Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Das Zahlenwerk bietet eine gute Grundlage, dass wir auf der einen Seite dem Anspruch gerecht werden, Wirtschaft, Kultur, Infrastruktur zu stärken, damit Leute herkommen und hier bleiben und damit wir ab 2020 - wie schon oft zitiert - ohne Zuschüsse von außen - das wird so kommen - aus eigener Kraft Haushalte gestalten können. Ich denke, die Weichen sind da gestellt, manches aktiv, manches im Hintergrund.

Deswegen will ich mich dem, was Angelika Klein gemacht hat, anschließen und Dank sagen, Dank sagen für faire Verhandlungen über alle Fraktionsgrenzen hinweg; ich habe da schon anderes erlebt. Ich war, glaube ich, manchmal dabei, als Mitglied der Opposition und auch einer Regierungsfraktion. Manche sagen immer: Das ist doch nachlesbar. Da die Protokolle nicht verjähren, gebe ich es auch zu.

Das war schon - da will ich mich ausdrücklich der Opposition, der LINKEN und den GRÜNEN, anschließen - eine sehr sachliche Debatte. So mancher Vorschlag konnte nicht einfach negiert wer

den, weil er von anderen kam. Wir haben da gemeinsam ein Gutes gehabt, und ich denke, es ist aus der Gesamtverantwortung heraus auch etwas Gutes entstanden.

Mein besonderer Dank - nicht weil ich das unbedingt machen muss, sondern weil ich es auch will - gilt den Koalitionsfraktionen. Die Opposition hat natürlich die Möglichkeit, draußen ab morgen zu sagen: Ich hätte das natürlich alles besser gemacht.

(Zuruf von der LINKEN: Nicht erst ab morgen!)

- Ja, Sie werden es mir heute schon sagen, ich weiß; aber ich wollte wenigstens die Hoffnung nicht aufgeben, dass es erst irgendwann passiert.

Die Koalitionsfraktionen, die Kolleginnen und Kollegen in den Wahlkreisen werden natürlich sagen: Ich stehe in der Verantwortung und hätte mir auch manches anders gewünscht. Aber sie tragen natürlich die Verantwortung. Deswegen Dank für die teilweise nicht einfachen Gespräche; aber ich glaube, wir haben am Ende einen sehr guten Kompromiss gefunden.

Hier sage ich gerade den beiden Sprechern, Krimhild und Kay, Dank. Wir haben uns in den Strukturen, in den Fraktionen als Parlament mit verschiedenen Forderungen neu gefunden. Auch das hat, glaube ich, reibungslos geklappt und ist eine gute Basis für die nächsten Jahre.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Insgesamt, glaube ich, ist das Parlament der Verantwortung gerecht geworden, dass wir, wo in Europa andere Länder ums nackte Überleben kämpfen - das ist jetzt keine Dramatisierung -, die Chancen nutzen, sicherlich das aufzeigen, was noch besser werden muss - auch in der jetzigen Regierung, auch bei diesem Finanzminister hier -, es aber zustande bringen, Rahmenbedingungen zu setzen, die unserem Land Entwicklungspotenziale geben.

Es ist auch unsere Aufgabe, dass das Ganze jetzt nicht miesepetrig nach außen getragen wird. Ich habe auch gelesen, dass dieser Haushalt gar keine Politik zulässt. Ich staune immer: Wir haben 10 Milliarden € im Haushalt. Jede Entscheidung ist hochpolitisch. Nutzen wir also diese Möglichkeiten.

Ich weiß - dieser Satz ist mir immer wieder gesagt worden, er stimmt sogar -: Finanzpolitik ist kein Selbstzweck, sondern Basis für Politik, die wir machen wollen. Wenn es uns gelingt, dass die Menschen, die das von außen begleiten und betrachten, die Gewissheit haben, dass es sich lohnt, in Sachsen-Anhalt zu bleiben, hier zu arbeiten oder hierher zu kommen, und andere von außen das gut bewerten, dann hat sich die Arbeit gelohnt und wir können da weitermachen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke schön, Herr Finanzminister. Er spart sogar Redezeit.

(Minister Herr Bullerjahn: Die sparen wir immer!)

Ich eröffne somit die Generaldebatte zum Haushaltsplan. Wir beginnen mit dem Einzelplan 02 - Staatskanzlei -, wo traditionsgemäß die Generalaussprache geführt wird. Als Erster hat der Oppositionsführer, Herr Fraktionsvorsitzender Gallert das Wort.

Während er nach vorn kommt, dürfen wir Gäste begrüßen, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule an der Kastanienallee in Halle sowie Schülerinnen und Schüler des Luther-MelanchthonGymnasiums in Wittenberg. Willkommen im Hause!

(Beifall im ganzen Hause)

Sie verfolgen gerade die Aussprache zu einem Thema, an deren Ende die Abstimmung über einen Betrag von rund 10 Milliarden € steht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verbessere ungern den Präsidenten, aber es ist sogar noch schlimmer: Wir stimmen sogar über 20 Milliarden € ab, weil wir einen Doppelhaushalt haben.

Wir haben in der öffentlichen Debatte in den letzten Monaten ohnehin erlebt: Ab der Milliardengrenze interessieren schon fast die Dezimalstellen nicht mehr. Da ist der Faktor 2 auch kaum noch wichtig. Ich wollte bloß noch einmal darauf aufmerksam machen: Falls jemand den Eindruck haben sollte, wir würden heute nur über ein Jahr abstimmen, ist das falsch; wir stimmen tatsächlich über zwei Jahre ab. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke doch, dass das jedem hier bewusst ist.

Ich habe auch überlegt: Wie kann man am Ende dieser sehr umfangreichen Debatte eine Gesamtbewertung vornehmen? - Da haben wir schon die Situation, dass man am Anfang noch einmal auf die globalen Rahmenbedingungen eingehen könnte. Aber da sage ich ausdrücklich: Das haben wir im Oktober 2011 ausführlich getan. Die globalen Rahmenbedingungen haben für uns an diesem Tag nur an einer Stelle noch einmal eine Bedeutung, und zwar wenn es darum geht zu überlegen: Ist es überhaupt sinnvoll, heute einen Haushaltsplan für 2013 zu beschließen? - Ich sage ganz eindeutig, es ist eigentlich nicht sinnvoll, komme aber später noch dazu.

Ich will zu den Einwendungen, die Kollege Bullerjahn hier am Anfang gemacht hat, nur eines sagen: Es ist eben falsch. Ich glaube, es ist wichtig,

die Dinge noch einmal festzustellen. Ein Land wie Spanien, das tatsächlich in einem erdrutschartigen Prozess seine alte Regierung verloren und eine neue bekommen hat, hat eine niedrigere Staatsverschuldung als die Bundesrepublik Deutschland.

(Zuruf von Herrn Minister Bullerjahn)

Im Verhältnis zur eigenen Wirtschaftskraft, zum eigenen Bruttoinlandsprodukt ist Spanien deutlich niedriger verschuldet als Deutschland. Andere Länder, wie Irland, haben nicht etwa deshalb so hohe Schulden, weil sie so viel ausgegeben hätten, sondern diese Länder sind in die Schuldenfalle geraten, weil sie auf einmal für private Zocker, für Fonds und Banken geradestehen mussten und dadurch den Ruin der öffentlichen Haushalte erlebt haben. Das muss man voranstellen, wenn man über diese Dinge spricht.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen wollen wir in diese Debatte auch andere Ansätze einbringen.

Nun kommen wir einmal zu den Dingen und sagen: Was haben wir heute vor? - Wir haben eine neue Regierung in dieser Legislaturperiode, und die hat gesagt: In Ordnung, wir fangen diese Legislaturperiode nach einem Dreivierteljahr Anlaufzeit gleich mal mit einem Doppelhaushalt an.

Wozu braucht man den Doppelhaushalt? - Na klar, wenn man große neue Projekte hat, diese in einer solchen Legislaturperiode relativ schnell umsetzen will, macht sich das gut über einen Doppelhaushalt. Wir haben bloß folgendes Problem: Diese großen politischen Projekte der Koalition sind nicht zu erkennen. Sie waren schon in der Koalitionsvereinbarung nicht wirklich zu erkennen, und dies setzt sich jetzt in dieser Unklarheit auch in diesem Haushalt fort.

Jawohl, dieser Haushalt ist der Haushalt der ausgefallenen Entscheidungen der Koalition, und deswegen fehlen die politischen Projekte hier.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Wir haben einen Doppelhaushalt, wissen aber nicht, wie die Kommunalfinanzen im nächsten Jahr gestaltet sind. Wir haben einen Doppelhaushalt, in dem eines der zentralen politischen Projekte dieser Landesregierung, das Stark-III-Programm, enthalten sein soll, und wir sehen: Es ist enthalten, und zwar als ein Haufen von Nulltiteln.

Es gibt ein weiteres Projekt, das in diesen Zeitraum fällt, die Neuorientierung im Bereich der Kindertagesstätten, der Kinderförderung. Wir sehen, dass wir hier zwar einen Haushaltsansatz haben, wissen aber, dass wir keinerlei gesetzliche oder auch nur inhaltliche Untersetzungen haben.

Wir sehen also: All diese Schwerpunkte sind mit diesem Doppelhaushalt genauso ungeklärt geblie

ben wie mit der Koalitionsvereinbarung. Insofern spiegelt sich die Koalitionsvereinbarung hier.

Nun könnte man sagen: In Ordnung, wir haben eine neue Situation, wir können all diese Dinge nicht realisieren, weil die finanziellen Zwänge so extrem sind, dass wir es nicht hinkriegen. Eine solche Situation kann eintreten.

Wir sind uns aber alle einig, dass sie nicht eingetreten ist. Nein, dieser Haushalt ist kein Sparhaushalt. Im Gegensatz zu anderen erhebe ich in dieser Hinsicht keinen Vorwurf. Das Problem besteht nur darin: Weil er kein Sparhaushalt sein musste, hätte es die Gelegenheit gegeben, politische Projekte eindeutig zu untersetzen.

Und diese Gelegenheit haben Sie hier verpasst, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben schon nach dem Haushaltsplanentwurf 2012 mehr Geld zur Verfügung gehabt als im Haushaltsjahr 2011. Und dann kam die NovemberSteuerschätzung. Die hat uns tatsächlich ein bisschen was aufs Konto gebracht - minus 80, 90 Millionen € im Jahr 2012 und minus 128 Millionen € im Jahr 2013.

Aber welche Offenbarung: Zur gleichen Zeit stellte man im Finanzministerium fest, dass man die Zinsen stark senken könnte, und zwar noch stärker, als die Steuereinnahmen gesunken sind. Unter dem Strich haben wir am Ende noch mehr Geld zur Verfügung, und trotzdem ist es wieder nicht gelungen, diese politischen Schwerpunkte zu untersetzen.

Das ist unsere Kritik, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nicht dass Sie zu wenig gespart hätten, nein, Sie haben Ihre politischen Schwerpunkte nicht untersetzen können. Das ist das Problem.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Wir haben außer diesem Problem im Inhaltlichen auch eines genereller Natur, und zwar das Problem: Haben wir hier wirklich einen Doppelhaushalt, oder haben wir einen Haushalt für 2012 und einen Haushaltsvorschlag für 2013 unter der Überschrift: Könnte so kommen - oder auch nicht?

Wir wissen also nicht, was wir im Jahr 2013 an Kommunalfinanzen ausgeben werden. Wir wissen nicht, wie Stark III im Jahr 2013 aussieht. Wir wissen nicht, was wir für die Kinderbetreuung ausgeben. Wir wissen nicht, was sich in der Schule verändern wird. All das wissen wir nicht, und dann wissen wir zwei weitere Dinge nicht: Wir wissen nicht, wie sich die Steuereinnahmen im Jahr 2013 real entwickeln werden.

(Minister Herr Bullerjahn: Das wissen wir nie!)

Da haben wir einen interessanten Prozess hinter uns. Da haben wir eine Mai-Steuerschätzung. Die

ist durch den Finanzminister in der Vorplanung korrigiert worden. Er hat gesagt: Da liegen wir deutlich drüber mit dem, was wir 2012/2013 einnehmen werden. - Dann kam eine NovemberSteuerschätzung vom Steuerschätzerkreis. Die haben gesagt: Ja, wir liegen höher als im Mai, aber natürlich nicht so hoch, wie das Finanzministerium gesagt hat. - Dann sind die Dinge heruntergenommen worden.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir können darüber reden, wie wir wollen: Niemand kann heute einigermaßen seriös sagen, welche von diesen Prognosen oder ob irgendeine x-beliebige andere Prognose für 2013 wirklich die Grundlage ist. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten Entwicklungen haben können, die uns nach vorn bringen werden. Es kann allerdings auch Entwicklungen geben, die uns ruck-zuck 200, 300, 400 Millionen € kosten werden.