Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir können darüber reden, wie wir wollen: Niemand kann heute einigermaßen seriös sagen, welche von diesen Prognosen oder ob irgendeine x-beliebige andere Prognose für 2013 wirklich die Grundlage ist. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten Entwicklungen haben können, die uns nach vorn bringen werden. Es kann allerdings auch Entwicklungen geben, die uns ruck-zuck 200, 300, 400 Millionen € kosten werden.

(Zuruf von Frau Niestädt, SPD)

Das sind Probleme, die einfach nicht planbar sind. Deswegen ist diese Grundlage für den Haushalt 2013 nicht da. Dann haben wir tatsächlich auf der Seite der Zinsen ein ähnliches Problem.

(Frau Niestädt, SPD: Ja! Super!)

Da haben wir auch überlegt - wir haben ja auch Refinanzierungsvorschläge gehabt - und haben gesagt: Jawohl, so wie sich die Dinge entwickeln, kann man die Zinsausgaben herabsetzen. Aber wie bei vielen solcher Vorschläge von uns gilt auch hier: Hierbei war die Regierung ein bisschen schneller.

Jetzt passierte Folgendes - ich möchte auch das an dieser Stelle noch einmal sagen -: Wir hatten für das Jahr 2013 bei den Zinslasten einen Ansatz in Höhe von knapp 800 Millionen €. Dann kam aber das Finanzministerium und sagte: Nein, nein, liebe Leute, wir brauchen im Jahr 2013 sage und schreibe mehr als 170 Millionen € weniger. Das ist ein Rückgang in der Prognose um fast ein Viertel, um 22 %.

Das sind Entwicklungen auf dem Finanzmarkt innerhalb von zwölf bis 16 Wochen. Das ist nämlich der Unterschied zwischen der ersten und der letzten Prognose. Innerhalb eines Vierteljahres haben sich die Prognosen für die Zinslast in diesem Haushalt um ein Viertel verändert. Niemand von uns weiß, wie sich die Dinge in absehbarer Zeit entwickeln werden.

(Zuruf von der LINKEN: Wie wahr!)

Es kann so sein - da muss ich sagen, dass ich an die Grenze meines Verständnisses gestoßen bin - wie beim Bund, dass nämlich der Bund inzwischen Geld erhält, ohne Zinsen zu zahlen, und dafür Prämien kassiert.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Insofern könnte man wirklich sagen: Wohl dem, der viel Schulden hat; damit kannst du Geld verdienen.

(Minister Herr Bullerjahn: So ein Quatsch!)

Aber möglicherweise wird sich das in absehbarer Zeit nicht durchsetzen.

(Minister Herr Bullerjahn: Ach was!)

Wir haben auf der anderen Seite solche Länder wie Frankreich, Österreich oder die Niederlande. Es war niemand in der Lage vorauszusagen, dass diese Länder für ihre öffentlichen Anleihen auf einmal deutlich steigende Zinsen zahlen müssen. Ich wiederhole: Spanien hat im Verhältnis zur eigenen Wirtschaftskraft eine geringere Verschuldung als Deutschland.

Deswegen wissen wir nicht, ob diese Entwicklung so weitergeht oder ob wir im Jahr 2013 auf einmal eine Zinslast von mehr als 1 Milliarde € haben werden. Deswegen ist die Vorlage eines solchen Haushaltes unseriös. Im Grunde genommen wissen wir: Schon am 1. Januar 2013 wird die Masse dessen, was wir heute beschließen, keine Gültigkeit mehr haben. Deswegen ist es eigentlich falsch, es heute zu beschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme nun zu den Inhalten. Bei den Kommunalfinanzen haben wir nach wie vor quantitativ die größte Differenz. Qualitativ auch, aber diese Dinge sind im Dezember 2011 schon beredet und beschlossen worden. Deswegen will ich darauf heute nicht weiter eingehen.

Aber natürlich ist es so: Ja, der Finanzminister ist stolz auf 200 Millionen € Steuerschwankungsreserve, auf 25 Millionen € Tilgung und das eine oder andere Polster darüber hinaus. Aber ich sage auf der anderen Seite auch: Das Spiegelbild dieser Reserven im Landeshaushalt sind der Abbau öffentlicher Daseinsvorsorge in den Kommunen und beängstigend hohe Kassenkredite,

(Frau Niestädt, SPD: Das ist doch falsch!)

wie selbst der Chef des Landesverwaltungsamtes gerade festgestellt hat. Wir erkaufen diese Vorsorge mit kommunaler Finanznot. Dagegen werden wir vorgehen. Wir werden uns darauf konzentrieren, das im Jahr 2013 zu verändern.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von Herrn Leimbach, CDU, und von Frau Niestädt, SPD)

Ich komme zu dem nächsten Schwerpunkt: Personalpolitik. Dazu hatten wir über die letzten Monate hinweg tatsächlich eine interessante Debatte. Ich habe mir auch noch einmal angeschaut, was letztlich im Haushalt herausgekommen ist. Das Schöne ist: Wir haben ganz offensichtlich mit unseren Einlassungen inzwischen Erfolg gehabt, zumindest bei der finanziellen Vorsorge im Bereich der Personalkosten.

Was die Personalverstärkungsmittel angeht, also die Mittel, die man für Neueinstellungen, für Beförderungen und auch für den Ausgleich von Kosten durch Tarifsteigerungen und Ähnliches einsetzen will: Die sind, selbst nachdem die Tarifsteigerungen jetzt auf die Beamten übertragen worden sind, mit 90 Millionen € im Jahr 2012 und mit 130 Millionen € im Jahr 2013 sehr üppig.

Dazu sage ich: Wenn Sie uns nachweisen, dass Sie das Geld für eine bessere Personalpolitik, für eine bessere Einstellungspolitik haben - das haben Sie uns mit diesem Haushalt nachgewiesen -, dann wollen wir auch eine zukunftsfähige Personalpolitik über eine offensive Einstellungspolitik. Wir brauchen mehr junge Menschen im Landesdienst, um öffentliche Daseinsvorsorge zu realisieren, als Sie planen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen nicht mehr als jetzt. Wir müssen aber perspektivisch rund jede zweite Stelle, die frei wird, wiederbesetzen, um die Qualität aufrechtzuerhalten.

(Minister Herr Bullerjahn: Ach!)

Wir haben das Geld dafür eigentlich; das zeigt uns dieser Haushalt.

(Minister Herr Bullerjahn: Quatsch! - Zuruf von der SPD: Ach!)

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf ein Detail eingehen, über das wir in der Beratung über diesen Politikbereich im Finanzausschuss diskutiert haben. Es ging um die Bewertung der Personalentwicklungskonzepte dieser Landesregierung. Wir leben seit Langem mit diesen Personalentwicklungskonzepten und wir sind in unserer Bewertung auch schon sehr milde gestimmt.

(Zuruf von der CDU: Stimmt!)

Aber das, was wir in den Beratungen in den letzten Wochen erlebt haben, hat uns dann doch davon überzeugt, dass es hier offensichtlich ein fast unerklärliches Phänomen gibt, nämlich die entschiedene Opposition der Landesregierung zu ihren eigenen Konzepten, wenn sie älter als drei Wochen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Personalentwicklungskonzept 2011 - es ist also ein Konzept schon für diese Legislaturperiode - steht, dass in der letzten Legislaturperiode 440 Stellen nicht besetzt worden sind und dass diese 440 Personalstellen im Jahr 2012 besetzt werden sollen. Dazu bestehe in diesem Jahr die letzte Chance. Ansonsten würde man die Stellen streichen. Deswegen finden Sie jetzt einen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, die im Haushaltsplanentwurf ausgewiesenen Personalverstärkungsmittel mit der Forderung zu untersetzen, im Jahr 2012 insgesamt 854 Personalstellen zu besetzen.

Die Mitglieder meiner Fraktion mussten sich im Ausschuss anhören, warum das alles nicht mehr wahr ist. Insgesamt gab es dafür vier völlig verschiedene Begründungen. Die zuletzt vorgebrachte Begründung lautete, dass man diesen Einstellungsstau bereits im Jahr 2011 mit erledigt habe.

Also kam von uns die Frage: Wie viele Personen haben Sie denn mehr eingestellt als ohnehin geplant? - Die Angaben dazu waren unterschiedlich. Man einigte sich am Ende auf etwa 93 Personalstellen. Und diese 93 Personalstellen - so jetzt die Interpretation der Landesregierung - haben den gesamten Einstellungsstau von 440 Personalstellen aufgelöst.

Diese Mathematik werden wir nicht verstehen. Deswegen sagen wir: So nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir freuen uns aber ausdrücklich darüber, dass Sie die notwendigen Geldmittel für einen entsprechenden besseren Neueinstellungskorridor eingestellt und damit nachgewiesen haben, dass es finanzierbar ist.

Das nächste - das ist wirklich ein sehr ernstes Problem; da sind wir in den letzten Wochen tatsächlich unruhig geworden - ist die Debatte um das Kinderförderungsgesetz.

Worum geht es? - Es geht darum, dass wir in diesem Kinderförderbereich zwei Probleme haben. Das eine Problem ist, dass die Bildungseinrichtung Kindertagesstätte nach den jetzigen gesetzlichen Grundlagen nicht allen Kindern den gleichen Zugang gewährt. Auch weil wir wissen, dass es eine Bildungsstätte ist, sagen wir ausdrücklich, dass wir gerade für die Kinder, deren Eltern keinen Arbeitsplatz haben, den vollen Zugang zu dieser Bildungseinrichtung brauchen. Alles andere ist sozial ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen diesen Zugang auch schnell, weil jedes Jahr, das wir in diesem Prozess verloren haben, die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern in der Perspektive reduziert.

Wir haben ein Dreivierteljahr lang eine Debatte mit Betroffenen gehabt. Unter dem Strich stand bei dieser Debatte: Wenn ihr die Kindertagesstätte wirklich zu einer Bildungseinrichtung machen wollt, wenn ihr wirklich die qualitative Anforderung habt, dass sie nicht aufbewahren, sondern entwickeln und bilden soll, dann müsst ihr die Rahmenbedingungen verbessern. Das ist zurzeit nicht möglich.

Im Grunde genommen gab es eine neun Monate lange Diskussion. Es bezweifelt inzwischen auch niemand. Wir wissen doch: Tatsächlich beträgt das

Betreuungsverhältnis im Bereich der Kindertagesstätten nicht 1 : 13, sondern 1 : 16. Wir wissen auch: Die erste Minute der Arbeitszeit ist die erste Minute mit den Kindern. Es gibt eigentlich gar keine Chance, Entwicklungspläne zu schreiben. Es gibt eigentlich überhaupt keine Chance, Auswertungen zu machen oder Elterngespräche zu führen. Diese müssen stattfinden, während ein Betreuer die Aufsichtspflicht für 16 Kinder hat. Das ist die Realität.

Dazu haben wir gesagt: Natürlich brauchen wir dort Entlastungen, aber es ist allgemein bekannt, wie teuer das ist. Wir wissen auch, wir bekommen nicht alles auf einmal. Aber wenigstens diese Vor- und Nachbereitungszeit muss kommen. Das kostet aber Geld. Das ist klar; das wissen wir doch. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt sehen wir auf einmal: Den Finanzminister interessiert das nicht sonderlich. Er sagt: 30 Millionen €. Wir alle wissen, dass wir das für den Ganztagsanspruch brauchen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Mindestens!)