Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

einmal gewundert; man kann dabei so manche Assoziation haben. ELWIS - Love me tender -, das könnte ja auch eisenbahnverkehrspolitisch oder so sein. Sie haben aber den Internetservice der WSD „www.elwis.de“ gemeint. Denn dort sind die Zahlen herauszusuchen. Genau dies war der Landesregierung zu viel Mühe.

Würde sich nämlich die Landesregierung die Mühe machen, einmal zu schauen, wie die Verkehrszahlen der Schifffahrt auf der Elbe sind, würde sie herausfinden, dass auch vor dem Hochwasser 2002, also in dem Zustand, den wir durch die Unterhaltungsmaßnahmen jetzt anstreben, höchstens einmal 1,8 Millionen t und in dem gesamten Zeitraum im Großen und Ganzen 1 Million t pro Jahr auf der Elbe transportiert wurden.

1 Million t pro Jahr ist nicht besonders viel, wenn man es damit vergleicht, dass alle Prognosen in den 90er-Jahren gesagt haben: Wenn wir das Wasserstraßenkreuz fertig haben usw., dann sind wir bei neun, zehn oder bei 15 Millionen t. Diese 1 Million t, die muss man sich vor Augen halten. Es sind nicht deswegen nur 1 Million t auf der Elbe, weil es den Transportbedarf nicht gäbe. Natürlich gibt es den; der Transportbedarf ist doch da. Es sind doch nur deswegen lediglich 1 Million t, weil die Elbe als Transportweg unattraktiv und unzuverlässig ist. Das ist die Wahrheit, die man sich eingestehen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Das Ziel, das die Bundesregierung nach wie vor offiziell verfolgt, nämlich eine Wassertiefe von 1,60 m an 345 Tagen zu haben, ist in den letzten 15 Jahren einmal erreicht worden, und zwar im Jahr 2010. Man kann natürlich sagen: 2010 ist es erreicht worden, weil es das Zieljahr war, in dem es erreicht werden sollte.

Dummerweise können Hydrologen sehr genau beschreiben, dass 2010 ungewöhnliche sogenannte Hochwasserwellen - wir Laien stellen uns unter Hochwasser immer etwas vor, was die Ufer überschwemmt; das ist bei den Hydrologen nicht so - das sichergestellt haben. Deswegen ist das 2010 zustande gekommen. 2011 gab es wieder nicht die 345 Tage mit 1,60 m Wassertiefe.

Auch bei 1,60 m Wassertiefe ist der Transport auf der Elbe für das Schiff nicht lukrativ, sondern es ist der Notwasserstand. 2,50 m braucht man, um tatsächlich einen attraktiven Transport zu sichern. Das sagen jedenfalls die Reederinnen und Reeder, die es wissen müssten. Deswegen müssen wir uns eingestehen: Die Elbe ist für die traditionelle Massengüterschifffahrt, die bisher stattgefunden hat, nicht weiter attraktiv.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Scheurell hat gesagt - darin hat er Recht -: Es gibt mehr Schiffe auf der Elbe, als nur die Massen

güterschiffe. Ein paar mehr gibt es. Die Landesregierung weiß leider nicht wie viel, weil sie ja nicht zuständig ist. Aber es gibt Passagierschiffe, es gibt Stückguttransportschiffe, es gibt Containerschiffe. Aber alle diese Schiffe brauchen den Tiefgang nicht, der für die Massengütertransporte erforderlich ist. Sie fahren mit ganz anderen Tiefgängen. Wenn wir uns auf diese konzentrieren, können wir ganz anders und viel realistischer über die Schifffahrtstraße Elbe sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie sich, meine Damen und Herren von der Landesregierung, für die Schifffahrt auf der Elbe einsetzen wollen, dann arbeiten Sie doch an realistischen Vorstellungen, die erfüllbar sind. Wir sollten uns darum kümmern, wie wir für die Schifffahrt realistische Vorstellungen entwickeln und den Nachholbedarf in der Ökologie, die die Elbe hat, decken können.

Ich möchte noch einmal an die gestrige Debatte anknüpfen, in der wir gehört haben, die Elbe hätte keinen Nachholbedarf bei der Ökologie, weil das Wasser doch jetzt sauberer sei. Das ist wirklich der Diskussionsstand der 90er-Jahre.

Die Bundesregierung drückt den Nachholbedarf bei der Elbe höflicher aus. Sie sagt in dem Dokument, das sie selber als Referenz ihres Antrages nimmt, in dem die Eckpunkte zur Strategie dargestellt sind, Folgendes: Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine gute Gewässerqualität nur mit dem Erhalt und der Wiederherstellung naturraumtypischer hydromorphologischer Gegebenheiten erreichbar ist.

Mit meinen Worten heißt das Folgendes: Für eine gute Qualität der Elbe reicht es nicht aus, nur zu gucken, wer welchen Schmutz wohin einleitet. Vielmehr muss man sich auch um die Strukturen, in denen der Fluss verläuft, kümmern; und damit muss man heute endlich einmal anfangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben unseren Antrag gestellt, damit alle Abgeordneten die Gelegenheit haben, alle bestehenden Missverständnisse auszuräumen. Wir fordern in unserem Antrag erstens ein klares Bekenntnis gegen einen Ausbau der Elbe. Das will angeblich auch niemand.

Zweitens fordern wir, konkrete Schritte gegen die Vertiefung, also für die Sohlstabilisierung endlich anzugehen.

Drittens fordern wir, eine neue Zielsetzung zu entwickeln, die die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie, der FFH-Richtlinie und der Schifffahrtsinteressen in Einklang bringen kann. Mit diesen Anforderungen machen wir uns wirklich an die Bearbeitung der Zukunftsaufgaben. Das sind die

Zukunftsaufgaben. Stimmen Sie dem unmissverständlich zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch einen Satz zum Antrag der Koalitionsfraktionen sagen. Es ist völlig legitim, besonders dann, wenn man sich für die Elbe nicht zuständig fühlt, sich auf die Position von anderen zu beziehen. Ich finde, Sie haben in Ihrem Antrag ein ganz wichtiges Element der Aktivität der Bundesregierung vergessen. Herr Bergmann hat es kurz erwähnt, aber in dem Antrag steht es leider nicht.

Das interessante Element ist der Dialog, der stattfindet und der sich daraus ergibt. Dieser Dialog kann dazu führen, dass es eine Verständigung darüber geben kann, welche Entwicklungen der Elbe stattfinden sollen. Diese Verständigung kann uns auch von dieser unsäglichen Diskussion darüber, wer an welcher Stelle zusätzlich etwas ausbauen will und an welcher Stelle von dem Ziel wieder abgewichen werden soll, befreien.

Es ist wichtig, in den Dialog hierüber einzutreten. Wir sollten uns aber eingestehen, dass dieser Dialog erst begonnen hat. Wir kennen keinerlei Ergebnisse daraus. Wir wissen nicht, was dabei herauskommen kann. Deswegen kann man Folgendes konstatieren: Wenn Sie dieses Eckpunktepapier unterstützen wollen, dann tun Sie etwas dafür, dass der Dialog erfolgreich sein kann, und unterlassen Sie die Provokationen, die dazu führen, dass der Dialog immer wieder in die gleiche Bahn kommt und es zu solchen Debatten kommt, wie wir sie heute führen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir können den Antrag nicht unterstützen; wir lehnen ihn ab. Denn der Antrag hat ein großes Defizit: Man gesteht sich nicht ein, dass das Ziel, an 345 Tagen eine Wassertiefe von 1,60 m zu erreichen, nicht erreichbar ist. Das ist aber der erste Schritt, wenn man es realistisch betrachtet.

Votieren Sie deswegen für unseren Antrag. Den Antrag der Koalitionsfraktionen lehnen wir ab. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Erdmenger. - Für die Landesregierung spricht nunmehr der Minister für Landesentwicklung und Verkehr Herr Webel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sie werden jetzt die gleichen Argumente hören, wie sie Sie schon bei der Aktuellen Debatte vernommen haben. Um die wichtige Feststellung gleich vorwegzunehmen: Der

Bund und die betroffenen Länder haben sich vor langer Zeit darüber verständigt, dass ein Ausbau der Elbe nicht erfolgen soll.

Die für den deutschen Abschnitt der Elbe im Bundesverkehrswegeplan getroffene Feststellung, keine Staustufen zu errichten, hat weiterhin vollinhaltlich Bestand und wird von Sachsen-Anhalt mitgetragen. Das wissen auch Sie ganz genau. Damit wäre die von Ihnen begonnene Phantomdebatte eigentlich schon wieder beendet.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)

Wir hätten uns diesen Tagesordnungspunkt nach der Aktuellen Debatte ersparen können.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich bedanke mich aber trotzdem für den Antrag, den Sie gestellt haben; denn somit kann an dieser Stelle noch einmal Klartext gesprochen werden. Ich lese diesen Antrag so, wie er unter Fachleuten verstanden werden muss. Es geht Ihnen nicht darum, die Belange der Schifffahrt und des Umweltschutzes miteinander zu vereinbaren. Ihr Antrag müsste vielmehr lauten: Keine Schifffahrt auf der Elbe. Denn genau darauf läuft er hinaus.

(Zustimmung bei der CDU)

Genau so hat sich Ihr politischer Mitstreiter Ernst Paul Dörfler auf der Elbekonferenz Ihrer Partei am Montag der letzten Woche in Magdeburg geäußert. Herr Dörfler führte in seinem Vortrag an, dass die Herstellung einer ganzjährigen Befahrbarkeit der Elbe für den Güterverkehr unvereinbar mit der Bewahrung und Verbesserung der Elbe als Flusslandschaft sei.

(Herr Striegel, GRÜNE: So ist es!)

In Ihrer Einladung zu der Konferenz „Elberaum entwickeln - nachhaltig, zukunftsfähig und naturverträglich“ schreiben Sie wieder einmal darüber, dass die Elbe ein frei fließender Fluss ist. Damit erwecken Sie den Eindruck, man müsse die Elbe vor den vermeintlich bösen Absichten, die die Menschen hätten, schützen. Die Schifffahrt auf der Elbe findet aber seit jeher unter besonderen, und zwar zeitweilig unbeständigen Bedingungen statt. Diese Bedingungen haben unsere Vorfahren vorgefunden und sie haben den Fluss auch recht massiv verändert.

Die Elbe ist deshalb kein frei fließender Fluss mehr, wie es in Ihren Papieren immer wieder behauptet wird. Unter Elbeexperten ist das unbestritten. Es gibt so gut wie keinen Flussabschnitt mehr, der nicht im Laufe der Jahrhunderte von Menschenhand verändert worden ist. Der Ministerpräsident und Frank Scheurell haben in ihren Beiträgen zur Aktuellen Debatte darauf hingewiesen.

Ich möchte etwas ganz Entscheidendes anführen: Die Elbe ist mittelwassergeregelt. Das heißt, der Abflussquerschnitt bei Mittelwasser ist durch Buh

nen und Längswerke eingeschränkt. Die damit zusammenhängenden Niedrigwasserregelungen begannen vor mehr als 100 Jahren und sind nur an den sogenannten Engstellen unvollendet geblieben. Die eine Stelle, bei der dies der Fall ist, befindet sich bei Dömitz-Hitzacker in Niedersachsen. Sie ist gerade einmal 13 km lang und hat ihre Vergangenheit auch in der deutschen Geschichte.

Ich frage Sie, was verändert werden soll, wenn die noch fehlenden Buhnen bzw. Leitwerke eingesetzt werden. Letztere sieht man bei einem normalen Wasserstand gar nicht, weil sie unter der Wasseroberfläche liegen. Ich sage Ihnen, dass sich nichts verändern wird. Die Wasserstraßenverwaltung des Bundes könnte viele Millionen Euro für das Ausbaggern der Engstellen einsparen. Diese Beträge könnten wiederum für die Finanzierung von Maßnahmen zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit verwendet werden.

An dieser Stelle werden wegen der Uneinsichtigkeit der Schifffahrtsgegner Steuergelder verbraucht, die an anderen Stellen produktiver eingesetzt werden könnten.

(Beifall bei der CDU)

Sie fordern ein Abrücken von der Mindestfahrrinnentiefe von 1,60 m. Damit stellen Sie sich gegen das im Jahr 2005 beschlossene Unterhaltungskonzept für die Elbe, welches auch zur Grundlage der Zusammenarbeit mit Tschechien wurde. Sie stellen sich damit gegen den Konsens aller, die ein ernsthaftes Interesse an einem Ausgleich zwischen Natur und wirtschaftlicher Nutzung haben.

Von der Mindestfahrrinnentiefe von 1,60 m abzurücken würde bedeuten, jegliche Verlässlichkeit für die Schiffbarkeit aufzugeben. Deshalb, Herr Weihrich und Herr Erdmenger, kämpfen wir für eine Wassertiefe von 1,60 m. Wir wollen nicht vor Ihnen kapitulieren und die Schiffbarkeit aufgeben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir würden damit nicht nur den Massenguttransporten den Garaus machen, sondern wir würden auch den aufkommenden Containertransporten die Perspektive nehmen. Das ist ein entscheidender Punkt. Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass die Forderung der Schifffahrt nach einer Wassertiefe von 1,60 m von uns unterstützt wird.

(Beifall bei der CDU)