aussage aufgegriffen, die sinngemäß hieß: Wir waren alle einer Fehleinschätzung erlegen, nämlich der Fehleinschätzung, dass es keinen Rechtsterrorismus in Deutschland gibt. Dies stand 15 Jahre lang in allen Verfassungsschutzberichten, teilweise völlig identisch. Sie bezogen sich in das Wir offensichtlich nicht ein.

Deswegen meine Frage an Sie: Sind Ihnen Aussagen von sich selbst bzw. von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekannt, in denen Sie in Zweifel gezogen haben, dass diese Aussage in den Verfassungsschutzberichten stimmt?

(Zustimmung von Herrn Jantos, CDU)

Herr Kollege Erben, anders als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die in den letzten Jahren nicht im Parlament und auch nicht in der Regierung vertreten waren, lagen uns diese Informationen sozusagen in einem kontrollierbaren Umfang nicht vor.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Wir haben immer und grundsätzlich vor rechter Gewalt und auch den Möglichkeiten terroristischer Bedrohung gewarnt, weil wir gesagt haben, es ist ein ernstzunehmendes Problem für die Demokratie in diesem Land. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte abgeschlossen.

Nunmehr kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Uns liegen ein Gesetzentwurf und ein Änderungsantrag vor. Wird der Gesetzentwurf in einen Ausschuss überwiesen, dann wird mit dem Änderungsantrag ebenso verfahren. Es wurde im Laufe der Debatte beantragt, den vorliegenden Gesetzentwurf in den Innenausschuss zu überweisen. Die