Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

In dieser Studie noch nicht einmal enthalten sind die Auswirkungen in der Medizin. Natürlich vor

kommende Verbindungen sind die Grundlage für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Niemand weiß, wie lang die Liste der Arzneimittel, der wirksamen Substanzen würde, wenn einmal alles untersucht wäre. Somit weiß auch niemand, welches Potenzial verschwindet, wenn eine Art oder eine regionale Varietät verschwindet.

Meine Damen und Herren! Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einer Rede einmal den interessanten Fall des Magenbrüterfrosches dargestellt. Forscher hatten festgestellt, dass eine Froschart in Australien nach dem Laichen die gelegten Eier verschluckte, im Magen ausbrütete und nach geraumer Zeit winzige Frösche ausspuckte. Sie fanden auch heraus, dass die Kaulquappen mittels einer besonderen Substanz die Magensäureproduktion hemmten.

Doch bevor die Wissenschaftler, die Forscher diese Substanz näher untersuchen und daraus ein wirksames Mittel zur Hemmung der Magensäureproduktion erforschen konnten, starb die Froschart aus und damit gleichzeitig auch die Hoffnung der Wissenschaft, ein neues Mittel gegen Magengeschwüre zu entwickeln.

Meine Damen und Herren! Auch hierzulande können solche Beispiele vorkommen, denn niemand kann vorhersagen, welches spezielle Genpotenzial einer Art bzw. dessen regionaler Varietät wesentlich sein könnte für die Bekämpfung von neuen Krankheiten. Besonders wichtig ist deswegen auch die Erhaltung alter Tierrassen und Pflanzensorten, die einmal zur Sicherung unserer Nahrungsmittelversorgung unverzichtbar sein könnten.

Meine Damen und Herren! Insgesamt ist es daher gerechtfertigt, von einer existenziellen Bedrohung für die Menschheit zu reden. Dies unterstreicht noch einmal, wie dringend es ist, konsequent zu handeln, denn ähnlich wie beim Klimawandel gilt: Das Handeln ist allemal billiger, als später die Kosten zu tragen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deswegen ist es wichtig, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt über dieses Thema diskutiert. Auch die Behandlung des Themas als ersten Punkt heute unterstreicht die Bedeutung, die wir diesem Problem beimessen.

Die Annahme des Antrags würde unterstreichen, dass uns funktionsfähige Ökosysteme und die Ökosystemdienstleistungen, die sie bereitstellen, wichtig sind, dass wir den unschätzbaren Wert intakter Ökosysteme auch für die Wissenschaft anerkennen und langfristig erhalten wollen, dass die biologische Vielfalt uns lebensnotwendige Güter, wie Wasser, saubere Luft und fruchtbare Böden, zur Verfügung stellt und dass unsere Nahrungsgrundlage auf der Funktionsfähigkeit der Ökosysteme basiert, auf dem Zusammenspiel von Arten,

das wir in seiner gesamten Komplexität nur erahnen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich sage es ganz deutlich: Natur- und Artenschutz, die Erhaltung der Artenvielfalt sind kein Luxus, den man sich in Zeiten knapper Kassen nicht mehr leisten kann, sondern sind vielmehr unsere Existenzgrundlage und die Basis für jegliche wirtschaftliche Aktivität.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wie ist die Situation in Sachsen-Anhalt? - Auf den ersten Blick recht positiv, denn Sachsen-Anhalt hat als eines der Bundesländer die Biodiversitätsstrategie des Bundes durch eine eigene Strategie untersetzt. Bei näherem Hinsehen erkennt man aber, dass diese Strategie sehr allgemein gehalten ist und keine klaren Maßnahmen benennt, die das Land zur Erhaltung der Artenvielfalt treffen wird. Somit muss diese Strategie wirkungslos bleiben.

Der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Aeikens hat im November 2011 angekündigt, im ersten Quartal 2012 einen Aktionsplan zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt vorzulegen. Ich frage Sie, Herr Dr. Aeikens: Wo ist diese Strategie und wo ist der Aktionsplan, der diese untersetzen soll? - Es darf nicht sein, dass solche wichtigen Themen immer wieder auf die lange Bank geschoben werden und nur bloße Ankündigungen bleiben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deswegen fordern wir mit unserem Antrag den Aktionsplan zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie ein. In diesem Aktionsplan sollen die Maßnahmen konkret benannt werden, die notwendig sind, um die Artenvielfalt in Sachsen-Anhalt zu erhalten.

Welche Inhalte soll dieser Aktionsplan haben? - Unter anderem soll dargelegt werden, wie Artenhilfsprogramme umgesetzt werden können. Im Rahmen des Aktionsplanes sollen auch die Arten und Lebensraumtypen benannt werden, für die Sachsen-Anhalt eine besondere Verantwortung trägt.

Anhand der vorliegenden Daten lassen sich bereits einige Arten, zum Beispiel Rotmilan, Großtrappe, Heldbock, Biber und Wolf, sowie verschiedene Lebensraumtypen, zum Beispiel Salzbiotope und Auenbereiche, identifizieren. Aber eine wissenschaftliche Ausarbeitung dazu fehlt, und ich frage Sie, Herr Dr. Aeikens: Warum ist es in Sachsen-Anhalt nicht möglich, solch eine Ausarbeitung vorzulegen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

In dem Aktionsplan soll auch aufgezeigt werden, wie durch ein Bestandsmonitoring der Arten und Lebensräume dezidierte und verifizierbare Angaben zum Vorkommen, zur Verbreitung und zum

Gefährdungsgrad der entsprechenden Arten gemacht werden sollen, wie ein Moorschutzprogramm etabliert und implementiert werden kann und viele weitere wichtige Themen, auf die ich hier im Detail nicht weiter eingehen kann.

Meine Damen und Herren! Ziel des Aktionsplanes soll es sein, den Biodiversitätsschutz als Querschnittsaufgabe in die Politik der Landesregierung zu integrieren und somit auch für verschiedene Fachplanungen nutzbar zu machen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt als integraler Bestandteil sämtlicher Planungen und Entscheidungen berücksichtigt werden kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Zwar begrüßen Sie einen Aktionsplan und erwähnen eine Umsetzungsplanung, die auch schon im Koalitionsvertrag verankert wurde; allerdings ist der Antrag in vielen Bereichen davon gekennzeichnet, dass Sie die Möglichkeiten der Biodiversitätsstrategie verkennen. Denn ohne einen Aktionsplan und ohne die Umsetzung der im Aktionsplan dargestellten Maßnahmen kann die Strategie eben nicht dazu beitragen, dass Entscheidungen daran gemessen werden, welche Auswirkungen sie auf den Erhalt der Artenvielfalt haben.

Laut Begründung soll der begrüßte Aktionsplan darüber Auskunft geben, inwieweit die Ziele der Strategie bereits umgesetzt sind. Daran lässt sich ablesen, wohin die Reise gehen soll: Es sollen bloß die Pflichtaufgaben des Landes im Natur- und Artenschutz als progressives Handeln verkauft werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin im Übrigen sehr gespannt, ob Sie bei diesen Absichtserklärungen, die Sie in Ihrem Alternativantrag deutlich gemacht haben, auch im Blick haben, dass Sie die erwähnte Vorhabenplanung für diese Wahlperiode laut Ihrem Koalitionsvertrag noch im Jahr 2012 vorlegen wollen. Ich bin gespannt, ob das erreicht werden kann. Wir jedenfalls werden Sie ganz sicher im Januar 2013 an dieses Versprechen erinnern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erich Kästner hat einmal gesagt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Das soll heißen: Es reicht nicht aus, ambitionierte Ziele zu formulieren, wenn man sich dann nicht um deren Umsetzung kümmert.

Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wollen nicht eine Landesregierung, die ihre Aufgabe nur darin sieht, die Pflichtaufgaben zu verwalten. Wir wollen, dass die Landesregierung auch Ambitionen bei der Formulierung und Umsetzung eigener Ziele ent

wickelt, und das gerade weil es sich bei dem Erhalt der Artenvielfalt nicht um eine leichte Aufgabe handelt.

Wir wissen, dass der Schutz der Biodiversität eine komplexe Aufgabe ist und viel Know-how und auch Ressourcen abverlangt; aber es geht schließlich um nichts weniger als den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Deswegen brauchen wir ein starkes Signal für die Erhaltung der Artenvielfalt in Sachsen-Anhalt, ein Signal für eine Trendwende bei einem Prozess, der existenzielle Bedeutung für uns und unsere Nachkommen hat. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Weihrich. - Ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf Gäste lenken. Wir dürfen Gäste begrüßen: Damen und Herren der Landesarbeitsgemeinschaft „Aktiv im Ruhestand“ als Gäste der Landeszentrale für politische Bildung sowie Schülerinnen und Schüler der Comenius-Sekundarschule in Salzwedel. Herzlich willkommen im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir haben uns im Ältestenrat auf eine Fünfminutendebatte verständigt. Zunächst spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Antrag unter der Überschrift „Biodiversität sichern - Arten schützen“ eingebracht. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, einen Aktionsplan zur Biodiversität des Landes SachsenAnhalt vorzulegen. Fachliche Vorgaben sollen bei der Erarbeitung des Aktionsplans berücksichtigt werden und letztlich soll jährlich ein Bericht zur Umsetzung veröffentlicht werden und es soll darüber im Umweltausschuss berichtet werden.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen sind sich der Bedeutung dieser Thematik durchaus bewusst. Die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie fand bereits Eingang in unsere Koalitionsvereinbarung. Sie hat damit einen besonderen politischen Stellenwert. Auch praktisch steht die ressortübergreifende Erarbeitung eines Aktionsplans längst auf der Agenda. Deshalb, Herr Weihrich, ist die Aufforderung an die Landesregierung überholt und hinfällig.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Bereits im Mai 2010 hat das Kabinett die Biodiversitätsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt verab

schiedet. Sachsen-Anhalt war zu diesem Zeitpunkt eines der ersten Bundesländer mit einer eigenen Strategie, die übrigens - im Gegensatz zu den Strategien in vielen anderen Ländern, die nur über Ressortstrategien verfügen - ressortübergreifend erarbeitet worden ist.

Bundesweit schaut man mit Respekt auf die Entwicklung von Lebensräumen und Arten, für die Sachsen-Anhalt eine besondere Verantwortung hat. Naturfreunde wissen zum Beispiel um eine der letzten Großtrappenpopulationen Europas in den Belziger Landschaftswiesen Brandenburgs, übergreifend zum Fiener Bruch in Sachsen-Anhalt. Dass diese Population heute wieder das Zweieinhalbfache an Individuen umfasst, ist einem staatlichen Schutzprojekt zur Rettung dieser Art zu verdanken, das seinen Anfang in den 70er-Jahren hatte und bis heute auch auf dem Gebiet SachsenAnhalts kontinuierlich fortgeführt wird.

Sie wissen darüber hinaus, meine Damen und Herren, dass auch der Wolf wieder sein Revier in Sachsen-Anhalt hat und sich hier offenbar außerordentlich wohl fühlt.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine besondere Verantwortung trägt SachsenAnhalt auch für die besonders artenreichen Salzwiesen des Binnenlandes. Mithilfe einer gezielten Landschaftspflege gemeinsam mit Landwirten sind wir auf einem guten Weg, um den Wert dieser besonderen Biotope zu steigern.

Sachsen-Anhalt braucht sich bei der Biodiversität nicht zu verstecken. Wir werden unsere Strategien von einer soliden Basis aus selbstbewusst entwickeln und umsetzen.

Zum aktuellen Stand des Aktionsplans - Sie hatten das angemahnt, Herr Weihrich - möchte ich Folgendes sagen: Es ist zunächst eine Arbeitsgruppe auf der Ebene des Landwirtschafts- und Umweltministeriums mit der Umsetzung der Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beauftragt worden. Den Ressorts wird ein Entwurf des Aktionsplans in Kürze vorgestellt werden. Ich gebe zu, es gibt hierbei eine kleine Verzögerung; aber bei uns geht Qualität vor Schnelligkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Bereich wird nichts auf die lange Bank geschoben, es wird intensiv gearbeitet. Man ist immer wieder mit neuen Fragestellungen konfrontiert, die wir zunächst einer intensiven Analyse unterziehen, bevor wir schnell und übereilt handeln. Der Aktionsplan wird kommen.

Es ist nicht nur mein Eindruck, dass wir auch darüber hinaus gut vorankommen. So konnten wir etwa die Voraussetzungen für eine Verminderung der Flächeninanspruchnahme schaffen und Fortschritte bei der Wiederherstellung der Bodenfunk