Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Frau Hampel, ich erlaube mir, mich im Voraus ausdrücklich dafür zu bedanken, dass Sie sich klar zur Quote positioniert haben. Das nehme ich sehr begeistert zur Kenntnis.

Meine Intervention bezieht sich auf den Anfang Ihrer Rede. Es ist klar - das wurde im Hohen Haus auch mehrfach gesagt und steht auch in unserem Antrag -, dass es um anonymisierte Bewerbungen für den öffentlichen Dienst geht und, wenn man das weiterdenken würde, nur für große Unternehmen. Das ist jedoch nicht das Thema. Insofern ist das ein erster Punkt, bei dem Ihr Vergleich mit meiner Fraktion anfängt zu hinken.

Ich weiß auch nicht, wer sie bei Ihrer Rede juristisch beraten hat. Aber bereits an dieser Stelle hinkt ihre Aussage. Mitarbeiterstellen in Fraktionen unterliegen einem besonders Vertrauensschutz. Deshalb müssten sie gar nicht ausgeschrieben werden. Unsere Fraktion hat sich für einen anderen Weg entschieden und hat zehn der zwölf Stellen in der von Ihnen zitierten Weise ausgeschrieben.

Wenn Sie sich das Ergebnis dieser Ausschreibungen in unserer Fraktion anschauen, werden Sie feststellen, dass es uns gelungen ist, ein sehr buntes Team zusammenzustellen, das, wie man es neudeutsch nennt, der Diversity in jeder Weise Rechnung trägt.

Meine Intervention bezieht sich darauf, dass Ihr Vergleich am Anfang Ihrer Rede unter juristischen Aspekten schlicht und einfach nicht richtig war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das nehme ich zur Kenntnis. Aber da Sie sich bei der Vergütung Ihrer Fraktionsmitarbeiter am öffentlichen Dienst orientieren, wäre das anonymisierte Bewerbungsverfahren in diesem Fall für Sie eine Möglichkeit gewesen, erste Erfahrungen im Umgang damit vorzutragen.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat erneut Frau Latta das Wort. Bitte schön, Frau Latta.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin guter Dinge angesichts der Vorschläge, die hier vorgetragen wurden, den Antrag in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung, für Finanzen sowie für Arbeit und Soziales zu überweisen. Das sind praktikable Lösungen.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass das Projekt gezeigt hat, dass anonymisierte Bewerbungen den Fokus auf die Qualifikation lenken. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle - - Dadurch, dass es etwas laut ist, bin ich etwas irritiert, meine Worte zu finden.

(Unruhe)

Einen kleinen Moment, bitte. - Ich glaube, wir sollten auch bei dem Thema Anonymisierung zuhören.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident. - Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Frau Christine Lüders hat zudem gesagt, dass dieses Verfahren praktikabel ist, dass es auch Personalverantwortliche durchgängig positiv bewertet haben und nur das Schwärzen der Unterlagen als aufwendig kritisiert wurde.

Ich möchte auf einen Punkt eingehen, den Herr Kollege Borgwardt angesprochen hat, dass eventuell die Kreativität bei dem Verfahren der anonymisierten Bewerbung zu kurz komme. Diesbezüglich sei darauf verwiesen, dass es auch Motivationsschreiben gibt, die es bei dem Verfahren ermöglichen, dass man einen Einblick in die Motivation der Bewerberin oder des Bewerbers bekommt. Dadurch ist dieser Mangel ausgeglichen.

Jobsuchende befürchten übrigens, dass die herkömmlichen Bewerbungsverfahren für sie eine Methode waren bzw. sind, die den ersten Schritt, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, verhindern aufgrund der Vorurteile und der Stigmata, die in manchen Köpfen herrschen.

Daher, so denke ich, sollte das anonymisierte Bewerbungsverfahren in den Ausschüssen diskutiert werden, auch in Form einer Anhörung, bei der dieses Thema mit eingeladenen Experten erörtert werden kann.

Ich denke, auch im Sinne der Landesinitiative „Familienfreundliches Sachsen-Anhalt“ ist die Reduzierung von Diskriminierung von Frauen mit Kindern geboten. In der Broschüre zu den Wegen zu einem familienfreundlichen Unternehmen des Lan

desbündnisses für Familie wird die Personalentwicklung von Unternehmen als ein mögliches Handungsfeld genannt. Anonymisierte Bewerbungsverfahren werden in der Broschüre zwar nicht explizit genannt, aber die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN denkt, dass dieses Anliegen der Landesinitiative und den Bewerbungsverfahren von morgen entspricht. Kinder oder auch nur ein Kinderwunsch dürfen nicht zu Nachteilen führen.

Auch im Fachkräftesicherungspakt ist unter dem Oberziel 3 - „Die Wirtschaft hat sich auf den demografischen Wandel gut eingestellt“ - unter anderem folgendes Handlungsfeld aufgeführt: Abbau von Einstellungsvorbehalten der Unternehmen gegenüber bestimmten Zielgruppen, zum Beispiel Arbeitslose, Ältere, Frauen mit Kindern und Migranten.

Einstellungen zu ändern, ist ein hehres Ziel, aber schwierig zu erreichen und mit Sicherheit ein langwieriger Prozess. Anonyme Bewerbungsverfahren sind hingegen ein pragmatischer Ansatz, um Einstellungsvorbehalte durch Verfahrensregeln zu umgehen.

Kurz und gut: Das anonymisierte Bewerbungsverfahren ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Nach den Ergebnissen der Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund dabei im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren bessere Chance, zu einem Gespräch eingeladen zu werden.

Ich kann nur noch einmal bekräftigen, dass heutzutage bei der Stellenvergabe viel zu häufig anhand unsachlicher Kriterien und nicht anhand der fachlichen Qualifikation entschieden wird.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die Aktualität des Themas hinweisen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bringt diesen Antrag heute ein, weil die Studie ganz aktuell in der letzten Woche erschienen ist. Die Aktualität bietet jetzt die Möglichkeit zum Handeln. Ich denke, dass Diskriminierung in unserer Gesellschaft nichts verloren hat. Dieses Thema sollte aktuell im Parlament besprochen werden.

Mit anonymisierten Bewerbungen haben alle Bewerber die gleichen Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden oder einen Eignungstest zu absolvieren. Die Anonymisierung hilft nachweislich auch dabei, Diskriminierung abzubauen. Deswegen bedanke ich mich für die Überweisung des Antrags in die Ausschüsse. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Latta. - Der Kollege Borgwardt konkretisiert die Überweisungswünsche. Bitte schön.

Wir haben uns noch einmal verständigt. Wir schlagen vor, den Antrag in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und in den Ausschuss für Arbeit und Soziales zu überweisen.

Ich sage es noch einmal laut, damit es alle verstehen. Der Antrag soll in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen werden. Federführend soll der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung beraten. - Hiergegen gibt es keinen Widerspruch.

Ich lasse darüber abstimmen. Wer ist dafür, dass dieser Antrag in die genannten Ausschüsse überwiesen wird? - Das sind alle Fraktionen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist der Antrag einstimmig in die genannten Ausschüsse überwiesen worden.

Wir schließen damit den Tagesordnungspunkt 17 und kommen zu Tagesordnungspunkt 18:

Beratung

Berichterstattung zur aktuellen Personalsituation und Sicherung der Aufgabenerfüllung

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1017

Einbringerin ist Frau Dr. Paschke. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Anfang des Monats April sind wir an einer wichtigen Weichenstellung hinsichtlich des Personals und der Sicherung der Aufgabenerfüllung im Landesdienst angelangt. Vieles, was im Haushaltsplan 2012/2013 und auf tariflicher Basis an zusätzlichen Maßnahmen und Möglichkeiten zur Arbeitszeitreduzierung bzw. zu Regelungen zu einem vorzeitigen Ruhestand verabschiedet wurde, ist seit wenigen Tagen in Kraft. Einige Antragsfristen sind bereits abgelaufen.

Wir meinen, es ist Zeit, dass sich das Parlament in den jeweiligen Fachausschüssen über drei entscheidende Fragestellungen ein Bild macht. Erstens. In welchem Umfang möchte das Personal des jeweiligen Ministeriums von diesen Regelungen Gebrauch machen? Was ist den Ministerien darüber bisher bekannt? Was liegt in den Ministerien an Anträgen vor?

Zweitens. In welcher Form gehen die einzelnen Ministerien mit diesem konkreten Sachverhalt um?

Drittens. Wie wird die Aufgabenerfüllung gesichert? Kann diese bereits in bestimmten Fällen nicht

mehr gesichert werden? Wie stellen sich die Ministerien konzeptionell, personell und strukturell dafür auf?

Bevor ich zu einigen Beispielen komme, möchte ich die Erforderlichkeit unseres Antrags mit einer grundsätzlichen Bemerkung begründen.

Auch in unserer Fraktion wurde über das Für und Wider der Regelungen zur Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung und zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Beschäftigungsverhältnis intensiv diskutiert. Betrachtet man diese Möglichkeiten vor allem im Interesse der älteren Beschäftigten und junger Familien, können die Maßnahmen durchaus als arbeitnehmerfreundlich eingestuft werden.

Wenn man aber die derzeitige Personalsituation in vielen Behörden sieht, dann stellt sich die Frage, wie es umsetzbar ist. Wir sehen durchaus eine Gefährdung der Arbeitserfüllung oder zumindest Abstriche bei der Qualität der Aufgabenrealisierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Besonders problematisch ist jedoch die dadurch eintretende Situation für das verbleibende Personal. Weil die Aufgaben in den allermeisten Fällen nicht einfach wegfallen können, wird es zwangsweise zu einer weiteren Arbeitsverdichtung kommen.

Diese Sache ist uns nicht neu. Aber die Bedingungen haben sich jetzt verschärft. Deshalb müssen wir uns zeitnah mit den Strategien auseinandersetzen, die die Ministerien zur Kompensation vorlegen, um zu erfahren, wie sie die Situation einschätzen und nach welchen Kriterien Bewilligungen oder Ablehnungen erfolgen.

Nunmehr wie angekündigt einige wenige Beispiele, die darauf hindeuten: Das erste Beispiel betrifft die Schule. Es gab eine Kleine Anfrage meines Kollegen Höhn genau zu dieser Fragestellung, und zwar die Kleine Anfrage KA 6/7399 zum Umgang des Ministeriums mit den neuen tariflichen und beamtenrechtlichen Regelungen, die ab dem 1. April auch im Bereich der Lehrkräfte greifen.

Auf die Frage: Verfügt die Landesregierung über eine Prognose hinsichtlich der Zahl der Lehrkräfte im Landesdienst, die von den vereinbarten Altersteilzeitregelungen voraussichtlich Gebraucht machen wollen?, lautete die Antwort: Nein, es gibt keine Prognose und kein Konzept. Zusätzliche Neueinstellungen im Vergleich zum PEK 2011 sind nicht erkennbar.

Auch dieser Zustand ist nicht neu. Er wird nur schlimmer. Bereits im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission war das Kultusministerium trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht in der Lage, die konkreten Auswirkungen auf das Schulnetz, die Unterrichtsversorgung und die Qualität der Bildungsangebote zu nennen. Wie will man aber,