Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

Meine zweite, ganz persönliche Frage lautet: Können Sie sich vorstellen, dass wir in dieser Enquetekommission, so wie das in Schleswig-Holstein gerade der Fall war, auch über die Perspektive einer Länderneugliederung reden, das heißt über die Bildung von Bundesländern mit mindestens fünf Millionen Einwohnern, wie das die Ernst-Kommission schon Anfang der 70er-Jahre vorschlagen

hat, die damals von Bundeskanzler Willy Brandt eingesetzt worden war?

Nach meiner Auffassung wäre es sachgerecht, wenn - da eine Zweidrittelmehrheit nicht zu erwarten ist - der Bundestag gemeinsam mit dem Bundesrat mit einer einfachen Mehrheit einfache Bundesgesetze zur Bildung von Ländern mit mindestens fünf Millionen Einwohnern beschließt und darüber Volksentscheide stattfinden - zeitgleich mit der Bundestagswahl 2017 -, um diese Länderfusion dann zeitgleich mit dem Wirksamwerden der Schuldenbremse im Jahr 2020 wirksam werden zu lassen.

Vielen Dank für die Nachfragen, Kollege Rothe. Die erste Frage wurde bereits von meinen Kolleginnen und Kollegen beantwortet. Zu der zweiten Frage sage ich Ihnen: Sie werden sicherlich in der Enquetekommission mitarbeiten. Da ich in meinem Antrag dazu aufgerufen habe, uns keine Denkverbote aufzuerlegen, und dazu, dass die Kommission frei sein soll, weitere Vorschläge unterbreitet zu bekommen, um ein komplexes, ressortübergreifendes Bearbeitungsfeld für die Zukunft SachsenAnhalts zu finden, sage ich Ihnen: Bringen Sie es noch einmal auf die Tagesordnung. Dann können wir uns mit den gesamten Anhängern der Kommission darüber austauschen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank. Was für ein charmanter Aufruf zur Mitarbeit. - Wir begrüßen jetzt ebenso charmant die Schülerinnen und Schüler der Landesschule Pforta. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sinnigerweise möchte die Landesregierung erst am Ende der Debatte zu Wort kommen. Deshalb rufe ich jetzt die vereinbarte Fünfminutendebatte auf. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge: CDU, GRÜNE, SPD, DIE LINKE. Es beginnt für die CDU-Fraktion der Kollege Kolze. Herr Kolze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem Gewaltenteilungsprinzip ergibt sich ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dieses Hohe Haus ist nicht für die Aufgaben zuständig, die der Landesregierung durch die Landesverfassung zugewiesen sind. Ein Parlament sollte keine Entscheidungen treffen, die in die Ressortverantwortlichkeit der Minister fallen. Denn im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit sind die Minister grundsätzlich für die Organisation innerhalb der ihnen zugewiesenen Geschäftsbereiche zuständig.

Die Aufgaben, die öffentliche Verwaltung konsequent voranzubringen und bürgernah und zukunftsfähig zu gestalten, liegen nach unserer Einschätzung ersichtlich in der verfassungsrechtlichen Verantwortung der Exekutive. Dieses Hohe Haus ist gemäß der Landesverfassung für Fragen des allgemeinen Aufbaus der öffentlichen Verwaltung und ihrer räumlichen Gliederung zuständig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen der LINKEN! Für die Einsetzung einer Enquetekommission müssen wir die verfassungsrechtlichen Grenzen einhalten. Die Verschiebung einer gewollten verfassungsrechtlichen Gewichtsverteilung kann nicht unser Ziel sein.

Im Übrigen erlaube ich mir die Anmerkung, dass der Vorsitzende unserer Fraktion im Vorfeld hierauf schriftlich aufmerksam gemacht hat. Sehenden Auges bzw. mit Blick auf die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken haben Sie nunmehr Ihren Antrag eingebracht. Die CDU hält sich jedenfalls an die von der Landesverfassung vorgesehene Gewaltenteilung und wird sich daher allein aus Respekt gegenüber dem Minderheitenrecht zur Einsetzung einer Enquetekommission bei der Abstimmung über Ihren Antrag der Stimme enthalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einen weiteren Hinweis. Ihr Antrag tangiert ersichtlich den Inhalt des Beschlusses des Landtags vom 11. November des letzten Jahres. Der Landtag hat in der 13. Sitzung einen Beschluss gefasst, der die Landesregierung dazu auffordert, rechtzeitig zum Haushaltsaufstellungsverfahren im Jahr 2014 hinsichtlich Aufgabenbestand, Verwaltungsaufbau und Aufgabenvollzug ein strukturelles Konzept unter Berücksichtigung der im Personalentwicklungskonzept 2011 beschlossenen jeweiligen Personalzielzahlen vorzulegen sowie im Ausschuss für Finanzen ein strategisches, qualitatives und quantitatives Personalmanagementkonzept vorzulegen.

Anfang dieses Jahres hat die Landesregierung den Landtag darüber unterrichtet, dass ein Konzept zur Organisationsstruktur und Aufgabenwahrnehmung erarbeitet wird. Leitlinien und Ziele dieses Vorhabens sollen im Personalmanagementkonzept beschrieben werden. Auch wird die Landesregierung ein strategisch qualitatives und quantitatives Personalmanagementkonzept vorlegen. Dies ist in den Landtagsdrucksachen 6/579 und 6/734 nachzulesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN! Der mit Ihrem Antrag geforderte Arbeitsauftrag wird durch die Landesregierung bereits weitgehend bearbeitet. Bedenken Sie bitte eines: Die Ergebnisse einer Enquetekommission, niedergelegt in einem Abschlussbericht, liegen doch erst dann vor, wenn die Landesregierung gemäß des Beschlusses des Parlaments in der Drs. 6/579 berichtet hat und ein

Konzept zur Aufgabenerledigung vorliegt. Wollen wir wirklich eine Doppelbefassung?

Die Landesregierung hat sich gegenüber dem Landtag bereits dazu bekannt, das Personalentwicklungskonzept zum Personalmanagementkonzept zu qualifizieren. Geben Sie ihr auch die Möglichkeit, sich auf diese Aufgabe mit der hierfür gebotenen Gründlichkeit zu konzentrieren. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank an Sie, Herr Kollege Kolze. Herr Kollege Kolze, es gibt zwei Nachfragen, zum einen von Herrn Gallert, zum anderen von Herrn Wagner. Wollen Sie sie beantworten?

Herr Gallert beginnt. Bitte.

Herr Kolze, die Botschaft, dass Sie sich mit der Verwaltungsmodernisierung hier im Parlament nicht beschäftigen wollen, ist angekommen. Jedoch sage ich noch einmal ausdrücklich: Dafür die Landesverfassung heranzuziehen ist falsch. In der Landesverfassung steht, dass wir das Landesorganisationsgesetz beschließen müssen. Ein Gesetz ist etwas, was hier im Parlament stattzufinden hat. Dabei stehen unter anderem auch solche Dinge zur Debatte wie die Funktionalreform. Das müssen Sie per Gesetz machen. Sie müssen im Haushalt per Gesetz - also hier im Landtag - beschließen, ob Sie Mittel für Weiterbildung und ähnliche Dinge bereitstellen.

Die Argumentation „Wir haben damit eigentlich nichts zu tun, und wir überschreiten unsere verfassungsrechtlichen Kompetenzen, wenn wir uns mit Verwaltungsmodernisierung beschäftigen“, ist also einigermaßen absurd, zumal in mehreren anderen Landtagen solche Enquetekommissionen mit ähnlichen Themenstellungen tagen. Sagen Sie ehrlich, warum Sie sich nicht damit beschäftigen wollen. Schieben Sie nicht die Verfassung vor.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Gallert! Natürlich wird in der Endkonsequenz dieses Hohe Haus über entsprechende Organisationsgesetze zu beschließen haben. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Landesverfassung einschlägig ist, wenn wir in die Organisationshoheit unserer Ministerinnen und Minister eingreifen.

Jetzt käme die Frage des Kollegen Wagner. - Das hat sich erledigt; er wollte Gleiches oder Ähnliches fragen. Vielen Dank, Herr Kolze. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Kollege Herr Erdmenger. Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die von der LINKEN vorgeschlagene Enquetekommission spricht aus unserer Sicht ohne Zweifel ganz wichtige Fragen an, mit denen sich das Parlament beschäftigen soll. In diesem Sinne kann ich den Redebeitrag, den wir hier von Herrn Kolze gehört haben, nicht teilen, dass wir uns mit den Themen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beschäftigen sollten.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

In dem Antrag bleibt an vielen Stellen relativ unklar, worauf wir hinauswollen. Das hat uns unsicher werden lassen bei der Frage, ob wir den Antrag unterstützen können. Zum Beispiel geht es um die Forderung, dass die öffentliche Verwaltung vorangebracht werden soll. Sie werden mir Recht geben, dass das sehr vage ist.

(Herr Borgwardt, CDU: Schreiten wir voran Seit an Seit, hieß es einmal!)

Nichtsdestotrotz sind die drei Themenbereiche konkret benannt, um die wir uns kümmern können. Wir denken, die Strukturfragen und die Frage, wie wir in der Verwaltung gute Arbeit organisieren können, sind tatsächlich Fragen, über die sich eine Enquetekommission Gedanken machen und die eine Enquetekommission voranbringen kann.

Zweifel kommen uns, wenn es um die Fragen geht, die unter dem Begriff „E-Government“ aufgeführt sind. So zu tun, als wäre E-Government sozusagen eine moderne Technik, die im Anmarsch sei, und man müsse sich darauf einstellen, wie wir in der Zukunft damit umgingen, das ist aus unserer Sicht eine falsche Wahrnehmung. Die Wahrheit ist doch, dass wir mitten drin sind. Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst schnell die verschiedensten Anforderungen, die in dem Antrag formuliert sind, umgesetzt werden, aber nicht erst drei Jahre darüber reden, wie wir die einzelnen Anforderungen gewichten und miteinander verkuppeln können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem Sinne sehen wir der Einsetzung der Enquetekommission mit Neugier entgegen, werden uns bei der Beschlussfassung aber der Stimme enthalten.

Vielen Dank, Herr Kollege Erdmenger. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Erben. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE! Um es vorwegzunehmen: Die Koalitionsfraktionen werden Ihren Einsetzungsantrag mit einer Enthaltung passieren lassen; denn es ist nun einmal Ihr verbrieftes Minderheitenrecht. Wenn bei der Kommissionsarbeit überhaupt irgendetwas herauskommen soll, dann muss das Gremium sicherlich schnell zum Laufen gebracht werden.

Ich werde es Ihnen aber nicht ersparen, Sie auf die Gründe hinzuweisen, warum wir die Enquetekommission als ein ungeeignetes Instrument zur Fortentwicklung der Landesverwaltung ansehen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Erstens. Es ist wahrlich nicht die erste Enquetekommission, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Es wurden schon viele Erkenntnisse gewonnen, aber mit der Umsetzung hapert es letztlich immer wieder.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Richtig!)

Ich will an die Enquetekommission erinnern, die im Jahr 1994 immerhin einmal den Verzicht auf die Mittelinstanz empfohlen hat.

(Herr Grünert, DIE LINKE: Ja, so war das!)

Wir sehen, was daraus geworden ist. Auch in der letzten Legislaturperiode wurde eine Kommission zu diesem Thema eingesetzt.

Was soll die Kommission nun eigentlich erreichen: neue Erkenntnisse, die kaum zu Umsetzungsmaßnahmen führen? Ich glaube, allein das wäre ein Grund, um sie nicht einzusetzen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Zweitens. Wenn wir als Landtag nachhaltig auf den Veränderungsprozess Einfluss nehmen wollen, der nun einmal wesentlich von der Landesregierung bestimmt wird - worauf Herr Kollege Kolze schon hingewiesen hat -, dann müssen die Zahnräder wenigstens ineinandergreifen und sich nicht allein vor sich hin drehen.

Wir haben der Landesregierung erst vor wenigen Monaten eine Reihe von Aufträgen zum Thema Personalentwicklung, zum Thema Aufgabenkritik oder zum Thema Aufgabenerfüllungskonzepte mit auf den Weg gegeben. Mir ist schleierhaft, wie Sie die Arbeit der Enquetekommission mit der Abarbeitung der Aufträge dieses Hauses durch die Landesregierung halbwegs vernünftig synchronisieren wollen.

Drittens. Welche neuen Erkenntnisse erwarten Sie überhaupt? - Ich will Ihnen sagen, was ich erwarte: Die Kommission wird wohl als Klagemauer für Ein

zelinteressen von Behördenleitern und Beschäftigtengruppen genutzt werden.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU, und von Staatsminister Herrn Robra)

Die Landesregierung wird das Podium sicherlich auch nutzen, um dem Parlament zu erklären, was sie in den letzten Jahren alles Tolles geleistet hat.