Protokoll der Sitzung vom 20.01.2012

Deshalb will ich noch einmal ganz klar sagen: Nein, gestern war nicht der Platz, um das inhaltlich hier zu diskutieren. Vielmehr sind wir jetzt in der Phase, in der die Koalitionsfraktionen das Thema zunächst mit dem Sozialminister inhaltlich diskutieren.

Auch da kann es unterschiedliche Auffassungen geben - das ist bei einem Diskussionsprozess der Fall - und am Ende wird ein gemeinsamer Vorschlag vorliegen.

Dann ist der Punkt erreicht, an dem das Kabinett beschließt, dass die Verbände beteiligt werden, und zwar offiziell und nicht nur in den Gesprächsrunden, die auch jetzt schon stattfinden.

Darauf folgt der dritte Schritt, dass der Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wird, und danach sind wir in den Ausschüssen gefordert. Auch dann wird es vielleicht immer noch keine 100-prozentige Einigkeit über jedes Detail geben.

Aber ich glaube, dass es gut wäre, wenn wir uns auch weiterhin an diesen vier Zielen, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben und die unstrittig sind, orientierten. Wir werden das als Koalition in jedem Fall tun. Es wird im Jahr 2013 einen Gesetzentwurf geben und die Punkte dazu sind im Koalitionsvertrag festgelegt.

Was hat nun diese öffentliche Diskussion ausgelöst, von der Norbert Bischoff und ich gestern völlig überrascht worden sind, als wir zu dem parlamentarischen Abend gekommen sind? - Ein Interview im MDR, in dem Norbert Bischoff gesagt hat: Ja, ich habe einen neuen Vorschlag. Wir gehen vom Ganztagsanspruch vielleicht ein Stück zurück und führen ihn stufenweise bis zum Ende der Wahlperiode ein.

Das heißt, der Vorschlag des Sozialministers, den wir zu diskutieren haben werden, ist, den Ganztagsanspruch nicht sofort, sondern möglicherweise stufenweise bis zum Ende der Wahlperiode einzuführen, dafür aber parallel gleich das dritte Thema, nämlich den qualitativen Ausbau von Bildung und Betreuung, Entlastungen und Verbesserungen für Erziehrinnen und Erzieher, umzusetzen zu beginnen und nicht erst später. - Das ist sein Vorschlag, und über den müssen wir diskutieren.

Das Zweite, was er gesagt hat - das bezieht sich auf das Thema „Entlastung von Erzieherinnen und Erziehern“ -, ist: Ich würde gern beides im Jahr 2013 in Kraft treten lassen, aber es kann sein, dass die Erleichterungen für Erzieherinnen und Erzieher erst in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 in der Endausbaustufe sein werden und dass erst dann beides erreicht wäre: der Ganztagsanspruch in dieser Legislaturperiode und das andere möglicherweise erst mit dem Beginn der nächsten Legislaturperiode.

Ich finde nicht, dass das zu Überschriften führen sollte, dass die Koalition den Ganztagsanspruch

infrage stellt; denn das hat weder der Sozialminister getan, noch haben wir das getan.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir zu einer fachlichen und inhaltlichen Diskussion zurückkämen. Auch da werden wir noch genügend unterschiedliche Auffassungen haben, die aufeinanderprallen werden. Wir werden noch mindestens ein Dreivierteljahr Gelegenheit haben, bevor das Thema in den Ausschüssen angekommen ist, und auch dann wird die Diskussion weitergehen.

Ich wollte nur gern zur Klarstellung beitragen und bitte, diese Debatte hier zu beenden. Es gibt einen Koalitionsvertrag, in dem bestimmte Punkte ganz konkret festgelegt sind. Das, was nicht konkret festgelegt worden ist, werden wir gemeinsam nach der Gesetzesvorlage diskutieren. Aber der Ganztagsanspruch steht in dieser Wahlperiode nicht zur Diskussion, steht nicht infrage, sondern er wird von der Koalition umgesetzt werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Frau Fraktionsvorsitzende. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Abgabe von Erklärungen außerhalb der Tagesordnung ab und wir leiten zum nächsten Tagesordnungspunkt über.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung

Eiweißpflanzenanbau in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/730

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/745

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird Frau Frederking den Antrag einbringen. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wenn wir Fleisch essen, dann soll es mager sein. Der Trend der letzten Jahre war: mehr Fleisch und dieses weniger fettig.

Diese Entwicklung erfordert immer größere Mengen an Eiweißfutter für die Tiere. Als günstiges Futter hat sich dabei die Sojabohne erwiesen, die inzwischen in einem sehr großen Umgang importiert wird.

Soja kommt hauptsächlich aus den USA, Brasilien und Argentinien. Ca. 80 % des Futtereiweißes für

die EU wurden im Jahr 2010 importiert. Meist handelt es sich um gentechnisch verändertes Soja, das gegen das Unkrautvernichtungsmittel Roundup resistent ist, dessen Hauptwirkstoff Glyphosat ist. Studien haben ergeben, dass Glyphosat negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt hat.

Eine weitere gravierende negative Entwicklung ist, dass Sojafelder auf Kosten von einmaligen Naturräumen wachsen und wertvolle Ökosysteme weichen müssen.

Mit unserer Art der Tierfütterung tragen wir dazu bei, dass es in anderen Regionen der Welt zur Intensivierung der Landwirtschaft, zu Monokulturen und zur Belastung der Umwelt kommt.

(Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

Das ist nicht fair. Das ist nicht gerecht. Das kann nicht gewollt sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Leim- bach, CDU: Das hatten wir schon vor 20 Jah- ren!)

Das ist deshalb nicht fair, weil gerade in Südamerika die Kleinbauern verdrängt und zu Landlosen werden und damit ihre Lebensgrundlage verlieren.

Während in den USA und in Argentinien eher Grünland dem Sojaanbau zum Opfer fiel, sind in Brasilien sowohl Grünland als auch tropische Regenwälder betroffen.

Schätzungen bezüglich des Flächenbedarfes für den Eiweißpflanzenanbau außerhalb der EU für Deutschland gehen von 1,8 Millionen ha aus. Das ist ungefähr anderthalb Mal so viel, wie wir an landwirtschaftlicher Nutzfläche haben.

Sie, Herr Leimbach, sagen, dass wir das schon vor 20 Jahren hatten. Schauen Sie sich einmal Brasilien an. Die Rodung der Regenwälder erreicht von Jahr zu Jahr immer neue Höchststände. Das heißt, die Abholzung geht immer weiter.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es ist so - das müssen wir uns auch ins Stammbuch schreiben -: Fleisch und Wurst vernichten Regenwälder. Wir brauchen deshalb den Anbau von Eiweißpflanzen auf unseren Böden, um die Tiere mit einheimischem Eiweißfutter zu versorgen, so wie es früher war und wie es früher auch funktionierte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Klee ist uns allen ein Begriff. Einige von uns werden auch Lupinen im Garten haben. Erbsen und Bohnen dürften auch bekannt sein, wenn auch nicht, wie im Antrag vorgeschlagen wurde, als Tierfutter. All diese Pflanzen haben eines gemeinsam, es sind Eiweißpflanzen, genauer Leguminosen oder auch Hülsenfrüchte.

Bei dem vorliegenden Antrag geht es spezifisch um Körnerleguminosen aus dem einheimischen Anbau zur Fütterung von Tieren. Körnerleguminosen wie Futtererbsen, Ackerbohnen und Lupinen haben einen hohen Eiweißanteil und sind deshalb besonders geeignet, die Sojaimporte zu substituieren. Weiterhin sind diese Pflanzen in einer Symbiose mit Bakterien in der Lage, Luftstickstoff zu binden und für sich als Stickstoffquelle zu nutzen.

Auch für nachfolgende Kulturen, also zum Beispiel für Getreide, wird der durch die Wurzeln in den Boden eingebrachte Stickstoff verfügbar. Dadurch reduziert sich der Einsatz an energieaufwendig produziertem mineralischem Stickstoffdünger und erhebliche Mengen von CO2 können eingespart werden.

Deutschlandweit wurden im Zeitraum von 2008 bis 2009 bei der Düngemittelherstellung durchschnittlich ca. 10 Millionen t CO2-Äquivalente pro Jahr ausgestoßen. Das sind die Größenordnungen.

Weiterhin ist positiv hervorzuheben, dass durch den verringerten Einsatz von Düngemitteln die Erzeugungskosten reduziert werden können. In einer aus Frankreich stammenden Studie werden die möglichen Einsparpotenziale in Frankreich beim Düngemitteleinsatz auf bis zu 100 Millionen € bei einer konsequenten Fruchtfolge mit Eiweißpflanzen eingeschätzt.

Bei der Ausbringung von Kunstdüngemitteln wird hingegen sehr viel Lachgas freigesetzt, das als starkes Klimagas wirkt. Lachgas weist eine 300fach höhere Klimawirksamkeit als CO2 auf. Weniger mineralischer Stickstoff bedeutet also auch weniger klimaschädliches Lachgas.

Darüber hinaus sind einige Leguminosen in der Lage, durch tiefer gehende Wurzeln Humus zu bilden und damit auch Kohlendioxid zu binden. Auch das trägt zu einer positiven Klimabilanz bei.

Der erhöhte Humusanteil im Boden führt zu einer größeren biologischen Aktivität und damit auch zu einem günstigen Bodengefüge. Auch das weitreichende Wurzelgeflecht der Leguminosen, die bis zu 1,5 m tief in den Boden reichen, verhindert die Bodenverdichtung und verbessert die Bodenstruktur.

Der Anbau von Eiweißpflanzen erweitert die Fruchtfolge und erhöht die Artenvielfalt des Ökosystems Acker. Durch eine bessere Bodenstruktur wird zudem der Treibstoffverbrauch bei der Bodenbearbeitung verringert. - Das sind die vielen positiven Eigenschaften der Leguminosen.

Leider werden in Sachsen-Anhalt in immer geringerem Maße Eiweißpflanzen angebaut. Vor zehn Jahren wurden noch auf einer Fläche von 34 000 ha Futtererbsen und auf einer Fläche von 8 000 ha Süßlupinen angebaut. Heute sind es nur noch knapp 9 000 ha bzw. 4 000 ha. Das Niveau

ist damit auf rund 25 % bzw. auf 50 % des ursprünglichen Anbaus abgesunken.

Die Gründe für diesen Rückgang sind darin zu suchen, dass das Eiweißfuttermittel in Form von Sojaextraktionsschrot aus Argentinien und Brasilien sehr günstig ist und dass der Anbau von Körnerleguminosen in unseren Breiten oftmals geringe bzw. stark schwankende Erträge hervorbringt. Deshalb muss hier auch geforscht werden.

Die Flächenprämie für Eiweißpflanzen wurde gekürzt bzw. seit dem letzten Jahr gibt es sie gar nicht mehr. Ursprünglich lag sie bei 445 € pro Hektar. Sie ist dann bis zum letzten Jahr auf 56 € pro Hektar abgesunken. Inzwischen gibt es keine Extraprämie mehr.

Da der Eiweißpflanzenanbau an Bedeutung verliert, wird es für private Züchtungsunternehmen zunehmend uninteressant, Züchtungsprogramme für Leguminosen aufzulegen. Es gibt nur noch je ein Züchtungsprogramm für Futtererbsen, Ackerbohnen und Süßlupinen in Deutschland. Damit geht das Wissen über den Anbau und das Wissen über das Innovationspotenzial verloren.

Durch die Vernachlässigung des Eiweißpflanzenanbaus wird auch die Fruchtfolge immer enger und immer einseitiger. Durch den Import von Soja als sehr günstiges Eiweißfuttermittel werden wir zunehmend von anderen Ländern abhängig.