Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Die SPD sollte einfach einmal schauen, was die Bundes-SPD macht. Sie hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts so verstanden, dass die Ausbreitung von gentechnisch verändertem Material nicht zu verhindern ist. Als Reaktion auf dieses Urteil hatte die Bundes-SPD im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, mit dem der Vorrang der Verbraucherinteressen im Gentechnikgesetz verankert werden soll.

Wir sollten auch in Sachsen-Anhalt den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher Rechnung tragen und die gentechnikfreie Landwirtschaft und die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Gewährleistung dieses Schutzes muss ein strenges Qualitätssicherungssystem für den Umgang mit landwirtschaftlichen Produkten in Sachsen-Anhalt auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus brauchen wir mehr gentechnikfreie Produkte. Die gentechnisch veränderten Futtermittel aus Übersee, wie Soja, Raps und Mais, müssen ersetzt werden.

Anknüpfend an die letzte Diskussion während der Plenarsitzung im Januar möchte ich darum bitten, dass sich die Landesregierung nun auch auf der Bundes- und auf der Europaebene dafür stark macht, dass der einheimische Eiweißpflanzenanbau gefördert wird. Das ist auch die Idee gewesen, die damals mit dem Alternativantrag eingebracht wurde. Das möchte ich heute an dieser Stelle noch einmal bekräftigen.

Ein wirksamer Schutz vor gentechnisch veränderter Verunreinigung kann nur gelingen, wenn die Null-Toleranz-Grenze für nicht zugelassene GVO tatsächlich beibehalten wird. Eine Aufweichung, wie es sie seit dem letzten Jahr mit dem technischen Schwellenwert von 0,1 % bei Futtermitteln gibt, lehnen wir ganz entschieden ab;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn die Gewährung dieses Schwellenwertes ist an einen Antrag für eine EU-Zulassung geknüpft. Damit erzwingt man quasi neue Zulassungen. Gentechnik wollen wir nicht, und schon gar nicht durch die Hintertür. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Nachfrage, Frau Frederking. - Herr Lange, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Frage. In Ihrem Antrag steht, dass das Land die Finanzierung der Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen einstellen soll. Meine Frage ist: Schließt das für Sie ein, dass die Kofinanzierung des IPK in Gatersleben durch das Land nicht mehr erfolgen soll bzw. auch die Firmen am WeinbergCampus in Halle nicht mehr mit der Unterstützung des Landes rechnen können, wenn es nach Ihrem Willen geht?

Dann hätte ich eine weitere Nachfrage. Warum haben Sie dazu während der Haushaltsverhandlungen, als wir das beschlossen haben, keine Anträge gestellt?

Es ist so, dass in den Landeshaushalt für die nächsten beiden Jahre keine Mittel für die AgroGentechnik eingestellt worden sind.

Für Gatersleben sind die Mittel im Einzelplan 06 drin, selbstverständlich.

Aber nicht für die Agro-Gentechnik.

Natürlich.

Für die Agro-Gentechnik sind diese Mittel nicht eingestellt. Deshalb habe ich auch den Antrag nicht gestellt.

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Aeikens.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Frederking, Sie haben eingangs etwas kokettierend auf Ihr Alter hingewiesen. Ich gebe unumwunden zu, dass ich noch wesentlich älter als Sie bin. Möglichweise kommt man mit mehr Lebenserfahrung auch zu anderen Auffassungen zu diesem Thema als Sie, Frau Frederking.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der SPD)

„Sachsen-Anhalt Gentechnikfrei!“ lautet die Überschrift des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In Ihren Einlassungen haben Sie formuliert, dass es das Ziel sein muss, Sachsen-Anhalt komplett gentechnikfrei zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie fordern ein gentechnikfreies Sachsen-Anhalt und eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt. Ich stelle die Frage: Ist es realistisch

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja!)

und ist es redlich, dieses zu fordern?

Die Realität ist anders. Das wissen Sie auch. Ich bin der Auffassung, dass die Politik dem Bürger die Wahrheit sagen muss.

(Herr Striegel, GRÜNE: Über die Gentech- nik, ja!)

Was ist die Realität? Weltweit werden auf 148 Millionen ha mit steigender Tendenz gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut.

(Herr Striegel, GRÜNE: Überhöhte Zahlen haben Sie auch noch!)

Die Versorgung der Landwirtschaft mit Futtermitteln erfolgt in der Europäischen Union einschließlich Sachsen-Anhalts unter anderem durch den Import von etwa 35 Millionen t Soja und Sojaschrot. Mehr als 80 % des Rinder- und Schweinemischfutters sowie des Geflügelmischfutters sind gentechnisch verändert oder enthalten GVO-Bestandteile. Unsere Landwirtschaft verwendet darüber hinaus gentechnisch hergestellte Tierarzneimittel.

Die Gentechnik hat uns erreicht, meine Damen und Herren. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

(Beifall bei der CDU)

Ich bringe ein weiteres Beispiel. Die transgene Sojabohne wird zum kennzeichnungspflichtigen Sojaöl gepresst. Daraus wird das nicht kennzeichnungspflichtige Lecithin gewonnen, welches zum Beispiel im Schokoriegel landet. Technologische Hilfsstoffe aus dem Genlabor werden bei der Käseherstellung benötigt. In der Lebensmittelproduktion kommen zuhauf Enzyme, Vitamine, Aminosäuren und andere Inhaltsstoffe zum Einsatz, die mithilfe der Gentechnik hergestellt wurden.

Und, meine Damen und Herren, lassen Sie uns eines nicht vergessen: Weit über 100 Medikamente auf dem deutschen Arzneimittelmarkt sind gentechnisch hergestellt, darunter Insulin. Damit werden Schmerzen gelindert und damit wird Leben verlängert.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte ein weiteres Beispiel anführen. Auch mehr als die Hälfte des weltweiten Baumwollaufkommens ist gentechnisch verändert. Gentechnik

hat also auch Eingang in unsere Bekleidung gefunden.

Auch bei der Produktion von Banknoten kommen diese Baumwollbestandteile zum Einsatz. Die Europäische Zentralbank hat im Jahr 2007 eine Information zum Thema Eurobanknoten und Umweltschutz veröffentlicht und darin den Einsatz von gentechnisch veränderter Baumwolle bestätigt.

Aus all dem wird, so glaube ich, deutlich: Ein gentechnikfreies Sachsen-Anhalt gibt es nicht und kann es auch nicht geben. Sagen Sie das den Bürgern.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezeichnen die AgroGentechnik als eine Risikotechnologie

(Herr Striegel, GRÜNE: Auch das Verfas- sungsgericht tut das!)

und unterstellen, dass deren Auswirkungen keineswegs ausreichend erforscht sind. Ich empfehle Ihnen dringend, sich die diesbezüglichen Studien der Europäischen Union anzuschauen.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Europäische Union in den vergangenen 25 Jahren Mittel in Höhe von 300 Millionen € für die Sicherheitsforschung ausgegeben hat. Die Kommission kam nach der Auswertung dieser Forschungsprojekte zu dem Ergebnis, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen keine größere Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgeht als von konventionell gezüchteten Pflanzen. Das heißt, das Gefährdungspotenzial unterscheidet sich nicht von dem der konventionellen Pflanzenzüchtung.

Eine Anmerkung zu der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ auf Lebensmitteln. Diese von Frau Aigner im Jahr 2008 eingeführte Kennzeichnung war von Anfang an nicht unumstritten. Knapp 60 % der Verbraucher erwarten, dass ein als gentechnikfrei deklariertes Lebensmittel auf allen Stufen der Wertschöpfungskette frei von Gentechnik geblieben sein muss.

Dies ist hierbei jedoch nicht der Fall. Vielmehr können unter Berücksichtigung bestimmter Zeitfenster gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt werden. Ich persönlich sehe in Produktkennzeichnungen, die durch die Auszeichnung „ohne Gentechnik“ oder „gentechnikfrei“ eine vollständige Abwesenheit von Gentechnikanwendungen vermitteln, dabei aber eine bestimmte Gentechnikanwendung nicht erwähnen, eine Irreführung des Verbrauchers und spreche mich wiederholt auch an dieser Stelle für eine umfassende Prozesskennzeichnung aus. Das wäre eine ehrliche Lösung.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich auch mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass BASF die diesbezügliche Forschung in Deutschland aufgegeben hat. Das schadet unserem Ruf als Wissenschaftsstandort. Jubelschreie sind an dieser Stelle völlig unangebracht.

(Herr Gürth, CDU: Sehr bedauerlich! - Beifall bei der CDU)

Wir in Deutschland leben von unserer Wissenschaft.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt erwähnen. Die Weltbevölkerung wird von heute sieben Milliarden bis zum Jahr 2050 auf über neun Milliarden, vielleicht sogar zehn Milliarden Menschen wachsen. Derzeit leiden etwa eine Milliarde Menschen an Hunger und an chronischer Unterernährung.