Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Mit den 30 Millionen € bekommt man keine qualitative Verbesserung hin. - Egal, es bleibt bei 30 Millionen €. Damit ist die qualitative Verbesserung gestrichen.
Im Grunde genommen passiert jetzt genau das, was absehbar war: Liebe Kollegen der Koalition, vor allen Dingen der SPD, es wird jetzt eine Debatte von einer Partei geben, die zwar diese Koalitionsvereinbarung unterschrieben hat, aber sie erstens anders interpretiert oder sich zweitens nicht mehr daran erinnert. Die Kollegen der CDU wollten die Ganztagsbetreuung nie. Das war ohnehin eigentlich nicht ihr Ziel.
Wir werden eine öffentliche Debatte bekommen. Da wird gesagt werden: Ja, wir brauchen doch das Geld unbedingt für die qualitative Verbesserung, auch für die Arbeitsbedingungen vor Ort. Lasst uns das Geld doch lieber dafür nehmen. Lasst uns doch dafür auf die Ganztagsbetreuung verzichten.
Wissen Sie, die politischen Erfahrungen mit den Kollegen der SPD in den letzten Jahren sagen mir, wie das weitergehen wird. Irgendwann wird man sagen: Na ja, vielleicht doch nicht so, im Grunde genommen wird es mehr oder weniger wohl darauf hinauslaufen... Dann wird man sich von der Ganztagsbetreuung für alle Kinder verabschieden, teilweise oder gänzlich.
Wissen Sie, unser Problem ist nicht, ob die CDU die SPD oder die SPD die CDU vorführt, unser Problem ist, dass die Verlierer dieses Prozesses die Kinder in diesem Land sein werden. Das ist die Schwierigkeit.
(Starker Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU und bei der SPD - Zurufe von der CDU: So ein Schwachsinn! - Was soll denn das?)
Die Situation ist noch ein bisschen komplizierter, weil wir die Frage ja nicht nur innerhalb der Koalition von SPD und CDU, sondern auch noch an den Ressortgrenzen haben. Wir sehen, dass der Kultusminister, der eigentlich derjenige wäre, der das elementarste Interesse daran hat, dass die Bildungseinrichtung Kindergarten qualitativ gut funktioniert, offensichtlich sagt: Nein, das interessiert mich nicht.
Dazu sage ich noch einmal ausdrücklich: Das ist falsch. Ich meine, wenn es den Finanzminister schon nicht interessiert - nun gut. Aber der Kultusminister müsste doch wenigstens ein Interesse daran haben, dass die, die bei ihm in die Schule kommen, die besten Voraussetzungen haben.
An dieser Stelle, glaube ich, müssen wir einen Grundsatzfehler der 90er-Jahre korrigieren. Der Schulhort, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört wieder in die Schule. Das ist das Problem. Das müssen wir jetzt angehen.
(Beifall bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU - Frau Weiß, CDU: Was soll denn das? So ein Quatsch! - Zuruf von Frau Brake- busch, CDU)
Diese Entscheidung der 90er-Jahre war eine strukturelle Fehlentscheidung, die wir damals toleriert haben, die die CDU allerdings auch nicht angegriffen hat
Alle Fraktionen - ich meine, wenn ich die Wahlprogramme noch ernst nehmen darf; das weiß ich ja nicht; man kriegt ja immer Kritik, wenn man die ernst nimmt -
haben die Ganztagsschule gefordert. Derjenige, der die Ganztagsschule fordert, sagt: Den Hort zurück in die Schule. Das ist doch klar. Das ist doch logisch.
Nächstes Problem. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind gerade in den letzten Wochen wieder Zeuge davon geworden, dass wir ein substanzielles Problem in dieser Gesellschaft haben. Das ist die Auseinandersetzung mit den Feinden der Demokratie.
Das Problem hat eine Dimension erreicht, die uns in den letzten Wochen mit drastischen Dingen vor Augen geführt wurde, die aber im Grunde genommen nicht wirklich neu ist. Ich meine dabei nicht so sehr den Aufmarsch der Nazis hier in Magdeburg. Ich meine auch nicht so sehr die Anschläge auf Wahlkreisbüros vor allen Dingen von Mitgliedern meiner Fraktion.
Ich meine folgendes Problem, das wir in Insel und Dessau gesehen haben: dass nämlich vermeintlich ganz normale Bürger überhaupt kein Problem damit haben, gemeinsam mit Nazis auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Das ist das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen, das uns drastisch vor Augen geführt worden ist.
(Herr Kolze, CDU: Dann wissen Sie auch, dass die Leute, die diesen Blödsinn dort ausgerufen haben, dort ausgegrenzt worden sind, und zwar von den vernünftigen Des- sauern! - Frau Bull, DIE LINKE: Dazu sagen Sie jetzt aber was! - Frau Lüddemann, GRÜNE: Das sehe ich aber nicht!)
- Also da, sage ich mal, sind die Dinge, die mir berichtet worden sind, tatsächlich anderer Natur. Wir werden am nächsten Sonnabend sehen, wie die Dinge laufen. Aber in Insel liefen sie anders. Das wissen wir doch alle. Die Mitte der Gesellschaft ist nicht mehr immun gegen die Nazis. Das ist unser Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der LINKEN: Richtig! - Zuruf von der CDU: Das stimmt! - Zurufe von Frau Brakebusch, CDU, und von Herrn Borgwardt, CDU)
Dazu sage ich: Das, was in Magdeburg mit Angriffen auf die Polizei passiert ist, und das, was vermutlich aus derselben Ecke - das wissen wir nicht genau - jetzt in Dessau passiert ist, ist natürlich genauso zu verurteilen.
Wissen Sie, worin der Unterschied besteht? - Mit den Nazis gibt es eine Solidarisierung aus der Bevölkerung, bei den anderen Geschichten gibt es eine Solidarisierung nicht. Das ist der strukturelle Unterschied bei diesen Dingen.
Nun sage ich auch: Wir werden es mit dieser 1 Million € nicht schaffen, diesen Kampf um Demokratie zu gewinnen. Aber wir können mit dieser 1 Million €, die wir da beantragen, eines machen:
Wir können denjenigen, die in unmittelbarer Konfrontation mit den Feinden der Demokratie stehen, die Unterstützung geben, die sie brauchen, damit sie sich nicht ein halbes Jahr lang darüber Gedanken machen müssen, ob sie die Stelle noch im nächsten Jahr haben, sondern sich auf diese gefährliche Arbeit, die ihre Sicherheit infrage stellt, konzentrieren können. Das ist unser Beitrag. Deswegen beantragen wir das.
Es gibt eine Reihe von anderen Problemen, die ich in dieser Ausführlichkeit leider nicht mehr darstellen kann. Aber wir wissen, dass es bei Haushaltsansätzen bestimmte Prozesse, schleichende Erosionen gibt. Sie kommen zwar nicht zu einem großen Knall, aber sie demontieren ein Stück weit die Basis.
Ganz schwierig ist die Situation im Bereich der Erwachsenenbildung, zum Teil auch im Bereich der Hochschulfinanzierung. Natürlich kann sich die Landesregierung hinstellen und über die Wichtigkeit lebenslangen Lernens diskutieren. Aber schauen Sie sich einmal die Entwicklung im Bereich der Erwachsenenbildung an. Wie sieht es denn da aus? Das konterkariert vollständig diese Position.
Wir können auch gern lange darüber diskutieren, wie wichtig es ist, qualifizierte Fachkräfte bei uns im Land zu behalten. Aber schauen Sie sich einmal an, wie sich unter den derzeitigen Bedingungen der Hochschulfinanzierung die Arbeitsverhältnisse dort entwickelt haben: Kurzzeitarbeitsverträge, Honorarkräfte, im Grunde genommen eine große Ausbreitung prekärer Arbeitsverhältnisse im Bereich des hochqualifizierten Personals der Hochschulen. Auch das sagt viel über die Ernsthaftigkeit solcher Ansätze aus, hochqualifizierte Fachkräfte hierzubehalten.
Deswegen finden wir es besonders traurig, dass es zum Beispiel nicht gelungen ist, Mittel aus dem Einzelplan 08 für die anwendungsnahe Forschung in den Hochschulen bereitzustellen.
Es gab eine große Debatte darüber, warum man Wissenschaft und Wirtschaft in einem Ministerium konzentriert. Es hieß, man hätte durchfließende Möglichkeiten, Mittel in dem einen und in dem anderen Bereich zu verwenden. Wir haben dann zum Beispiel beantragt, die KATs in der anwendungsnahen Forschung im Hochschulbereich aus dem Einzelplan 08 zu finanzieren. - Geht nicht, Einzelplangrenze, funktioniert nicht. Scheuklappe. Deshalb sage ich: Auch in diesem Fall eine falsche politische Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.