Sie betrieben in Deutschland eine Politik der Verfolgung, Unterdrückung und Ausrottung aller Zivilisten, die der Naziregierung feindlich waren oder von denen man dies annahm oder von denen man annahm, sie könnten der Naziregierung in Zukunft feindlich sein. Sie haben jene Personen ohne gerichtlichen Prozess ins Gefängnis geworfen, sie in Schutzhaft genommen oder in Konzentrationslager geschickt und sie Verfolgung, Erniedrigung, Plünderung, Versklavung, Folter und Mord ausgesetzt.
Um ihren Willen auszuführen, wurden Sondergerichte bestellt. Es wurde privilegierten Zweigen und Behörden des Staates und der Partei erlaubt,
außerhalb des Bereiches des Rechts - selbst des nazifizierten Rechts - zu arbeiten und alle Tendenzen und Elemente, die als unerwünscht angesehen wurden, zu vernichten.
Die verschiedenen Konzentrationslager schließen ein Buchenwald, das im Jahr 1933 geschaffen wurde, und Dachau, das im Jahr 1934 geschaffen wurde. In diesen und anderen Lagern wurden die Zivilisten zu Sklavenarbeit gezwungen, ermordet und auf verschiedene Weise misshandelt.
Diese Handlungen und diese Politik wurden nach dem 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945 auf die besetzten Gebiete ausgedehnt. Die Gegner der deutschen Regierung wurden ausgerottet und verfolgt. Diese Verfolgung war gegen Juden gerichtet; sie war auch gegen Personen gerichtet, von denen man annahm, dass ihre politische Überzeugung und ihr geistiges Streben im Gegensatz zu den Zielen der Nazis standen.
Juden wurden seit dem Jahr 1933 systematisch verfolgt. Sie wurden ihrer Freiheit beraubt und in Konzentrationslager geworfen, wo sie misshandelt und ermordet wurden. Ihr Eigentum wurde beschlagnahmt. Hunderttausende von Juden wurden vor dem 1. September 1939 auf diese Weise behandelt. Nach dem 1. September 1939 wurden die Anstrengungen zur Judenverfolgung verdoppelt. Millionen von Juden wurden von Deutschland und den besetzten westlichen Ländern aus in die östlichen Länder zur Vernichtung gesandt.
Die folgenden Einzelheiten sind lediglich Beispiele. Die Nazis ermordeten unter anderem Kanzler Dollfuß, den Sozialdemokraten Breitscheid und den Kommunisten Thälmann. Sie warfen zahlreiche politische und religiöse Persönlichkeiten in Konzentrationslager, zum Beispiel Kanzler Schuschnigg und Pastor Niemöller.
Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine historische Schilderung, sondern das ist eine historische Anklage. Dieser Text ist Teil der Anklageschrift aus dem ersten Nürnberger Prozess.
Und die Völker dieser Erde haben ihr Urteil gesprochen. Was die Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrifft, so besteht keinerlei Zweifel, dass politische Gegner in Deutschland vor dem Kriege ermordet wurden und dass ihrer viele in Konzentrationslagern unter den schrecklichsten und grausamsten Umständen gefangen gehalten wurden.
Diese Politik des Schreckens ist sicherlich in großem Maßstab durchgeführt worden und war in vielen Fällen organisiert und durchdacht. Die vor dem Krieg von 1939 in Deutschland durchgeführte Politik der Verfolgung, der Unterdrückung und der Ermordung von Zivilpersonen, von denen eine gegen die Regierung gerichtete Einstellung zu vermuten war, wurde auf das Erbarmungsloseste durch
geführt. Die in der gleichen Zeit vor sich gehende Verfolgung der Juden ist über allen Zweifel festgestellt.
Seit Beginn des Krieges im Jahr 1939 sind Kriegsverbrechen in großem Umfang begangen worden, die auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren. Soweit die unmenschlichen Handlungen, die nach Kriegsbeginn begangen wurden, keine Kriegsverbrechen darstellen, wurden sie doch alle in Ausführung eines Angriffskrieges oder im Zusammenhang mit einem Angriffskrieg begangen und stellen deshalb Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.
Meine Damen und Herren! Aus diesem Urteil sind zwei Dinge erwachsen, zum Ersten ein neues Völkerrecht, ein Völkerrecht, das Verbrechen gegen die Menschen ächtet, das Mord, Verfolgung, Folter und Vernichtung unter Strafe stellt, das Frieden und Menschenrechte zu den obersten Prinzipien der weltweiten Rechtsordnung erklärt.
Wir dürfen uns in einem nicht täuschen: Es waren deutsche Gräueltaten, es waren deutsche Verbrechen, es war ein deutscher Krieg, der ein solches Recht erst nötig machte. Es war ein deutscher Sündenfall, meine Damen und Herren.
Deshalb ist das Zweite, das aus dem Urteil von Nürnberg erwachsen ist, eine immerwährende Verantwortung für uns alle und für alle Generationen, die folgen. Was war, darf niemals wieder sein, und erst recht und vor allem nicht in Deutschland.
Wir haben heute nicht nur die Chance, sondern wir haben auch die Pflicht, dem rechten Terror alles entgegenzusetzen, was wir haben, was die Demokratie hat. Es gibt sie heute schon wieder, diese Listen. Es gibt sie schon wieder, die politischen Morde. Da ist die Rechnung ganz einfach: Je mehr Macht die Nazis haben, desto mehr Menschen werden leiden. - Also lassen Sie uns dafür sorgen, dass sie keine Macht bekommen, nicht einmal ein kleines bisschen.
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist selbstverständlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Denn Gesinnungsfragen sind Gesellschaftsfragen. Die Bekämpfung des Rechtsterrorismus ist aber auch eine staatliche Aufgabe. Denn Terrorbekämpfung ist eine Sicherheitsfrage. Dass dabei in der Vergangenheit einiges schiefgelaufen ist, ist offenkundig.
Wir haben es nicht nur mit einer kleinen Terrorzelle von drei Personen zu tun, sondern mit einem Netzwerk an Unterstützern, das wir in seiner Gänze vermutlich noch gar nicht kennen. Die Zahl der Festnahmen häuft sich in den letzten Wochen - Gott sei Dank, sage ich.
ten, die der Verfassungsschutz allein bei der NPD führen soll. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber ich weiß, was wir jetzt brauchen: Wir brauchen eine konsequente Aufklärung der Rolle auch der Sicherheitsbehörden und insbesondere des Verfassungsschutzes.
Wir brauchen auch eine Neubewertung der Gefahren durch rechtsextremistische Netzwerke. Wir brauchen eine Neuorientierung der Maßnahmen gegen den organisierten Rechtsextremismus. Dazu gehört auch, dass endlich auch die letzten Innenminister von ihrem Lieblingsmärchen Abschied nehmen, dass nämlich die rechtsextreme Szene durch V-Leute zu steuern und zu befrieden sei.
Nach dem, was wir jetzt erlebt haben, wissen wir, dass das nicht funktioniert. Zehn Tote - mindestens, sage ich; wir wissen nicht, wie viele es sind -, Dutzende Opfer unter den Augen des Verfassungsschutzes sprechen dagegen, dass man steuern kann.
Dagegen spricht auch, insbesondere in der NPD selber, dass sie ein NPD-Verbot erschweren. Damit sind wir bei dem meistdiskutierten Thema, wenn es um Rechtsextremismus geht, jedenfalls in den letzten Wochen. Ich sage klar: Ein NPD-Verbot ist natürlich kein Allheilmittel. Das wissen wir.
Der Kampf gegen den Rechtsextremismus kann nicht nach dem Motto geführt werden: NPD weg - Problem weg. Aus den Augen, aus dem Sinn - das ist ein Kinderglaube, aber kein Politikansatz. Es braucht also mehr als Verbote im Kampf gegen rechts; Herr Präsident, darin haben Sie Recht.
Der Umkehrschluss - das möchte ich genauso klar sagen - ist allerdings genauso falsch. Es geht auch nicht ohne. Ein NPD-Verbot ist notwendig, richtig und geboten. Die NPD ist für mich die bürgerliche Maske derer, die diese bürgerliche Gesellschaft, wie wir sie haben, eigentlich abschaffen wollen. Der Nazi mit Seitenscheitel, Gelfrisur und Bügelfalte ist genau so gefährlich wie der mit Glatze und Springerstiefeln. Die Parteienfinanzierung ist für Parteien da, nicht aber für Terrornetzwerke.
Deshalb stellt sich heute nicht die Frage, ob man die NPD verbieten muss; vielmehr stellt sich die Frage, wie wir dies auf den Weg bringen. Ich glaube, darin sind wir uns wieder einig. - Bei dem anderen hoffentlich nicht, sorry.
Ich glaube, die Landesregierung und der Innenminister wissen genau, was jetzt zu tun ist. Sie wissen auch, was ihre Pflicht ist: Sie müssen die Beamten mit der Vorbereitung eines Verbotsverfahrens beauftragen. Eine ergebnisoffene Prüfung wäre heute sicherlich zu wenig. Dafür haben sie, glaube ich, die breite Unterstützung des gesamten Parlaments.
Zu einem sind wir aber nicht bereit, nämlich dazu, dass Demokraten weiterhin unter Generalverdacht gestellt werden. Auch ich spreche hierbei von der Extremismusklausel. Auch wir sind der Auffassung, dass sie abgeschafft gehört - und zwar sofort - und dass die Bundesregierung hierbei umdenken und aufwachen muss.
Diejenigen, die gegen diese rechte Brut kämpfen und arbeiten, auch institutionell kämpfen und arbeiten, brauchen nicht Argwohn und Misstrauen. Sie brauchen eines: eine unbedingte und konsequente Unterstützung.
Was wir auch brauchen, ist ein wachsames Auge. Deshalb ist es richtig, eine gemeinsame Verbunddatei Rechtsextremismus und ein gemeinsames Abwehrzentrum Rechtsextremismus zu prüfen. Natürlich! Ich glaube, das wird am Ende auch stehen.
Aber wir brauchen nicht nur neue Instrumente, sondern wir brauchen auch eine andere Aufmerksamkeit für dieses Thema. Nur so wird aus den beiden Dingen ein gemeinsames Paar Schuhe.
Wenn die Bundesjustizministerin bei diesem Thema die oberste Bedenkenträgerin der Nation bleibt und mit dem Recht von Rechtsterroristen auf informationelle Selbstbestimmung argumentiert, dann hört mein persönliches Verständnis dafür auf.
Ich weiß, dass die informationelle Selbstbestimmung ein hohes Gut ist. Aber wer Terror sät und Mord betreibt, der hat für mich auch das Recht auf Datenschutz verwirkt. Das ist sehr dünnes Eis, auf dem wir uns bewegen, das ist mir klar.
Aber ich möchte nicht, dass rechte Terroristen den Behörden deshalb entwischen, weil sie sich einmal für fünf Jahre tot stellen oder in ein anderes Bundesland gehen. Das sind dann keine Schlupflöcher mehr, sondern das sind Scheunentore, die wir
aufmachen. Wir müssen ganz genau schauen, wie wir diese Scheunentore schließen können, ohne denjenigen, die damit nichts zu tun haben, zu viel an Überwachung zuzumuten.
Zum Schluss möchte ich noch zwei Dinge sagen, die mir wichtig sind. Die Geschichte unseres Landes ist nicht nur Kern unserer Kultur und Wurzel unserer Kultur. Sie ist auch Quell und Keimzelle unserer Unkultur.
Wir erleben mehr und mehr, dass Unkenntnis von der jüngeren und der älteren Geschichte um sich greift, dass ihre Gräuel dem Vergessen preisgegeben werden und dass sich der gnädige Mantel des Vergessens auch über die dunkelsten Kapitel deutscher Historie zu legen droht. Das, meine Damen und Herren, dürfen wir genauso wenig zulassen.