Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Auch dieser Zustand ist nicht neu. Er wird nur schlimmer. Bereits im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission war das Kultusministerium trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht in der Lage, die konkreten Auswirkungen auf das Schulnetz, die Unterrichtsversorgung und die Qualität der Bildungsangebote zu nennen. Wie will man aber,

wenn dies nicht vorliegt, die Anträge aus der Lehrerschaft bewilligen oder ablehnen?

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mitte März durch die GEW vorgelegten Zahlen zu Unterrichtsausfall und Lehrergesundheit haben aufgeschreckt. Sie sind dramatisch und führen hoffentlich zu Konsequenzen. Eine Million Unterrichtsstunden sind im Schuljahr 2011/2012 nicht planmäßig erteilt worden. Das sind immerhin 10 %. Der Anteil der langzeiterkrankten Lehrkräfte ist innerhalb der letzten sieben Jahre von 0,8 % um 1 % auf 1,8 % gestiegen.

Der Unterrichtsausfall durch erkrankte Lehrerinnen und Lehrer stieg je nach Schulform im gleichen Zeitraum zwischen 4 % und 8,5 %. Das verfügbare Arbeitsvermögen ist im Zeitraum von 2004/2005 bis 2011/2012 von 17 682 auf 14 008 Unterrichtsstunden gesunken. Es ging sozusagen im Sturzflug abwärts. Wir meinen, dass das gesamte Parlament und die Landesregierung eine Mitverantwortung beim Umsteuern haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zweite Beispiel betrifft den Justizvollzug. Die Diskussionen über die Strukturreform im Justizvollzugsbereich ließen bereits eines deutlich erkennen: Es besteht jetzt schon ein deutliches Defizit, wenn man das verfügbare Personal betrachtet.

Am 1. Januar 2012 waren im Justizvollzug Sachsen-Anhalts insgesamt 1 215 Bedienstete tätig. Tatsächlich verfügbar sind jedoch nur 1 186. Hinzu kommt der extrem hohe Krankenstand von täglich durchschnittlich 56 Bediensteten. Somit besteht bereits heute ein strukturelles Personaldefizit von insgesamt 85 Bediensteten gegenüber dem berechneten Mindestpersonalbedarf von 1 249 Bediensteten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien überhaupt Bewilligungen erfolgen können. Eigentlich können keine erfolgen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Nach unseren Informationen sind im Bereich der freiwilligen Absenkung der Arbeitszeit im Justizvollzug bereits 54 Genehmigungen im Tarifbereich und elf im Beamtenbereich erteilt worden. Was nützt der Grundsatz der Resozialisierung, wenn wir durch Personalmangel immer mehr in die Situation von Verwahranstalten rutschen?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren! Unter Punkt 1.2 des Antrags wird hauptsächlich nach den Kompensationsstrategien der Landesregierung gefragt. Die im Wesentlichen möglichen Strategien sind in dem Antrag aufgezählt worden. Am Ende dieser Aufzählung wird auch nach der Werbekampagne des Ministerpräsidenten auf Weihnachtsmärkten und in Gaststätten in den alten Bundesländern gefragt.

Nach den Aussagen im Finanzausschuss am 4. April 2012 im Zusammenhang mit der Petition bezüglich des Dienstherrenwechsels stellte die Landesregierung unmissverständlich klar, dass sich die Kampagne nicht nur teilweise nicht auf den öffentlichen Dienst, sondern überhaupt nicht auf den öffentlichen Landesdienst bezieht. Diese Aussage hat die Akzeptanz hinsichtlich dieser Aktivitäten aus unserer Sicht noch einmal deutlich infrage gestellt.

Ist es nicht paradox, dass der größte Arbeitgeber Sachsen-Anhalts mit seinem höchsten Repräsentanten um junge, abgewanderte Sachsen-Anhalterinnen wirbt, selbst aber außerhalb des Geschehens steht, dass die Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft an die Unternehmen appelliert, das junge Ingenieurpersonal pfleglich zu behandeln und ihm eine Perspektive zu geben? Wie muss das angesichts des eigenen Umgangs mit jungen Menschen im öffentlichen Dienst wohl auf die Aufgeforderten wirken?

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn schon Kampagne, dann Kampagne für alle und nicht bei einem Teil den Finger hochheben und sagen: Sorgt für eure jungen Fachkräfte!, aber selbst damit nichts zu tun haben wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum dritten Punkt des Antrags. Hierin wird beantragt zu prüfen, ob eine jährliche Personalberichterstattung vorgelegt werden sollte und welche konkreten Inhalte wir darin abgebildet sehen wollen. Die Fraktion DIE LINKE hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode ausdrücklich dazu bekannt, weil uns insbesondere im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission „Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung“ im öffentlichen Dienst das Personalmanagement der Stadt Hamburg fraktionsübergreifend überzeugt hat.

In Hamburg wird seit dem Jahr 1999 unaufgefordert ein Personalstrukturbericht vorgelegt. Dieser Personalbericht wird von allen, sowohl von der Exekutive als auch von der Legislative, sehr geschätzt und ist schrittweise weiterqualifiziert worden. Inzwischen gibt es jährlich zwei Teile, nämlich den Personalstrukturbericht und das Personalmanagementkonzept.

Nun könnte die Landesregierung sagen: Wozu denn das noch? Im Übrigen hat das Parlament beschlossen, dass Ende 2013 hinsichtlich des Managementkonzepts ein Zwischenbericht vorzulegen ist. Ich sage es ganz deutlich: Wir wollen eine kontinuierliche, nicht vom Wohlwollen der Landesregierung oder der Mehrheit des Parlaments abhängige inhaltliche und zeitliche Berichterstattung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer das PEK 2007 mit dem PEK 2011 vergleicht, sieht, dass einige Inhalte einfach weggelassen wurden, die eine wichtige Rolle spielen. Im Übrigen legt man in Hamburg jährlich auch zu Schwerpunktfragen umfängliche Berichterstattungen vor, zum Beispiel zur betrieblichen Gesundheitsförderung, zur Mobilität, zum internen Arbeitsmarkt, zur Personalplanung und zur Demografie.

Wir sind der Auffassung, dass hinsichtlich dieser Themen bei uns noch großer Nachholbedarf besteht. Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Die Beschäftigten, aber auch die Bürgerinnen und Bürger, die die Dienstleistungen des öffentlichen Dienstes in Anspruch nehmen wollen, haben ein Recht darauf. - Recht vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Dr. Paschke. - Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, dürfen wir ganz herzlich Damen und Herren vom Gehörlosenverein Wittenberg mit ihrer Gebärdendolmetscherin begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Vielleicht sollten da oben viel häufiger Dolmetscher auftreten.

(Heiterkeit im ganzen Hause)

Jetzt hat Minister Herr Bullerjahn das Wort. Bitte schön.

(Minister Herr Bullerjahn: Sie beziehen das mit den Dolmetschern nicht auf mich?)

- Ich sage einmal: Das galt für alle 105 Abgeordnete und für alle Minister und Politiker

(Minister Herr Bullerjahn: Okay!)

und Politikerinnen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei allen Frak- tionen - Frau Budde, SPD: Und Präsidenten!)

Und Präsidentinnen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Paschke, die jährliche Berichterstattung, glaube ich, haben wir schon lange überwunden. Wir haben - das ein bisschen mit Augenzwinkern - fast schon eine monatliche Berichterstattung; denn wir haben, glaube ich, immer ein Thema zum PEK auf der Tagesordnung. Sie haben das auch sehr grundsätzlich ausgeführt. Ich will aber versuchen, es auf das Thema Altersteilzeit und die Überhänge einzuengen.

Frau Paschke - ich bitte darum, das noch einmal miteinander zu verabreden -, wir haben schon ein Verfahren besprochen. Der Landtag hat am 11. November 2011 beschlossen, dass im zweiten Quar

tal 2013 durch die Landesregierung ein Personalmanagementkonzept vorzulegen ist. Der Landtag hat mit dem gleichen Beschluss bestimmt, dass die Landesregierung rechtzeitig zum nächsten Haushaltaufstellungsverfahren für die Geschäftsbereiche Aufgabenerledigungskonzepte vorzulegen hat.

Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich bin auch darauf gespannt, wie die Ressorts ihre eigene Aufgabenerledigung darstellen werden. Es gibt nicht den Masterplan, der das sozusagen alles schon vorwegnimmt. Ich habe auch gesagt, dass wir über das Gesundheitsmanagement genauso zu reden haben werden wie über Weiterbildungs- und Beförderungskonzepte. Alles ist verabredet worden.

Auch wenn wir es jeden Monat besprechen, wir kriegen es nicht schneller hin; denn es gilt das, was vernünftig ist. Es gibt die Eigenverantwortung der Geschäftsbereiche und das Zusammenfassen und Abgleichen im Kabinett. Ich habe durchaus bemerkt, dass es ein unterschiedliches Herangehen gibt. Man wird abwägen müssen, ob dies zum Teil zugelassen wird und gewollt ist oder ob man für bestimmte Punkte eine Gesamtstrategie entwickelt.

Solange ich in dieser Funktion hier stehe, werden wir uns wahrscheinlich dahin gehend nie einig werden, dass wir diese ganze Debatte aus einem gewissen Grund führen. Das betrifft auch die Altersteilzeit. Das hat etwas mit den Überhängen zu tun.

Wir haben in Sachsen-Anhalt neben anderen Ländern die meisten Beschäftigten bei ungefähr gleicher Aufgabenlast. Diese Überhänge begleiten uns seit Jahren und haben uns auch in diese hohe Verschuldung getrieben. Das haben alle Regierungen zu verantworten, die bisher hier ihren Job gemacht haben.

Wer mir nicht glauben will, dass man mit weniger Personal mindestens genauso gut regieren und verwalten kann wie wir in Sachsen-Anhalt, der soll nach Sachsen schauen. Die Sachsen haben das vor Jahren anders gemacht. Sie haben jetzt deutschlandweit die wenigsten Schulden und haben in keinem Bereich zumindest nicht eine schlechtere Verwaltung. Sie haben heutzutage viel mehr Spielräume für die Forschung, die Wirtschaft und für andere Finanzierungen. Das ist die einfache Wahrheit, die ich hier jedes Mal kundtue.

Sie wissen - das wird nicht Ihre Unterstützung finden; ich habe das in dem Personalkonzept in jedem Jahr mit vorgelegt, auch in der Mittelfristigen Finanzplanung -, dass ich die Einwohnerentwicklung unterstellt habe, die bisher vorhersehbar ist. Wir werden noch einmal 14 000 Stellen bis zum Jahr 2019 abbauen müssen. Selbst wenn die 14 000 abgebaut sein werden, sind wir im Mittelmaß der deutschen Länder.

Wenn wir das einmal zugrunde legen würden, was niemand vorhat - ich sage das, bevor es mir wieder vorgehalten wird -, was Schleswig-Holstein hat, nämlich nicht 19 Landesbedienstete auf 1 000 Einwohner, sondern 16-Komma-und auf 1 000 Einwohner, dann würden wir bei 35 000 Landesbediensteten landen. Ich sage das, um einmal verständlich zu machen, über was für Summen geredet wird.

Das heißt, bezogen auf die 40 000 Landesbediensteten bei uns wäre das sozusagen eine Ersparnis von 700 Millionen € pro Jahr. Dass davon ein Teil für Neueinstellungen zurückgegeben wird, ist verhandelt worden. Das werden wir auch nach oben fahren.

Ich oder die Landesregierung kann es sich aber nicht erlauben, wie Sachsen es gemacht hat, noch einmal 500 Personen einzustellen, dann aber sofort wieder zu sagen, dass die Mittel dafür woanders erwirtschaftet werden müssen. Das ist typisch sächsisch. Angesichts der Überschüsse, die die dort haben, können sie es sicherlich so machen. Weil wir uns das nicht leisten können, werde ich mich immer wieder auf die Eckwerte zurückziehen müssen.

Zur Altersteilzeit. Sie haben angesprochen, dass nicht nur über das, was belastet, sondern auch über das, was entlastet, verhandelt worden ist. Wir haben einmal unterstellt, dass vielleicht 50 % der Beschäftigten im Angestelltenverhältnis die Möglichkeit der Altersteilzeit nutzen. Wir müssen abwarten, wie sich das darstellt, auch in den Tarifverträgen, die vorhanden sind. Wir haben mit den Gewerkschaften zu Recht besprochen, dass es freiwillig sein soll. Viele haben gesagt: Wir machen es. Viele haben gesagt: Wir machen es nicht.

Dies hat sicherlich auch etwas mit dem Einkommen und der sozialen und familiären Situation zu tun.

Wir haben aber auch zu erkennen, dass zum Beispiel die Anzahl der Anträge auf Altersteilzeit rückläufig ist. Im Jahr 2007 lagen mehr als 8 000 Anträge vor, aktuell sind es 6 000. Das heißt, dass dieses Problem nicht größer, sondern kleiner wird.

Der Anteil derer, die aktiv bzw. passiv sind, beträgt ungefähr 50 %. Das Problem wird sich bis zum Jahr 2019 bzw. 2020, wenn ich es so sagen darf, auswachsen, weil wir dann mit der Altersteilzeit nicht mehr in diesem Umfang agieren werden, wie es bisher der Fall ist.

Damit im Zusammenhang steht auch die Diskussion über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Das ist hier noch nicht vorgeschlagen worden, weil dadurch das Arbeitsvolumen massiv vergrößert würde. Das alles hängt zusammen und ich werde es auch immer wieder darstellen.