Protokoll der Sitzung vom 20.01.2012

Vorstellungen unterbereitet. Glauben Sie mir: Wir stehen in einem genauso engen Kontakt mit den kommunalen Spitzenverbänden wie jede andere politische Kraft in diesem Hohen Haus.

Es ist fatal, wenn man sich hier hinstellt und sagt: Wir haben die Mehrheit im kommunalen Bereich, also haben wir die Wahrheit. - Nein. Wir haben vielmehr eine gemeinsame Verantwortung, nämlich für das Gemeinwesen. Dabei trägt die Fraktion DIE LINKE ebenso Verantwortung wie jede andere Fraktion im Haus.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem bei den Finanzen stellt sich wie folgt dar: Wenn wir das strukturelle Defizit nicht ausgleichen können, wenn wir diesbezüglich keine Lösungsansätze im gemeinsamen Ringen finden, dann wird es auch durch Stark IV oder Stark V oder welche Programme auch immer nicht gelingen, das Problem der finanziellen Verschuldung, der Kassenkredite, dauerhaft zu lösen. Das wird nicht funktionieren.

Deswegen stellt sich die Frage, wie wir dieses strukturelle Defizit tatsächlich in Angriff nehmen können. Ich hatte dazu einige Vorschläge gemacht; es wurden von uns Vorschläge unterbreitet. Sie sind gern eingeladen, diesen Kontext gemeinsam mit uns zu erörtern. Wir können das auch gemeinsam mit Ihnen erörtern. Es ist mir völlig egal, wer dabei den ersten Schritt macht, aber wir müssen uns endlich bewegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Eine letzte Bemerkung sei mir gestattet. Weil wir das Konnexitätsprinzip als Verfassungsgrundsatz formuliert haben, liegt es nicht im Ermessen von irgendjemandem und kann nicht immer wieder einmal in Abrede gestellt werden. Diese Fragen haben wir bei jedem Gesetzgebungsverfahren in den Kontext zu stellen.

Die Frage nach der Gesetzesfolgenabschätzung habe ich schon im Jahr 2002 gestellt; das können Sie mir glauben. Ich erlebe immer wieder, dass wir Gesetze verabschieden, bei denen wir diese Folgenabschätzung und die Darstellung der Kosten nicht ausreichend zum Inhalt unserer Auseinandersetzung machen.

Vielleicht gelingt es im Rahmen dieses Unterausschusses, für dessen Einrichtung ich noch einmal werben möchte, gerade diese Fragen viel stärker in den Kontext zu stellen, als dies bisher gelungen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Grünert. - Damit schließe ich die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir treten nun in das Abstimmungsverfah

ren ein. Einen Antrag auf Überweisung habe ich nicht vernommen. Deshalb stimmen wir über den Antrag in der Drs. 6/723 direkt ab.

Wer für den Antrag stimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die antragstellende Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind alle übrigen Fraktionen, soweit ich das sehen kann. Ich frage aber noch ab: Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Niemand. Damit hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit bekommen und ist abgelehnt worden. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich bitte kurz um Ihre Aufmerksamkeit. Bevor wir in den nach unserer Tagesordnung folgenden Tagesordnungspunkt eintreten, möchte ich sagen: Mir liegen zwei Anträge auf Abgabe von Erklärungen außerhalb der Tagesordnung nach § 68 der Geschäftsordnung vor. Das ist möglich. Ich würde die Erklärungen jetzt zulassen.

Herr Fraktionsvorsitzender Wulf Gallert möchte eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung zur Aktuellen Debatte um die Ausgestaltung der Kinderbetreuung abgeben und zum gleichen Thema auch die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Ich verweise auf den § 61 Absatz 1 der Geschäftsordnung, wonach den Fraktionsvorsitzenden jederzeit Gehör zu verschaffen ist. Ähnliches trifft auch für die Landesregierung zu. Das ist allerdings in der Verfassung geregelt.

Ich erteile nunmehr Herrn Fraktionsvorsitzenden Gallert das Wort.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern in der Haushaltsdebatte darüber gesprochen habe, dass die Aktuelle Debatte über die Finnzierung der Kinderbetreuung wahrscheinlich dazu führen wird, dass sich alle bisher erklärten Zielstellungen mehr oder weniger in Luft auflösen oder zumindest teilweise zurückgenommen werden, hatte ich, ehrlich gesagt, nicht gedacht, dass sich diese Prognose derart schnell erfüllen wird.

Gestern Abend haben wir über die verschiedenen Meldungen vor allem des Mitteldeutschen Rundfunks - heute Morgen kann man es in der „Mitteldeutschen Zeitung“ lesen - gehört, dass offensichtlich die Einführung des Ganztagsanspruchs für die Kinderbetreuung in dieser Legislaturperiode gestoppt wird.

Man kann sich das alles übrigens auch noch einmal anhören. Der Sozialminister hat ein Modell vorgestellt, über das er nun diskutieren will, mit dem die Ganztagsbetreuung für alle Kinder in Kindertagesstätten erst im Jahr 2017 erreicht sein soll.

Kurz danach gab es eine hektische Debatte und inzwischen viele Dementis. Die Frage ist im Endeffekt: Was bleibt übrig? Was bleibt übrig nach einer wochenlangen Diskussion zu einem Feld, von dem unmittelbar viele zehntausend Familien in diesem Land betroffen sind, von dem sehr, sehr viele Menschen betroffen sind, die in diesem Bereich arbeiten, und sehr, sehr viele Kinder, die unmittelbar in der Perspektive dieser Kinderbetreuung aufwachsen werden.

Ich glaube - das ist der Grund meiner Wortmeldung -, wenn es diese Dinge zu diskutieren gibt - gestern wäre die Gelegenheit dazu gewesen -, hätte man gern neue Modelle für die Erfüllung dieser Aufgabe vorstellen können. Dann hätten wir uns auch darüber unterhalten können. Jetzt haben wir eine Situation mit einer völlig unübersichtlichen Meldungslage, und zwar seit Wochen, in einem Feld, das wir bereits seit mindestens neun Monaten, aber eigentlich seit zehn Jahren in diesem Land intensiv diskutieren.

Nun könnte man sich als Opposition über dieses Chaos innerhalb der Koalition freuen. Ich sage ausdrücklich: Wir tun das nicht, weil wir im Interesse derjenigen, um die es hierbei geht, Klarheit brauchen.

(Herr Schröder, CDU: Es gibt kein Chaos!)

Wir brauchen klare politische Ansagen und wir brauchen ein klares politisches Konzept für die Erfüllung dieser Aufgabe. Diese Aufgabe eignet sich nicht für Diffusität, sie eignet sich nicht für Chaos und sie eignet sich auch nicht für gegenseitige Schuldzuweisungen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist mein Appell an die Landesregierung und an die Koalition. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Leimbach, CDU: Das Chaos gibt es doch gar nicht!)

Danke schön, Herr Fraktionsvorsitzender Gallert. - Als Nächste hat die Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Professor Dr. Dalbert das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben wir gestern im Rahmen der Haushaltsdebatte sehr viel Zeit darauf verwendet, uns über die Probleme der Finanzierung des KiFöG zu unterhalten. Das war ein Kernanliegen nicht nur meiner Fraktion, sondern auch anderer Redner und Rednerinnen im Hohen Haus.

Kaum ist die Debatte zu Ende und wir verlassen den Plenarsaal, treffen wir auf eine Fortsetzung der mehr als undurchsichtigen Informationslage und lesen zunächst, dass der zuständige Minister gesagt haben soll, der Ganztagsanspruch für alle Kinder werde ausgesetzt, weil er nicht finanzierbar

sei. Später erfahren wir dann: Nein, das Vorhaben soll doch nicht ausgesetzt werden, es soll in Stufen, vielleicht bis zum Jahr 2017, umgesetzt werden.

Dazu möchte ich erklären: Ich halte das zum einen für einen schlechten Umgang mit dem Parlament.

Es war erkennbar, dass das für uns alle eine große Sorge ist; denn wir erkennen eine große Gerechtigkeitslücke darin, dass in den letzten Jahren gerade die Kinder, die den Zugang zu den Kitas, zu den Kindergärten ganztags brauchen, diesen nicht hatten.

Wir wissen, dass das ein weitreichender Eingriff in die Lebensbiografie von Kindern ist. Kinder, die den ganzen Tag über in die Kita gehen können, haben die doppelt hohe Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium zu besuchen, um nur eine Zahl zu nennen. Deswegen hat uns das alle doch derart beschäftigt.

Wenn ich dann lesen muss, dass der Ganztagsanspruch ausgesetzt wird oder vielleicht in Stufen kommt, muss ich sagen: Das lässt doch an der Bonität und der politischen Gestaltungskraft dieser Landesregierung Zweifel aufkommen. Denn - das haben wir gestern auch mehrfach gehört - dieser Haushalt ist doch alles andere als ein Sparhaushalt. Wenn man jetzt nicht beginnt, dieses zugegebenermaßen teure Projekt umzusetzen, dann wird es gar nicht kommen.

Daher kann ich nur an Sie appellieren: Bringen Sie diese Dinge in Ordnung, bringen Sie dieses wichtige Reformprojekt so voran, wie Sie es den Wählern und Wählerinnen für 2013 zugesagt haben!

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Kollegin Dalbert. - Für die Fraktion der SPD hat Frau Fraktionsvorsitzende Katrin Budde um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit dem Kollegen Schröder besprochen, dass ich für die Koalitionsfraktionen sprechen werde.

Ich kann verstehen, dass das ein Thema ist, das sehr heiß und sehr intensiv diskutiert wird. Das Ziel haben nicht nur die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag sehr gut formuliert, sondern das Ziel teilen mit Sicherheit auch alle anderen Fraktionen im Landtag, nämlich dass wir den Rechtsanspruch auf ganztätige Bildung und Erziehung für alle Kinder, unabhängig von dem Status ihrer Eltern, wieder einführen wollen.

Ich glaube auch, dass das zweite Ziel, das im Koalitionsvertrag steht, nämlich die Entlastung von Mehrkindfamilien bei den Elternbeiträgen, durch

aus Unterstützung in diesem Hohen Hause finden wird.

Als drittes Element haben wir im Koalitionsvertrag den qualitativen Ausbau von Bildung, Betreuung und Erziehung stehen. Auch das ist sicherlich Konsens. Möglicherweise haben wir unterschiedliche Vorstellungen, wie das inhaltlich aussieht. Aber es ist mit Sicherheit heute nicht der Platz, dieses Thema zu diskutieren.

Es ist mit Sicherheit auch nicht der Platz im Rahmen einer Finanzdebatte, das zu diskutieren, weil das nicht nur ein hochpolitisches, sondern auch ein fachlich sehr spezifisches Thema ist, das in den entsprechenden Ausschüssen dann, wenn konkrete Vorlagen da sind, diskutiert werden sollte.

Der Sozialminister hat sehr früh begonnen, einen öffentlichen Dialog zu führen, gerade zu diesem dritten Element, das im Koalitionsvertrag nicht ganz konkret beschrieben ist, nämlich zu dem Element „Qualitativer Ausbau von Bildung, Betreuung und Erziehung“.

Dazu hat er einen intensiven Diskussionsprozess mit Erzieherinnen und Erziehern, mit Trägern, mit allen, die an diesem Arbeitsprozess und an der Gestaltung dieses Bildungs- und Betreuungszieles beteiligt sind, geführt. In diesem Prozess sind Forderungen aufgemacht und Vorstellungen vorgetragen worden, wie man diesen Punkt des Koalitionsvertrages in Paragrafen fassen und eine Verbesserung herbeiführen könnte.

Der vierte Punkt ist, dass wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben, dass die Koalition bis spätestens 2013 das KiFöG vorgelegt und novelliert haben wird.

Dass ein solcher Diskussionsprozess, wenn er so früh begonnen und so offen geführt wird und wenn auch die Vorschläge so offen vorgetragen werden, immer auch zu öffentlichen Diskussionen führt, das haben wir nicht nur geahnt, sondern das haben wir gewusst.

Es gibt allerdings kein Chaos in der Koalition, sondern es gibt eine öffentliche Diskussion über sehr viele verschiedene Vorstellungen. Wenn diese vorgetragen bzw. vorgestellt werden, ist diese Diskussion unvermeidlich.

Ich finde die öffentlich geführte Diskussion in der Tat etwas chaotisch. Daran haben aber nicht nur die Koalitionsfraktionen oder der Sozialminister Schuld, sondern sehr viele, die das, was sie hier und da in großen Veranstaltungen, in Gesprächen hören, interpretieren - das sage ich sehr vorsichtig -, mal mehr gutwillig und manchmal vielleicht auch böswillig, um die Auseinandersetzung ein Stück zu befeuern.

Auch das geschieht in einem solchen Prozess und ist nicht ungewöhnlich. In diesem Prozess befinden wir uns jetzt.

Deshalb will ich noch einmal ganz klar sagen: Nein, gestern war nicht der Platz, um das inhaltlich hier zu diskutieren. Vielmehr sind wir jetzt in der Phase, in der die Koalitionsfraktionen das Thema zunächst mit dem Sozialminister inhaltlich diskutieren.