Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Ja, natürlich. Sie können aber nicht den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einbringen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Wenn man meine Rede gehört hat, dann verbietet sich das von selbst.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD bringen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung abgeordnetenrechtlicher Vorschriften ein.

Ich möchte mich in der Einbringung - sicherlich nicht überraschend - auf die von der Diätenkommission vorgeschlagene und von den Koalitionsfraktionen übernommene Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung konzentrieren.

Über Diätenerhöhungen wird in der Bevölkerung immer - wie ich meine, zu Recht - sehr kontrovers diskutiert. Dies ist für Abgeordnete, die sich dieser Diskussion stellen, nicht immer einfach. Ich verstehe auch, dass manche Menschen, vor allem diejenigen, die deutlich weniger verdienen, in dieser Diskussion ihren Unmut zum Ausdruck bringen.

Zunächst stellt sich die Frage, warum wir in diesem Hohen Haus selbst entscheiden müssen. Es ist ein

scheinbares Privileg, dass Parlamentarier die Höhe der Entschädigung selbst festlegen. In Wahrheit ist es eine Last; denn es gibt keinen Tag im Jahr, an dem es in die politische Landschaft passt zu sagen, dass eine Angleichung notwendig ist. Für viele von uns wäre es wesentlich einfacher, bequemer und konfliktärmer, sich zurückzulehnen und diese Entscheidung anderen zu überlassen. Wir haben aber niemanden, der uns diese Entscheidung abnimmt. Dies haben die Väter unserer Verfassung nicht vorgesehen.

Die Festsetzung, Überprüfung und Anpassung der angemessenen, die Unabhängigkeit sichernden Entschädigung ist allein Aufgabe des Gesetzgebers, da die Regelung der Entschädigung unter Gesetzesvorbehalt steht. Eine auch nur teilweise Übertragung dieser Aufgabe auf andere Institutionen ist selbst im Wege einer Verfassungsänderung ausgeschlossen. Die Verfassung will eine öffentliche Debatte, sonst würde in der Verfassung stehen, dass Abgeordnete wie Richter zu entschädigen seien.

Wir tragen damit bei unserem Willensbildungsprozess im Gegensatz zu hauptamtlichen kommunalen Mandatsträgern eine besondere Begründungslast gegenüber der Öffentlichkeit. Dies ist auch richtig so. Es ist notwendig, dass wir diese Last spüren, dass wir sie tragen und versuchen, ihr gerecht zu werden. Dies ist nur auf eine Weise möglich, nämlich indem wir hierfür einen Maßstab finden. Das ist der einzige Weg, Größenordnungen plausibel zu machen. Nur dadurch, dass man sich an einen Maßstab hält, kann man Plausibilität, Nachvollziehbarkeit und damit Transparenz und Akzeptanz schaffen.

Sachsen-Anhalt ist das einzige Bundesland, in dem in der Verfassung verankert ist, dass eine unabhängige, nicht an Weisungen gebundene Kommission in einem transparenten Verfahren die Entschädigung in Gänze kritisch prüft. Dieses Verfahren stellt sicher, dass stets eine kritische Würdigung erfolgt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident des Landtages hat die Stellungnahme der Diätenkommission eingeholt. Dieses Sachverständigengremium ist wiederum breit aufgestellt. Darin sitzen der Präsident des Landessozialgerichts, die Präsidentin des Landgerichts Magdeburg, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes - Landesbezirk Sachsen-Anhalt, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, der Präsident des Statistischen Landesamtes, ein ehemaliges Mitglied des Landesrechnungshofes sowie der ehemalige Vizepräsident des Landtags von Sachsen-Anhalt, jedoch kein aktives Mitglied dieses Hauses.

Unser Dank gilt dem ehrenamtlichen Engagement dieser Diätenkommission. Wir haben die Vorschläge zur Kenntnis genommen und steigen nunmehr

in die öffentlich kritisch begleitete Überantwortung an den Landesgesetzgeber ein.

Die unabhängige Kommission gibt wie auch die Kommissionen der vierten und fünften Wahlperiode die Empfehlung, die Höhe der Grundentschädigung der Abgeordneten an dem Endgrundgehalt eines Richters im Land Sachsen-Anhalt in der Besoldungsgruppe R 1 zu orientieren. Diese Besoldungsgruppe gilt für 73 % der Richter in SachsenAnhalt.

Der Vergleich mit Richtern ist insbesondere deshalb gut geeignet, weil Landtagsabgeordnete bei der Ausübung ihres Mandats an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind und dies mit der richterlichen Unabhängigkeit vergleichbar ist.

Abgeordnete und Richter nehmen im Gefüge der Verfassung einen vergleichbaren Rang ein. Erlauben Sie mir einige grundsätzliche Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Verantwortung der Abgeordneten dieses Hohen Hauses; denn diese findet in der öffentlichen Diskussion ganz gewiss zu wenig Beachtung.

Wir können, glaube ich, erhobenen Hauptes sagen, dass allein die Abgeordneten des Landtages die verfassungsrechtliche Kompetenz haben, über die Gesetze für Sachsen-Anhalt zu beraten.

Wir entscheiden über den Jahresetat des Landes, der bekanntlich bei mehr als 10 Milliarden € liegt.

Die Aufgaben der Abgeordneten dieses Hohen Hauses brauchen den Vergleich mit anderen Führungsaufgaben und Verantwortlichkeiten nicht zu scheuen.

Neben der Verantwortung für die Gesetzgebung des Landes tragen wir die Verantwortung für die kritisch zu hinterfragende Regierungskontrolle und ebenfalls für die Ausschussarbeit. Nicht zu vergessen sind die hohe Arbeitsbelastung auch am Wochenende und die Notwendigkeit des öffentlichen Spagats zwischen Magdeburg und dem Wahlkreis zur Kommunikation mit den Bürgern vor Ort bei den zahlreichen Terminen und Veranstaltungen. Hierfür stehen wir im Fokus der Öffentlichkeit und müssen unsere Entscheidungen rechtfertigen.

Zur oft kritisierten Vergleichbarkeit mit der Endstufe in der Besoldungsgruppe R 1 nur so viel: Das gegenwärtige Durchschnittsalter der Abgeordneten in unserem Landtag beträgt 48 Jahre. Etwa in diesem Lebensalter erreicht auch ein Richter die Endstufe in seiner Besoldungsgruppe. Die Orientierung an der Besoldungsgruppe R 1 ist daher nach unserer Überzeugung angemessen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch das gehört zur Wahrheit: Es muss auch immer eine gewisse Vergleichbarkeit mit den Einkommen derjenigen bestehen, die sich von der Verantwor

tung und vom Anforderungsniveau her in vergleichbaren beruflichen Positionen im öffentlichen Dienst befinden. Zirka 4 500 Landesbedienstete beziehen ein Bruttogehalt von mehr als 5 000 DM im Monat.

(Frau Niestädt, SPD: Euro! - Weitere Zurufe: Euro!)

- 10 000 DM hätten wahrscheinlich genauso gut geklungen wie 5 000 €. Danke schön. 5 000 €, das habe ich auch geschrieben.

1 451 Landesbedienstete haben ein Bruttoeinkommen von mehr als 6 000 € im Monat.

Vergleichen wir die Höhe der Grundentschädigung der Abgeordneten mit dem Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes, dann ist Folgendes festzustellen: Die gegenwärtige Grundentschädigung entspricht dem Grundgehalt eines Beamten in der Ministerialverwaltung in der Besoldungsgruppe A 14 in der Endstufe. In dieser Besoldungsgruppe sind regelmäßig Referenten bzw. stellvertretende Referatsleiter eingeordnet.

Wir sollten uns bei objektiver Betrachtungsweise darüber im Klaren sein - ohne überheblich zu wirken -, dass das, worüber die Abgeordneten zu entscheiden und was sie zu verantworten haben, nicht nur für sie selbst, sondern für das ganze Land von enormer Tragweite ist.

Vergessen Sie bitte auch nicht die kommunalen Wahlbeamten. Ein der Höhe der gegenwärtigen Grundentschädigung entsprechendes Gehalt erhalten Bürgermeister einer Gemeinde mit 5 000 bis 10 000 Einwohnern. Ich will nicht spekulieren, aber wenn wir einmal die Einwohnerzahlen in unseren Wahlkreisen zugrunde legen - und die Einwohnerzahlen liegen ja bei allen anderen als Bezugspunkt zugrunde -, dann müssten wir zwischen den Besoldungsgruppen B 6 und B 7 eingeordnet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir auch weiterhin nicht brauchen, ist, dass überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte von einer Bewerbung für dieses Mandat allein deshalb abgehalten werden, weil die Mandatsannahme mit erheblichen Einkommensverlusten verbunden wäre. Wir bekommen die Besten gar nicht in die Auswahl, wenn wir ihnen nicht das Gefühl vermitteln, dass sie für das, was von ihnen verlangt wird, annähernd adäquat bezahlt werden. Wir brauchen eine politische Verantwortung mit den Besten in unserem Land.

Meine Damen und Herren! Ein Aspekt kommt meiner Ansicht nach immer zu kurz. Das Mandat ist ein Mandat auf Zeit und nicht auf Lebenszeit. Das heißt, dass die meisten Mitglieder dieses Hohen Hauses für einen überschaubaren Zeitraum ihre eigene Lebens- und Arbeitsbiografie unterbrechen, um als Parlamentarier an der Entwicklung ihres Landes und ihrer Heimat mitzuwirken. Nicht alle

können nach dem Ausscheiden aus dem Parlament ohne Weiteres in ihr altes Tätigkeitsfeld zurückkehren. Auch deshalb haben wir die Verpflichtung, einer letztlich immer befristeten Verantwortung eine adäquate Vergütung gegenüberzustellen.

Dem Einzug in das Parlament geht ein jahrelanges ehrenamtliches Engagement - das beziehe ich auf alle Fraktionen in diesem Hause - auf den unterschiedlichen Ebenen voraus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zugegeben, der Steigerungsbetrag sieht auf den ersten Blick sehr üppig aus. Er schließt aber die nächsten fünf Jahre mit ein. Ferner kommt hinzu, dass der Landtag in beiden Wahlperioden um einen Betrag in Höhe von insgesamt 310 € hinter den Vorschlägen der Kommission zurückgeblieben ist. Auch durch die Angleichung der Ost- an die WestGehälter im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 hat sich der Abstand zur Richterbesoldung erhöht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir abschließend noch ein paar Worte zu weiteren Punkten des Gesetzentwurfes. Abgeordnete erhalten in der ersten Wahlperiode auf Antrag und Nachweis der Aufwendungen einen Zuschuss für die Einrichtung eines Wahlkreisbüros von höchsten 1 534 €. Nach dem Willen der Koalitionsfraktionen soll dieser Zuschuss ab der siebenten Wahlperiode auch an Abgeordnete gezahlt werden, wenn nach zwei ununterbrochenen Wahlperioden in der dritten Wahlperiode eine Erneuerung der Büroausstattung nötig wird.

Ab dem 1. Juli 2012 soll dieser Zuschuss für aus dem Landtag ausgeschiedene Abgeordnete bei einem erneuten Einziehen in das Parlament gezahlt werden, wenn zwischen dem Ausscheiden und dem Einzug mindestens ein Jahr liegt. In diesen Fällen ist aufgrund der im Regelfall vorgenommenen Abwicklung die Einrichtung eines neuen Büros notwendig.

Auf Antrag sollen anstelle der Zahlung von Übernachtungsgeld 75 % der nachgewiesenen Kosten für eine Zweitwohnung in Höhe von 256 € monatlich gezahlt werden, wenn eine überwiegende Anwesenheit am Sitz des Landtages notwendig ist. Zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands ist die Umstellung von Antrag und Nachweis auf eine Pauschale avisiert.

Ab der siebenten Wahlperiode soll der Landtagspräsident zweimal in einer Wahlperiode Bericht zur Angemessenheit der Entschädigung erstatten. Mögliche Entwicklungen der Besoldung können hierdurch besser und schneller berücksichtigt werden.

Es wurde auch konkretisiert, dass die Entschädigungszahlungen künftig ab dem Tag der Annahme der Wahl geleistet werden sollen.

Für den Präsidenten, die Vizepräsidenten und die Ausschussvorsitzenden soll die Entschädigung künftig für die Zeit der Ausübung der Funktionen geleistet werden. Hierdurch soll verhindert werden, dass aus der Funktion und aus dem Landtag Ausgeschiedene bessergestellt werden.

Mit dem Gesetzentwurf erfolgt auch eine redaktionelle Überarbeitung des § 24 des Landesbesoldungsgesetzes, um aufgetretene Auslegungs- und Anwendungsprobleme zu beseitigen, indem aus verfassungsrechtlichen Gründen die Anerkennung der Mitgliedschaft im Europäischen Parlament, im Deutschen Bundestag und im Parlament eines Landes als Erfahrungszeit ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen wird. Schließlich sind noch erforderliche Folgeänderungen sowie Klarstellungen und redaktionelle Änderungen vorgesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich, da wir eine verbundene Debatte vereinbart haben, auch auf den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen.

Der Präsident hat den Landtag am 27. März 2012 mit seinem Bericht zur Angemessenheit der Entschädigung der Abgeordneten des Landtags von Sachsen-Anhalt für die sechste Wahlperiode über seinen Vorschlag zur Anpassung der Grundentschädigung unterrichtet. Gleichzeitig hat er uns den Bericht der Diätenkommission vom 19. März 2012 vorgelegt.

Unter Bruch jeder parlamentarischen Absprache hat uns am 17. April 2012 der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erreicht, der Ihre Unkenntnis über ein bewährtes Altersversorgungssystem offensichtlich macht und den man nur als einen Schnellschuss bezeichnen kann.

Frau Kollegin Dalbert hat am 20. März noch lautstark verlauten lassen, dass es der Respekt vor der Landesverfassung gebiete, dem Vorschlag, den der Landtagspräsident in das Parlament einbringt und der sich maßgeblich am Vorschlag der Diätenkommission orientiert, zu folgen.

Ihr Antrag bekundet nunmehr die Absicht, einen grundsätzlichen Systemwechsel in der Altersversorgung der Abgeordneten, eine gänzliche Abkehr von der linearen Altersversorgung vorzunehmen. Ich habe nur Unverständnis dafür, dass Sie ohne die Vorlage von Modellrechnungen, ohne bundesweite Vergleiche und ohne Einbeziehung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes hier aus der Hüfte schießen.

Der wahre Hintergrund Ihres Gesetzesvorschlages ist - das ist aufgrund der Genese offensichtlich -, dass bei der Thematik Abgeordnetenentschädigung eine große Kluft zwischen Ihrer Fraktion und Ihrem Landesverband besteht und Ihre bröckelnde Basis Sie zu diesem außergewöhnlichen Schritt bewegt hat.

Wir sind grundsätzlich für die avisierte Anhebung der Abgeordnetenentschädigung auf das Niveau der Richterinnen und Richter. Ihre Zustimmung machen Sie jedoch davon abhängig, dass auch eine Anpassung an die Rentenbezüge und an das Beamtenversorgungsgesetz erfolgt. - so jedenfalls Ihre Pressemitteilung vom 14. April dieses Jahres. Gemäß Ihren Verlautbarungen wollen Sie damit erreichen, dass die Altersversorgung der Abgeordneten auf die Hälfte des heutigen Niveaus absinken soll.

Die Wahrheit, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, sieht jedoch anders aus. Bedienen wir uns einmal einer kleinen Modellrechnung. Die Höhe der Altersentschädigung eines Landtagsabgeordneten in Sachsen-Anhalt richtet sich nach der Dauer der Mitgliedschaft im Parlament. Für jedes Jahr im Landtag beträgt sie 3 % der Abgeordnetenentschädigung, jedoch höchstens 69 %. Gehört zum Beispiel ein Abgeordneter dem Landtag eine gesamte Wahlperiode von fünf Jahren an, erhält er nach derzeitiger Rechtslage bei Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente in Höhe von 719,55 €.