Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Frederking.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich in die Runde schaue und mir zudem das Parlamentshandbuch anschaue, dann komme

ich zu dem Schluss, dass einige noch älter sind als ich und demzufolge schon so alt sind, dass sie sich noch an das Eis-minus-Bakterium erinnern könnten.

In den 80er-Jahren wurde ein Bakterium gentechnisch so verändert, dass es die besondere Eigenschaft hatte, keine Eiskristalle zu bilden. Dieses Bakterium wurde auf Blätter versprüht. Bis minus fünf Grad gab es auf diesen Blättern keine Eiskristalle. So wurden die Pflanzen vor der Kälte geschützt.

Mit diesem Bakterium sollte weltweit der erste Freisetzungsversuch durchgeführt werden. Das war damals auf einem Erdbeerfeld in der Nähe von San Franzisko. Es gab die Befürchtung, dass sich diese Bakterien unkontrolliert vermehren könnten und auch großräumige Auswirkungen haben könnten. Man hat vermutet, dass sich die Nebelpartikel nicht mehr zu Wassertropfen zusammenfügen könnten und damit der Regen ausbleibt.

Damals gab es Proteste, und der Versuch wurde abgesagt. Seit diesem verhinderten Erdbeerfeldversuch ist viel geschehen. Es hat inzwischen viele Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen - auch GVO genannt - gegeben. Insbesondere in Nord- und Südamerika wird der Anbau von GVO in großem Stil betrieben. Bis heute ist geblieben, dass die Gentechnik auf dem Acker eine Risikotechnologie ist. Genau aus diesem Grunde sollten wir darauf verzichten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine Risikotechnologie ist eine Technologie, die von einer Vielzahl von unbeherrschbaren Risiken begleitet wird. Da die Nutzung der GVO auf dem Acker im Freien stattfindet, kann sich das veränderte Erbgut genmanipulierter Pflanzen durch Wind, Insekten, tierische Verschleppungen, Erntemaschinen und Transportgeräte weiter ausbreiten. Es wird immer wieder beobachtet, dass das Erbgut auf artverwandte Pflanzen übertragen wird und dass Ernten, Saatgut und benachbarte Flächen kontaminiert werden.

Bei dieser Form der Ausbreitung in biologischen Systemen ist eine Rückholaktion nicht möglich. Es ist bis heute nicht nachgewiesen, dass eine Koexistenz zwischen Gentechnikfeldern und gentechnikfreiem Anbau funktioniert. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es trotz Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel großer Abstände zwischen den Feldern, zu Wechselwirkungen kommt.

Auch das sogenannte Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofs belegt, dass es keine Koexistenz gibt. Wenn ein Honig Pollen von genetisch veränderten Pflanzen enthält, die nicht als Lebensmittel zugelassen sind, dann darf dieser Honig nicht in den Verkehr gebracht werden. Die lange Kette, was das alles bedeutet, will ich hier nicht weiter ausführen.

Darüber hinaus hat die Genveränderung oft unerwünschte, bisweilen auch dramatische Nebeneffekte, weil sich die Gene in der neuen Umgebung, also in dem anderen Genstrang, anders verhalten. Zum Beispiel blühen Genpappeln nicht im Frühjahr, sondern im Herbst.

Ich will ein Beispiel aus Australien aus dem Jahr 2005 nennen. Dabei hat man das Gen einer Bohne auf eine Erbse übertragen. Die Generbsen produzierten ein verändertes Bohneneiweiß, das heftige lebensbedrohliche Reaktionen des Immunsystems auslöste. Bemerkt wurde dieses zufällig bei Tests an Mäusen, die für das Gentechnikzulassungsverfahren gar nicht vorgeschrieben waren. Zuvor hatte man nämlich nur Fütterungsstudien an Ratten, Schweinen und Hühnern gemacht, die in Europa im Rahmen der Marktzulassung oft als ausreichend akzeptiert werden. Bei diesen Fütterungsversuchen hatte man diese Wirkungen nicht gesehen.

Dieses Beispiel macht deutlich: Gene sind keine Bauklötze, und man darf nicht mit ihnen spielen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Man darf die Gefahren nicht unterschätzen.

Ein anderes Beispiel ist das BT-Gift im Genmais. Dieses Gift ist anders als das Gift, das ursprünglich vom genspendenden Bohnenbakterium erzeugt wird. Die Herstellerfirma Monsanto sagt, das Gift wirke nur auf Insekten. Diese Aussage ist der Grund dafür, warum bisher für die Risikoprüfung keine Studien verlangt werden, die die Wirkungen auf die menschlichen Zellen untersuchen müssen.

Jetzt gibt es aber neue, unabhängige Studien. In der Tat weisen diese Schädigungen an menschlichen Zellen durch diese BT-GVO nach. Einige BT-Giftpflanzen sind zusätzlich noch durch gentechnische Veränderungen gegen den HerbizidWirkstoff Glyphosat resistent. Auch die Wechselwirkungen zwischen dem BT-Pflanzengift und Glyphosat wurden nicht ausreichend untersucht.

Diese Beispiele zeigen, dass die Risiken und Gefahren real sind. Das hat auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Normenkontrollantrag des Landes Sachsen-Anhalt im November 2010 bestätigt. Solange diese Unzulänglichkeiten, Gefahren, Risiken und auch die Bedingungen, unter denen verantwortungsvoll angebaut werden könnte, nicht geklärt sind, muss auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in SachsenAnhalt verzichtet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um diesem Willen Nachdruck zu verleihen und auch um praktische Konsequenzen folgen zu lassen, möchten wir die Landesregierung auffordern, jetzt und sofort da zu handeln, wo sie die

Entscheidungshoheit hat, nämlich bei den landeseigenen Flächen. Liebe Abgeordnete von der CDU

(Frau Weiß, CDU: Ja!)

und auch von der SPD, um es Ihnen nicht zu schwer zu machen, haben wir geschaut, wie sich Ihre Kolleginnen und Kollegen in Thüringen positioniert haben. Genau deren Position fanden wir richtig und haben sie deshalb in unseren Antrag übernommen. CDU und SPD in Thüringen haben sich nämlich dafür entschieden, dass auf den landeseigenen Flächen keine GVO angebaut werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind noch weiter gegangen. Sie haben der Landesregierung den Auftrag erteilt, dass diese auf eine gentechnikfreie Bewirtschaftung aller landwirtschaftlich genutzten Flächen hinwirken soll. Darüber hinaus haben sie sich für einen Verzicht auf GVO ausgesprochen, solange die Risiken nicht abschließend geklärt sind.

Wie können die Risiken nun abschließend geklärt werden? Dazu sind aus unserer Sicht keine neuen Freisetzungen erforderlich. Stattdessen sollen alle vorhandenen Daten aus Laboren, also auch die Daten aus den Laboren der Industrie, sowie die weiteren Daten aus freisetzendem Anbau genutzt werden. Dabei ist es ganz wichtig, dass dieses umfangreiche und über einen langen Zeitraum gesammelte Material sorgfältig und von unabhängigen Stellen ausgewertet wird.

Diese Forderungen stellen wir auch an das Zulassungsverfahren auf der EU-Ebene. Wir brauchen Langzeituntersuchungen. Und wir brauchen eine unabhängige Risikoforschung unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips. Das heißt, wenn sich Schwierigkeiten zeigen, dann muss gehandelt werden.

(Unruhe)

Es ist etwas zu laut. - Entschuldigen Sie, Frau Frederking. - Wir können uns doch noch einmal einen Augenblick konzentrieren, denke ich einmal.

Wir brauchen eine unabhängige Risikoforschung. Deshalb reicht es nicht, dass die Prüfbehörde Efsa ihren Bewertungen nur zusammengefasste Ergebnisse der antragstellenden Gentechnikindustrie zugrunde legt.

Deshalb ist es a) erforderlich, dass die Industrie die Ergebnisse ihrer kompletten Versuchsreihen auf den Tisch legt. Alle Rohdaten müssen ausgewertet werden können.

b) ist eine unabhängige wissenschaftliche Instanz erforderlich, die selbst Untersuchungen macht; denn es hat sich leider herausgestellt, dass die

Efsa sehr stark mit der Gentechnikindustrie verflochten ist und ein interessengeleitetes Agieren unterstellt werden kann. Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen die Behörde und gehen ohne Wartefrist zu den Biotechnologieunternehmen, die sie vorher prüfen mussten.

Der Beirat ist nicht ausgewogen besetzt. Darin sind nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Industrieunternehmen und keine Mitglieder aus Umwelt- und Verbraucherverbänden vertreten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde Efsa arbeiten direkt mit Vertreterinnen und Vertretern von Gentechnikkonzernen zusammen.

Nach allem, was wir heute wissen und eben durch Erfahrungen auch lernen konnten, ist der Anbau von GVO nicht zu verantworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es nur konsequent, wenn nicht nur die landeseigenen Flächen gentechnikfrei bleiben, sondern auch alle anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen. Das heißt auch, dass es keine Sortenprüfungen mit GVO in Sachsen-Anhalt geben darf.

Wir möchten auch, dass die Landesregierung bei der Gründung von weiteren gentechnikfreien Regionen Unterstützung leistet. Inzwischen gibt es schon fünf gentechnikfreie Anbauzonen mit einer Größe von insgesamt 28 000 ha in Sachsen-Anhalt. Mit dem Beitritt zum Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen würde Sachsen-Anhalt ein Bekenntnis abgeben, dass es komplett gentechnikfrei werden will; denn das Netzwerk zielt auf einen wirksamen Schutz einer gentechnikfreien Landwirtschaft.

Mit der Biotechnologieoffensive hatte die Landesregierung die Agro-Gentechnik massiv unterstützt. Angesichts der aufgeführten Argumente und Bedenken ist es gut, dass damit nun Schluss ist. Umgekehrt kann man als gentechnikfreies Bundesland werben und dazu auffordern, Lebensmittel aus Sachsen-Anhalt zu kaufen. Das ist wirklich ein Wettbewerbsvorteil. Es wäre doch schade, wenn das Land der Frühaufsteher eine sich längst abzeichnende Entwicklung verschläft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe schon das eine oder andere Gähnen in den Reihen der CDU gesehen

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU)

und möchte Sie etwas aufmuntern.

(Herr Borgwardt, CDU: Keine falschen Schlüs- se!)

- Das sind keine Schlüsse. Ich beobachte das von dieser Position aus.

(Herr Schröder, CDU: Er schnappt nur nach Luft!)

Ich möchte jetzt niemanden angucken.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die eher konservativen Frauen und Männer der CDU, sie sind doch ansonsten nicht so risikofreudig. Warum sind sie es denn ausgerechnet bei dieser Risikotechnologie?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die SPD sollte einfach einmal schauen, was die Bundes-SPD macht. Sie hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts so verstanden, dass die Ausbreitung von gentechnisch verändertem Material nicht zu verhindern ist. Als Reaktion auf dieses Urteil hatte die Bundes-SPD im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, mit dem der Vorrang der Verbraucherinteressen im Gentechnikgesetz verankert werden soll.