Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Ich will auch nicht verschweigen, dass es hierbei keiner großen Überzeugungsarbeit bedurfte. Gemeinsam mit meiner Kollegin Krimhild Niestädt - der Finanzminister hat es bereits erwähnt - haben wir genau diese Verwendung zusätzlicher Spielräume mit ihm vereinbart.

Es wäre allerdings verfrüht, sich selbstzufrieden zurückzulehnen. Darin stimme ich vielen, die das so einschätzen, ausdrücklich zu. Erst ab einem Tilgungsbetrag von deutlich mehr als 200 Millionen € beginnt die Pro-Kopf-Verschuldung in SachsenAnhalt zu sinken. Beinahe 10 000 € Schulden lasten derzeit auf jedem Einwohner in Sachsen-Anhalt - Tendenz steigend. Das ist beinahe dreimal so hoch wie in Sachsen, letzter Platz unter den ostdeutschen Ländern. Das kann uns nicht zufriedenstellen, und mit Blick auf das Jahr 2020 müssen wir über Tilgungsbeträge in Höhe von 300 Millionen € und mehr nachdenken.

Verantwortungsvolle Haushaltspolitik muss über Legislaturperioden hinaus denken. Unsere Fraktion möchte, dass auch die uns nachfolgenden Generationen noch Handlungsspielräume und eine Zukunft in Sachsen-Anhalt haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es dem einen oder anderen hier im Hause nochmals ins Gedächtnis zu rufen: Wir haben dieses Geld zum größten Teil nicht verdient. Wir sind lediglich dessen Treuhänder. Es ist unsere Pflicht, verantwortungsvoll zu handeln und auf Dauer nur das Geld auszugeben, das uns durch eigene Einnahmen zur Verfügung steht.

Zu den Einnahmen. Bei den Einnahmen kommt der überwiegende Teil der Gelder aus Steuern, Bundesergänzungszuweisungen und dem Länderfinanzausgleich. Für all jene, die über zusätzliche konsumtive Ausgaben in der Zukunft nachdenken, will ich an dieser Stelle eines deutlich sagen: Aus der mittelfristigen Finanzplanung geht hervor, dass wir in den Folgejahren ein kontinuierlich sinkendes Haushaltsvolumen haben werden. Darauf müssen sich alle Beteiligten einstellen.

Um bis zum Jahr 2020 die finanzielle Selbständigkeit zu erreichen, müssen wir in unseren Konsolidierungsbemühungen noch wesentlich ehrgeiziger werden. Es ist ansonsten rechnerisch völlig unmöglich, dass Sachsen-Anhalt am Ende der Dekade mit den dann noch zur Verfügung stehenden Mitteln wirtschaften kann.

Der Anfang ist gemacht. Nun gilt es diesen Weg konsequent fortzusetzen. Dazu gehört es auch, ehrlich mit dem umzugehen, was uns zukünftig erwartet. In vielen Bereichen werden wir nur noch deutlich kleinere Brötchen backen können. Es hilft auch wenig, bei diesem Thema reflexartig von einem sozialen Kahlschlag und sozialer Kälte zu reden. Auch Solidarität muss bezahlbar bleiben und darf nicht über neue Schulden finanziert werden.

Im Übrigen reden wir an dieser Stelle nicht nur über Einsparungen an einzelnen Stellen, sondern über Einsparungen in allen Bereichen. Auch bei den Investitionen werden viele Projekte langsamer angegangen werden müssen, als es bisher der Fall war.

Die Zeiten von Höchstfördersätzen neigen sich ebenfalls dem Ende zu. Wir werden in vielen Bereichen auf Darlehensprogramme und revolvierende Fondlösungen umstellen müssen, um mit dem wenigen Geld noch gestalten zu können. Erste Ansätze im Bereich der Wohnungsbauförderung gibt es bereits. Das ist der richtige Weg. An dieser Stelle müssen wir noch eine Kohle nachlegen.

Die Auflösung der Zukunftsstiftung sehen wir vor diesem Hintergrund durchaus kritisch. So sinnvoll die Bindung von Drittmitteln mit dem Erlös auch sein mag, gerade hinter dieser Idee verbarg sich nach unserer Auffassung eine grundsätzlich rich

tige Strategie. Den Verzehr von Landesvermögen durch nicht rückzahlbare Zuschüsse müssen wir genau durch solche neuen Wege in der Förderpolitik zukünftig aufhalten.

Mit Blick auf die Idee, den Altlastensanierungsfonds aufzulösen, muss man sagen, dass genau das nicht der Weg sein kann. Einmalige Einnahmen für dauerhafte Aufgaben zu nutzen, ist finanzpolitisch noch nie gut gegangen. Wir müssen immer darüber nachdenken, dass wir Daueraufgaben mit Dauereinnahmen finanzieren.

Insofern konsolidiert man einen Haushalt auch nicht dadurch, dass man das Tafelsilber verscherbelt, sondern man konsolidiert einen Haushalt, indem man strukturelle Veränderungen vornimmt, nachsteuert und die Einnahmenseite der Ausgabenseite anpasst und beides im Zusammenhang sieht.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein wesentlicher Grund für die sinkenden Einnahmen in den folgenden Jahren ist die demografische Entwicklung in Sachsen-Anhalt. Nein, man muss sagen, die demografische Entwicklung in der gesamten Republik. Erst vor kurzem hat Professor Heinsohn beim Neujahrsempfang der IHK die Folgen der Demografie in seinem Vortrag beleuchtet. Der Begriff „besorgniserregend“ beschreibt die Situation wohl noch am besten, ohne die Folgen zu sehr zu dramatisieren.

Was bleibt, ist die Tatsache, dass uns bereits heute die sinkende Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt einen jährlichen Verlust an Steuerkraft in Höhe von 60 Millionen € beschert. Hinzu kommen die Folgen einer älter werdenden Bevölkerung, bei der sich das Verhältnis von Leistungserbringern und Leistungsnehmern immer weiter verschieben wird.

Es ist gut und richtig, dass wir vor diesem Hintergrund Sachsen-Anhalt zum familienfreundlichsten Bundesland machen wollen und das auch im Haushalt deutlich machen. Ohne deutliche Einsparungen kann diese Entwicklung dennoch objektiv nicht bewältigt werden.

Über den Länderfinanzausgleich haben wir einwohnerbezogen ebenfalls weniger Einnahmen; denn jeder Einwohner weniger bedeutet weniger Geld in der Landeskasse.

Ein weiterer Punkt der rückläufigen Einnahmen ist der abschmelzende Solidarpakt. Auch wenn es schon häufig angesprochen wurde - ich habe gelegentlich den Eindruck, das ist nicht jedem klar -: Wir verlieren bis zum Jahr 2019 jedes Jahr 120 Millionen €, bis wir dann aus diesem Bereich überhaupt kein Geld mehr bekommen. Im Jahr 2020 müssen wir dann so weit sein, dass die finanzielle Selbständigkeit Sachsen-Anhalts sichergestellt werden kann.

Die jährlichen Kürzungen liegen, wie bereits gesagt, im dreistelligen Millionenbereich. Wenn man dann noch die Kürzungen berücksichtigt, die durch abnehmende Mittel aus der EU bedingt sind, die uns in der neuen Förderperiode mit Sicherheit erwarten werden, dann hat man eine ungefähre Vorstellung davon, vor welchen Herausforderungen wir finanzpolitisch in der Zukunft stehen.

Die Ausgaben den sinkenden Einnahmen anzupassen wird uns in den kommenden Haushaltsberatungen vor deutlich größere Probleme stellen. Ich befürchte, uns als Haushaltsgesetzgeber steht noch einiges bevor, und so einfach wie in diesen Haushaltsberatungen wird es nicht noch einmal werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei den Ausgaben gibt es drei große Blöcke: Personalkosten, Kommunalfinanzen und die Zuweisungen an die einzelnen Ressorts.

Die Personalkosten sind und bleiben der größte Kostenblock. Das Thema Personalabbau wird allein schon deshalb ein Dauerbrenner bleiben. Rund 3 200 der ca. 54 000 Stellen sollen bis zum Jahr 2013 abgebaut werden, um dem angestrebten Ziel 19 Mitarbeiter auf 1 000 Einwohner näher zu kommen. Trotz der sinkenden Zahl von Landesbediensteten sehen wir uns dennoch mit steigenden Pensionskosten und tarifbedingten Steigerungen der Personalkosten konfrontiert.

Mit dem Pensionsfonds verfügen wir über ein geeignetes Instrument, den Landeshaushalt an dieser Stelle zumindest teilweise zu entlasten. Wie weit man das treiben kann, haben die Sachsen gezeigt. Die haben es in Jahresscheiben abgelöst und schaffen es derzeit, dass komplette Jahrgänge allein aus dem Pensionsfonds bedient werden und nicht mehr den Landeshaushalt belasten. Es muss auch für uns der Weg sein, dass man den Pensionsfonds in Zukunft nicht nur nach Kassenlage, sondern kontinuierlich bestückt.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Dass gerade diese Vorsorgeelemente im Doppelhaushalt einen wesentlichen Schwerpunkt darstellen, finden wir außerordentlich richtig. Wir werden den Finanzminister mit Sicherheit dabei unterstützen, in der Zukunft ähnliche Vorsorgeelemente einzubauen.

(Zustimmung bei der CDU)

Neue Haushaltsrisiken drohen aufgrund des jüngsten Urteils des Verwaltungsgerichtes in Halle in Sachen Beamtenbesoldung und Lebensaltersregelung. An dieser Stelle bleibt abzuwarten, ob ein Berufungsverfahren am Oberverwaltungsgericht zugelassen wird, und vor allem, wie es dann ausgeht. Anlass und Inhalt des aktuellen Urteils sind in großen Teilen der Bevölkerung schwer zu kommunizieren. Ich gebe zu: Mir geht es ähnlich.

Ungeachtet dieser Frage wird das Thema Personalentwicklung neben dem FAG für meine Arbeitsgruppe in diesem Jahr ein Schwerpunktthema sein.

Mit ca. 1,5 Milliarden € im Jahr 2012 stellt das Land den Kommunen mit dem zweiten großen Ausgabeblock in etwa die gleiche Finanzausstattung wie im Vorjahr zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, es nützt nichts, wenn man immer wieder behauptet, dass es für die Kommunen und die kommunale Familie ein Ding der Unmöglichkeit wäre, mit diesem Geld auszukommen.

(Zustimmung von Minister Herrn Bullerjahn)

Ich bin dem Oberbürgermeister unserer Landeshauptstadt Magdeburg außerordentlich dankbar, dass er pünktlich am Tag vor der Debatte einen städtischen Haushalt präsentieren kann, der ohne neue Schulden auskommt.

Also, ich muss sagen, wenn es an dieser Stelle gelingt, dann sollte man das zum Vorbild für andere Kommunen und kreisangehörige Gemeinden machen. In Magdeburg ist nachgewiesen worden, dass auch in diesen Zeiten bei weniger werdenden Mitteln mithilfe einer seriösen Finanzpolitik ausgeglichene Haushalte aufgestellt werden können.

(Zustimmung von Herrn Schwenke, CDU)

Ich habe wenig darüber gelesen, dass in Magdeburg der Untergang des Abendlandes drohte und dass im kulturellen und sozialen Bereich nichts mehr passieren könnte.

Das sind Legenden. Das sollten wir uns nicht antun. Vielmehr sollten wir darauf hinwirken, die Konsolidierung der Kommunalfinanzen und die Leistungsfähigkeit des Landeshaushalts miteinander in Einklang zu bringen und für eine den Aufgaben angemessene Finanzausstattung der kommunalen Familie zu sorgen.

Wir haben mehrfach, auch durch unseren letzten Entschließungsantrag, deutlich gemacht, wie wichtig uns dieses Thema ist. Ich kann Ihnen versichern: Uns muss niemand erklären, wie die Situation in den Kommunen und in den Landkreisen ist. Die meisten meiner Fraktionskollegen sitzen in kommunalen Gremien und sind kommunalpolitisch aktiv; sie wissen das ganz genau.

Insofern können Sie völlig ohne Sorge sein: Die Novelle zum FAG wird ganz klar die Handschrift der Regierungskoalition tragen. Es wird eine gute Novelle werden. Wir werden im Jahr 2013 die Grundlage dafür geschaffen haben, dass Kommunen dauerhaft die Möglichkeit haben, zu investieren und ihre Aufgaben zu erledigen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

In dem dritten Ausgabenblock sind für die Aufgaben in den einzelnen Ressorts Mittel in Höhe von insgesamt rund 2 Milliarden € vorgesehen. Wenn ich mich an den ersten Eckwerteentwurf erinnere, dann fallen mir drastische Kürzungen im investiven Bereich und der Verzicht auf Drittmittel in erheblichem Umfang ein.

In zähen Verhandlungen mit dem Finanzminister konnten wir die Ansätze insbesondere im investiven Bereich deutlich verbessern. Dass auch meine Fraktion ausgabenerhöhende Vorschläge gemacht hat, gebe ich an dieser Stelle gern zu.

Eine kluge Investitions- und Wirtschaftspolitik wirkt langfristig stabilisierend auf der Einnahmenseite. Über gute Steuereinnahmen kann das Land am wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen teilhaben.

Mit den Ansätzen in dem uns vorliegenden Entwurf können alle Drittmittel gebunden werden. Damit sind die Weichen für ein anhaltend hohes Investitionsniveau gestellt worden. Im Übrigen ist das auch genau so im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Das war unser gemeinsamer Wille.

Der Haushalt enthält darüber hinaus verschiedene Vorsorgeelemente - ich erwähnte es bereits -: Steuerschwankungsreserve und Pensionsfonds.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, das sind, wie Sie sich sicherlich erinnern, genau die Dinge, die Sie nicht wollten und gegen die Sie immer gestimmt haben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ja! Dazu stehen wir!)

Wie schreiben Risikovorsorge für die Zukunft groß. Die finanzpolitischen Risiken in Europa - darin sind wir uns ausnahmsweise einig - sind noch längst nicht vom Tisch. Wir sind gut beraten, für schlechtere Zeiten vorzusorgen.

Die Eckwerte haben nicht zuletzt aufgrund von Steuermehreinahmen eine Entwicklung erfahren, die wir sehr begrüßen. Auch die investiven Bereiche sind angemessen ausgestattet. An dieser Stelle darf man als regierungstragende Koalition auch einmal selbstbewusst sagen, dass wir den Regierungsentwurf deutlich verbessert haben, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Im Lichte meiner Anmerkungen zu den künftigen finanziellen Spielräumen muss dieses Geld besonders nachhaltig und verantwortungsvoll verwendet werden.