Protokoll der Sitzung vom 20.01.2012

Herr Grünert, wir teilen nicht die von Ihnen gewählte Herangehensweise. Sie bringen immer wieder zum Ausdruck, Sie wären Lobbyist der kommunalen Ebene und ausschließlich Sie würden deren Interessen vertreten.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist notwendig, dass wir an dieser Stelle darüber reden, was politisch möglich ist und was wir politisch und finanzpolitisch realisieren können. Darüber müssen wir an dieser Stelle reden.

Wir haben in der Debatte gesehen, dass mehr geht, als der Finanzminister ausgeführt hat. Aber es geht eben nicht alles. Man kann nicht einfach alle Bedürfnisse der Kommunen aufzählen und diese als Anforderungen in das Gesetz aufnehmen. Vielmehr beginnt Politik damit, dass wir uns darüber auseinandersetzen, welche Ausstattung der Kommunen erreicht werden kann und wie diese gerecht verteilt werden kann.

Ich möchte auf zwei vordringliche Themen eingehen, die wir meiner Meinung nach in Bezug auf den Finanzausgleich besprechen müssen. Es gibt vieles, was ich wichtig finde. Besonders wichtig ist es, dass wir uns über den Finanzbeitrag der wohlhabenden Kommunen, die wir im Land haben, unterhalten. Diese Kommunen werden bei der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse mitgezählt, tragen dann aber nicht zum Finanzausgleich bei. Das ist eine Situation, die so nicht beibehalten werden kann. An dieser Stelle brauchen wir eine neue Initiative, nachdem die Regelung, die es schon einmal gab, vor dem Verfassungsgericht gescheitert ist.

Es gibt eine zweite wichtige Fragestellung, um die wir uns kümmern müssen. Diese lautet: Wie können wir den hohen Stand an Kassenkrediten, den die Kommunen verzeichnen, reduzieren? Denn dieser hohe Stand an Kassenkrediten ist die Ursache dafür, dass die Kommunalaufsicht bei einer großen Zahl von Kommunen ständig mitredet und dass sich unsere kommunalen Vertreter ständig dadurch bevormundet fühlen, dass ihnen die Ver

waltungsebene sagt, wie sie ihren Haushalt zu gestalten haben.

Wir müssen sehen, wie wir hierfür in den nächsten Jahren eine Lösung erreichen. Ich sage es ausdrücklich: Es sind die Kassenkredite, es sind nicht die Schulden. Die Schulden der Kommunen - das haben wir in diesem Haus immer wieder festgestellt - sind nicht besonders hoch. Aber die Kassenkredite sehe ich als ein wirkliches Problem an, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die kommunale Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Ich habe gesagt, es ist ein wichtiges Thema. Ich glaube, wir können das sehr gut in den bestehenden Ausschüssen bearbeiten.

Gestern hatten wir alle die Gelegenheit zu loben, in welch konstruktiver Atmosphäre wir im Finanzausschuss gearbeitet haben. Das ging der „Volksstimme“ schon zu weit; das war ihr schon zu viel Gekuschel.

Ich möchte trotzdem sagen, dass ich mich auf die Arbeit im Finanzausschuss zu diesem Thema freue. Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss, dass sie auch eine solche Atmosphäre haben, in der sie sich darauf freuen können, dieses Thema intensiv zu bearbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Erdmenger. - Wir können nun Gäste im Haus begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Köthen als Gäste der Landeszentrale für politische Bildung sowie Damen und Herren des Landesjugendwerkes der Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt. Herzlich willkommen im Hause!

(Beifall im ganzen Hause)

Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD Herr Kollege Erben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich wäre eigentlich geneigt, auf all das zu erwidern, was Herr Grünert heute vorgetragen hat. Ich vermute, von seinen Vorwürfen würde anschließend nicht wirklich viel übrig bleiben. Hierzu reicht jedoch erstens meine Redezeit nicht aus. Zweitens hätte es auch - darauf möchte ich hinweisen - überhaupt nichts mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu tun; denn im Kern geht es darin um strukturelle Fragen.

Sie haben Recht: Das Jahr 2012 wird ein Jahr, in dem wir wesentliche Weichenstellungen für die

Kommunalfinanzen in Sachsen-Anhalt vornehmen wollen. Das ist auch eine Folge dessen, was wir im letzten Jahr getan haben. Wir haben uns nämlich in diesem Haus dazu entschieden, die Fortführung des Finanzausgleichsgesetzes auf ein Jahr zu beschränken und dann eine längerfristige Lösung zu schaffen.

Kollege Barthel hat es eben betont: Wir als Landtag haben sehr wohl eine Menge an Leitplanken für die Landesregierung bei der Erarbeitung des neuen Finanzausgleichsgesetzes für das Jahr 2013 und die Folgejahre gesetzt. Ich möchte einige wenige Punkte nennen.

Natürlich sagen wir: Es darf nicht sein, dass Kommunen, die sich um eine Konsolidierung bemühen, anschließend im Verhältnis 1 : 1 mit einem Abzug bestraft werden. Natürlich sagen wir auch: Ein angemessenes Ausgabeverhalten muss Bestandteil der Berechnung der Finanzausgleichmasse sein. Denn - darin sind wir uns sicherlich alle einig - nicht jede kommunale Aufgabe, koste sie, was sie wolle, ist per se gut, und manche führt letztlich dazu, dass wir Landesaufgaben schlechter ausfinanzieren können.

Für mich ist der Einstellungskorridor im Bereich der Polizei mindestens genauso wichtig wie die angemessene Ausstattung der Kommunen für freiwillige Aufgaben. Das dürfen wir an dieser Stelle nicht vergessen.

(Zustimmung bei der CDU)

Aus Ihrem Antrag, Herr Grünert, tropft die Sorge um den Einfluss des Landtages bei der Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes.

(Herr Grünert, DIE LINKE: Nicht zu theatra- lisch!)

Ich glaube, das seit wenigen Tagen geltende FAG hat absolut das Gegenteil bewiesen, nämlich dass der Landtag sehr wohl und sehr intensiv Einfluss auf die Ausgestaltung des Finanzausgleiches in Sachsen-Anhalt nimmt, und zwar sowohl strukturell als auch in Bezug auf die Beträge.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD und bei der CDU - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Deswegen habe ich absolut keine Sorge, dass das im Jahr 2012 bei der Beratung anders sein wird. Dazu brauchen wir keinen Unterausschuss. Vielmehr bin ich mir sicher, dass der Finanzausschuss Manns genug sein wird, das Ganze zu bewältigen.

Im Übrigen habe ich auch Bedenken, rund jeden fünften Euro des Landeshaushaltes in einen Unterausschuss auszulagern; denn das würde es bedeuten, wenn wir das Finanzausgleichsgesetz an einen Unterausschuss FAG delegieren würden. Das ist der falsche Weg. Der Finanzausschuss,

der die Verantwortung trägt, soll das auch zukünftig federführend tun.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Der Fahrplan für das neue FAG steht. Die Landesregierung erwartet bis zum Ende des ersten Quartals die Ergebnisse des Gutachtens. Unsere Erwartungen sind nicht geringer. Wir erwarten noch vor dem Sommer einen Gesetzentwurf der Landesregierung, um dann im zweiten Halbjahr 2012 als Gesetzgeber die Weichen stellen zu können.

Unser Ziel ist es - das sehe ich auch als einen Anspruch, den dieses Haus haben sollte -, dass wir mehr Planungssicherheit für die Kommunen schaffen und dass wir eine langfristig tragfähige Lösung erarbeiten. Deswegen biete ich insbesondere den Oppositionsfraktionen an, sich sehr intensiv in diesen Prozess einzubringen. Wir werden sehen, ob unsere Thüringer Kollegen, die das gegenwärtig versuchen, es schaffen, das bis auf das Jahr 2019 auszudehnen. Ich bin zugegebenermaßen etwas skeptisch. Aber wir sollten uns dem gleichen Anspruch stellen, im Interesse unserer Kommunen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. - Als Letzter in der Debatte spricht für die antragstellende Fraktion der Abgeordnete Herr Grünert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass der Finanzminister inhaltlich auf die Fragen eingeht und nicht mit billiger Polemik antwortet.

(Zustimmung bei der LINKEN - Frau Nie- städt, SPD: Das waren Argumente, die Sie nicht akzeptieren!)

Ich finde das auch nicht angenehm für die Art und Weise des Umgangs in diesem Haus. Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass wir die Heilsbringer für die kommunale Finanzfamilie sind und dass wir alle Lösungen parat haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass es uns wichtig ist, dass das Parlament, und zwar in Form eines Unterausschusses, diesen Prozess begleitet - eben in dem Wissen darum, wie die Grundsätzegesetze gerade für den kommunalen Bereich bisher in den zuständigen Fachausschüssen behandelt worden sind.

(Frau Niestädt, SPD: Nämlich gut!)

Ich habe vorhin gehört, dass die Angemessenheit der Aufgabenfinanzierung in Anbetracht der geringer werdenden Mittel entsprechend zu redigieren ist. Die Landesverfassung sagt klipp und klar: Es gibt ein Konnexitätsprinzip. Wenn den Kommunen

Aufgaben übertragen werden, dann müssen sie angemessen finanziert werden.

Wenn also aufgrund der finanziellen Situation des Landes weniger Geld zur Verfügung steht, dann ergeben sich zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit besteht darin, dass die Kommunen ihre Einnahmen erhöhen; dann kann eine Gegenfinanzierung erfolgen. Das ist logisch und notwendig. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass man durch Aufgabenkritik oder Aufgabenverzicht eine kostenminimierende Wirkung erzielen kann.

(Zuruf von Frau Niestädt, SPD)

- Frau Niestädt, an diesem Thema sind wir doch schon seit Jahren dran. Wo ist denn die Funktionalreform? 108 Stellen hat sie uns eingebracht. 108 Stellen!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bitte Sie, selbst Herr Teufel hat bei der Kreisgebietsreform ganz andere Erfahrungen in seinem Land gemacht. Das ist der Punkt. Wenn wir sagen, wir haben weniger Geld, dann müssen wir uns dieser Aufgabe stellen.

Ich möchte ein weiteres Problem ansprechen. Sachbezogenheit und Angemessenheit sind maßgeblich im Innenausschuss darzustellen. Der Finanzausschuss hat dann die finanziellen Rahmenbedingungen zu prüfen und festzustellen, ob eine angemessene finanzielle Abgeltung erfolgt. Da sind zwei Schuhe eines Paares. Aber Sie können nicht herangehen nach dem Motto: Wir machen es im Finanzausschuss und dann fällt uns das andere schon ein. - Nein.

Gerade weil die Zeit knapp ist und weil wir gesagt haben, dass es uns wichtig ist, auch zu bestimmen, wo die Stolpersteine liegen und wie wir eine Angemessenheit abbilden können, halten wir den Unterausschuss für eine gute Möglichkeit. In diesem Gremium könnte man im Einzelfall auch die Fachpolitiker des Innenausschusses einbinden und zu einem Gesprächskreis kommen, der diesen Prozess betreut.

Wir können das auch im Rahmen einer Enquetekommission tun, aber das ist angesichts dessen, was wir eigentlich wollen, nämlich bis 1. Januar 2013 ein Finanzausgleichsgesetz zu gestalten, das zukunftsfähig ist, nicht praktikabel. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, dass die Einrichtung eines Unterausschusses eine Möglichkeit wäre, mit der beiden Fragen Rechnung getragen werden kann.

Ich möchte, dass endlich mit der Unterstellung aufgehört wird, wir würden lediglich Sprechblasen vortragen und könnten das nicht untersetzen. Mein Faktionsvorsitzender ist bereits darauf eingegangen. Wir haben mehrfach Vorschläge unterbreitet. Wir haben mehrfach, auch im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens, unsere

Vorstellungen unterbereitet. Glauben Sie mir: Wir stehen in einem genauso engen Kontakt mit den kommunalen Spitzenverbänden wie jede andere politische Kraft in diesem Hohen Haus.