Der französische Begriff für eine solche umfassende Erhebung der aktuellen Lage und für die Suche nach Handlungsempfehlungen lautet „Enquete“.
Die Fraktion DIE LINKE beantragt eine Enquetekommission des Landtages zum Thema „Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten“. Wir sind davon überzeugt, dass es dringend notwendig ist, gemeinsam nach neuen Lösungen für unser Land zu suchen.
Drei Bereiche müssen wir dabei in den Blick nehmen. Wir müssen uns verständigen über die Ausgangslage und die Rahmenbedingungen. Wir müssen erstens die Möglichkeiten ausloten, die wir in den nächsten Jahren haben. Wir müssen uns zweitens anschauen, welche Hindernisse uns erwarten. Wir müssen drittens nach Wegen suchen, wie wir diese Hindernisse überwinden können. Wenn wir eine solche Enquetekommission heute hier in diesem Hohen Hause bilden, sollten wir uns keinerlei Denkverbote auferlegen.
Wir, die LINKE, möchten diese Kommission zu Themen wie gute Arbeit durch und im öffentlichen Dienst, Struktur- und Aufgabenwandel in der öffentlichen Verwaltung, nachhaltiger Einsatz von moderner Informationstechnik sowie digitale Vernetzung einsetzen.
Wir wollen gemeinsam mit allen Fraktionen hier im Hohen Haus in den kommenden drei Jahren Vorschläge dazu erarbeiten, wie die Qualität der Verwaltungsdienstleistungen verbessert, die Effektivität und die Effizienz der Verwaltungsabläufe gesteigert und mehr Bürgerorientierung im Verwaltungshandeln erzielt werden kann.
Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sowie die Verbesserung der bürgerschaftlichen Mitwirkungs- und Teilhabemöglichkeiten sollen nach der Vorstellung der LINKEN zentrale Arbeitskriterien für die Enquetekommission sein. Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass öffentliche Aufgaben in Zukunft effizient - mit „effizient“ meine ich nicht „kostengünstig“ - und vor allem bürgernah erfüllt werden.
Wenn ich von Bürgernähe spreche, dann geht es mir nicht um Verwaltungsstandorte, sondern darum, dass dort Beratungen und Entscheidungen stattfinden, die der Bürger nachvollziehen kann und die schnell erfolgen. Das verstehe ich unter Bürgernähe. Bürgernähe resultiert eben auch aus der Qualität der Verwaltung.
Verwaltung wird nach wie vor Geld kosten. Darüber herrscht Konsens, denke ich. Sachsen-Anhalt wird aber in Zukunft sein Geld brauchen, um unter anderem seine Sozialsysteme zu sichern. Wir werden ebenso Geld für die Erfüllung der kommunalen Aufgaben benötigen.
nisierung der Verwaltung -, dann muss man die Betroffenen mitnehmen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir als Abgeordnete nehmen hiermit eine Aufgabe wahr, für die wir von den Menschen in Sachsen-Anhalt gewählt worden sind. Auch ohne die demografische Entwicklung und ohne die sich ändernden finanziellen Grundlagen für den Haushalt wären wir in den nächsten Jahren aufgefordert gewesen, die Strukturen im Land zu verändern, voranzubringen und zukunftsfähiger zu gestalten.
Die Menschen in unserem Bundesland erwarten einen leistungsfähigen Staat. Die Menschen erwarten einen bezahlbaren Staat. Sie erwarten einen Staat, der ihnen zum Beispiel auch die Chance gibt, im öffentlichen Dienst Karriere zu machen. Im Wettbewerb mit anderen Bundesländern und der freien Wirtschaft muss der öffentliche Dienst als Arbeitgeber für junge Fachkräfte attraktiver werden, um kluge Köpfe für unser Land zu gewinnen und hier zu halten.
Die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes wird mehr denn je von einer modernen, leistungsfähigen Verwaltung bestimmt. Dies kann nur in einem ressortübergreifenden Prozess gelingen, der durch eine weitreichende Funktionalreform geprägt ist und zu einer konsequenten Neuausrichtung von Verwaltungsabläufen führt.
Im Wettbewerb der Regionen müssen wir daher alles unternehmen, um unser Bundesland insgesamt kundenorientierter aufzustellen. Allgemein ist unter dem Oberbegriff der Kundenorientierung - dieser ist angelehnt an den Sprachgebrauch in der Wirtschaft - die Ausrichtung des Landes auf seine Kunden zu verstehen, und damit vor allem auf diejenigen, die in diesem Land leben und arbeiten.
Das sind die Einwohnerinnen und Einwohner von Sachsen-Anhalt. Jeder Mensch hat spezielle Bedürfnisse und Anforderungen an sein Bundesland. Wer mit seinem Bundesland zufrieden ist, lebt und arbeitet und bleibt auch gern hier. Zufriedenheit mit dem eigenen Bundesland ist zudem eine wesentliche Voraussetzung für auskömmliches Wirtschaften.
Als Maßstab für die Zufriedenheit gilt zunehmend auch der Umfang der Bürokratie, wobei das Beklagen der ausufernden Bürokratie in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt nichts Neues ist. Angehende Juristen lernen bereits in den Anfangsvorlesungen zum öffentlichen Verwaltungsrecht die Interpretation der Bedeutung des Ausspruchs: Von der Wiege bis zur Bahre - Formulare, Formulare.
Wir haben diese drei Schwerpunkte für die Arbeit der Enquetekommission ausgewählt, weil sie Gegenstand der aktuellen Diskussion und der Aufgabenstellung der Landesregierung und des Parlaments sind. Vor dem Hintergrund einer nur im Ansatz realisierten Funktionalreform muss die Debatte nach jahrelanger Diskussion in eine zukunftsfähige parlamentarische Beschlussfassung münden.
Der ehemalige Ministerpräsident Professor Dr. Wolfgang Böhmer hat im Jahr 2009 groß das Jahr der Funktionalreformen angekündigt. Aber was ist seitdem tatsächlich passiert? Ich denke, wir sollten im Jahr 2012 endlich, dem Grundsatz der Subsidiarität folgend, ein einheitliches Konzept für eine umfassende Verwaltungsstrukturreform in enger Verbindung mit einer weiterführenden Funktionalreform erstellen und diese dann auch umsetzen.
Meine Damen und Herren! Sowohl das Land als auch die Kommunen sind aufgefordert, besser als bisher das Potenzial ihrer Beschäftigten zu erschließen und zu fördern. Eine gute Arbeit des öffentlichen Dienstes zur Sicherung der Daseinsvorsorge setzt gute Arbeitsbedingungen voraus.
In der letzten Wahlperiode wurde im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission „Die Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung im öffentlichen Dienst Sachsen-Anhalt“ eines deutlich: dass den qualitativen Faktoren der Personalentwicklung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.
Im Zuge meiner Behördentour wurde mir eines sehr deutlich: Wir im öffentlichen Dienst haben eine Entwicklung eingeschlagen, die nicht hinnehmbar ist. Aus der Krankenstatistik geht hervor, dass es pro Mitarbeiter 20 bis 29 Krankheitstage gibt. Das ist nicht hinnehmbar. Ein effektiv eingesetztes Gesundheitsmanagement gerade im öffentlichen Dienst ist gefragt.
Aus diesem Grund ist in den zu erarbeitenden Konzepten und Handlungsempfehlungen darauf zu achten, dass diese nicht auf das primäre Ziel der Reduktion der Personalkosten in der Landesverwaltung beschränkt bleiben. Wir streben vielmehr eine Entwicklung im öffentlichen Dienst an, die verstärkt darauf abzielt, das Personal zu motivieren, weiterzubilden, und dem Trend höherer Ausfallzeiten, Burnouts, Frühpensionierungen und Mobbingfällen entgegenwirkt.
Für den Bereich E-Government sind in den letzten Jahren erhebliche finanzielle Ressourcen im Einzelplan 19 bei den Kapiteln 19 03 und 19 10 veranschlagt und gebündelt worden, die bereits eingesetzt worden sind. Selbst ein CIO - Chief Information Officer - wurde eingestellt, um dieses The
ma voranzutreiben. Jedoch wurde es bis jetzt versäumt, ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Landes- und die Kommunalebene vorzulegen.
E-Government eröffnet durch Technik und digitale Vernetzung neue Möglichkeiten, um Verwaltungen effizienter zu gestalten und durch einfache und transparente Prozesse im Verwaltungsablauf Synergien für die Bevölkerung in praktische und vor allem barrierefreie Ableitungen umzusetzen.
Mit der Arbeit dieser Enquetekommission soll zunächst eine Grundsatzfrage beantwortet werden; denn wir verstehen die Enquetekommission zur Verwaltungsmodernisierung und im Zusammenhang mit E-Government als Schlüsselfunktion für Verwaltungsmodernisierung. Daher müssen wir folgende Frage beantworten: Welche Ziele und Synergien sollen durch den Einsatz welcher finanziellen und personellen Ressourcen mit moderner Technik und digitaler Vernetzung auf Landes- und kommunaler Ebene erreicht werden?
Wir geben mit der Beantragung der Enquetekommission auch eine Antwort darauf, dass es die Koalition bisher abgelehnt hat, komplexe Themenfelder durch eigenständige parlamentarische Strukturen zu bearbeiten. Gleichzeitig greifen wir der Koalition etwas unter die Arme, indem wir einen Gegenstand ihres Koalitionsvertrages anpacken, um den SPD und CDU bisher wie die Katze um den heißen Brei herumgeschlichen sind. Hierbei spreche ich beispielsweise von dem im Koalitionsvertrag angekündigten Landesorganisationsgesetz.
Wir fordern in unserem Antrag auch, dass die Enquetekommission ausdrücklich die Möglichkeit haben soll, dem Landtag weitere Ansatzpunkte und Vorschläge zu unterbreiten, welche als Lösungen für die Veränderungen in Sachsen-Anhalt herangezogen werden können.
Neben dem Abschlussbericht ist dem Parlament jährlich ein Zwischenbericht vorzulegen - erstmals vor der Sommerpause 2013.
Zudem wird die Landesregierung gebeten, die Kommission kontinuierlich zu begleiten und dazu ein Ressort, welches federführend tätig sein wird, zu benennen.
Ebenso werden wir die kommunalen Spitzenverbände darum bitten, sich aktiv an der Kommissionsarbeit zu beteiligen. Ich hoffe, dass sich alle Beteiligten zielgerichtet in die Arbeit einfinden, um den Erarbeitungs- und Umsetzungsprozess erfolgreich zu gestalten.
Um die öffentliche Verwaltung entscheidend voranzubringen, braucht Sachsen-Anhalt eine solche umfassende Erhebung, welche die notwendigen Konzepte für eine zukunftsfähige, transparente und finanzierbare öffentliche Verwaltung erarbeitet und die durch klare Verantwortungsstrukturen innerhalb der und zwischen den unterschiedlichen
Ebenen definiert ist. Dabei gilt es, die Voraussetzungen für die gesellschaftliche Teilhabe aller Einwohnerinnen und Einwohner zu gewährleisten.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Landesregierung nicht handeln will, muss das Parlament das Heft des Handelns in die Hand nehmen.
Es lohnt sich überdies, bei dem schwierigen Thema nach parteienübergreifenden Lösungen und Handlungsempfehlungen zu suchen. Natürlich stellt sich auch die Frage: Was wird mit den Ergebnissen einer solchen Enquetekommission passieren? Werden die Empfehlungen auch umgesetzt? - Ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz offen: Diese Frage und die Antwort darauf hängen vom Mut der Abgeordneten in diesem Landtag ab, natürlich in erster Linie von den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen.
Wir, die LINKE, sind jedenfalls bereit, uns dieser schwierigen Aufgabe gemeinsam mit Ihnen allen zu stellen. Ich wünsche mir, dass die anderen Fraktionen hier im Landtag bei dem Versuch mitziehen, die öffentliche Verwaltung konsequent voranzubringen und sie bürgernah und zukunftsfähiger zu gestalten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Kollegin Edler, der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Einsetzung dieser Kommission hat in unserer Fraktion nicht gerade Aufregung ausgelöst.
Deshalb möchte ich fragen, ob Sie bereit sind, tatsächlich keine Denkverbote gelten zu lassen. Ich stelle zwei Fragen. Können Sie sich als Thema dieser Enquetekommission vorstellen, dass wir das Berufsbeamtentum auf die Kernbereiche der Eingriffsverwaltung, also auf Polizei und Justiz, beschränken?
Meine zweite, ganz persönliche Frage lautet: Können Sie sich vorstellen, dass wir in dieser Enquetekommission, so wie das in Schleswig-Holstein gerade der Fall war, auch über die Perspektive einer Länderneugliederung reden, das heißt über die Bildung von Bundesländern mit mindestens fünf Millionen Einwohnern, wie das die Ernst-Kommission schon Anfang der 70er-Jahre vorschlagen