Ich möchte das gern mit einem Zitat des deutschen Reformpädagogen und Münchener Schulstadtrates Georg Kerschensteiner aus dem Jahr 1906 unterstreichen. Er sagte: „Bildung ist das, was zurück bleibt, wenn man das Gelernte abzieht.“
Es stellt sich die Frage: Schafft es die Gemeinschaftsschule, einen solchen Mehrwert über das Gelehrte hinaus zu erzeugen? - Ich meine, ja. Sie schafft einen individuellen, einen sozialen, einen ökonomischen und für viele Gemeinden auch einen infrastrukturellen Mehrwert. Sie ermöglicht mehr individuelle Förderung und größere persönliche Erfolge durch individuelle Lernwege ohne Schulwechsel, mehr Lernen voneinander, übereinander und miteinander, mehr Gemeinschaftsbezug und demokratische Mitwirkung, wie sie auch hier immer wieder betont wird, mehr Sozialraumorientierung, mehr Elternmitwirkung und eine Verankerung der Schule als wichtiger infrastruktureller Bestandteil des Gemeinwesens. Und das, meine Damen und Herren, ist doch wohl eine Menge.
Zu den bereitgestellten finanziellen Mitteln für die Gemeinschaftsschule sagen manche hier im Raum, das sei viel zu wenig. Ich möchte feststellen: Es ist ein Beginn und manches bleibt in der Tat noch zu tun. Ich habe die Weiterentwicklung der Lehreraus- und -fortbildung angesprochen. Auch eine mittel- und langfristig angelegte Schulentwicklungsplanung gehört dazu.
Ich vertraue an dieser Stelle auch dem Finanzminister und dem Kultusminister, die gerade entsprechende Verhandlungen, zum Beispiel über ein neues Programm zur Weiterentwicklung der Ganztagsschulen, führen.
Dem dient auch Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, zur personellen Sicherstellung inklusiver Bildungsangebote, mit dem wir uns morgen befassen werden. Wir werden uns allen offenen Fragen im weiteren Gesetzgebungsprozess stellen, auch den Fragen, die von der Kollegin Professor Dalbert angesprochen wurden.
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE möchte ich anmerken, dass wir das Ziel längeres gemeinsames Lernen als gemeinsamen Nenner feststellen können, auch wenn es, wie wir gehört haben, hierzu unterschiedliche Vorstellungen gibt. Für mich ist eine zentrale Feststellung: Man kann hineinschreiben, was pädagogisch wünschenswert ist, aber wichtig ist festzustellen, was davon momentan finanzierbar ist.
Eine Grundsatzfrage stellt sich insbesondere in der Hauptzielsetzung des Antrages, nämlich Niveau und Attraktivität der Sekundarschule zu steigern. Ich denke, das haben wir in den letzten zehn Jahren gehört. Jeder Bildungsminister hat hier ver
lauten lassen, wir müssen die Sekundarschulen attraktiver machen und das Niveau steigern. Auch das ist für mich keine neue Aussage.
In dem Gesetzentwurf sind dazu aus meiner Sicht nur halbherzige Vorschläge enthalten. Wenn man wirklich möchte, dass Hauptschülerinnen und Hauptschüler in den Regelunterricht integriert werden und dass gute Schüler nach der 9. Klasse erfolgreich in den gymnasialen Bildungsgang wechseln können, dann sollte man sich doch bitte gleich für ein Erfolg versprechendes Modell, nämlich die Gemeinschaftsschule, einsetzen.
sondern möchte darum bitten, dass Sie einer Überweisung der Gesetzentwürfe sowohl der Landesregierung als auch der Fraktion DIE LINKE in die zuständigen Ausschüsse zustimmen. Die Ausschüsse wurden schon genannt. Ich bin der Meinung, uns sollte einen, dass wir denen Hochachtung zollen, die sich bereits jetzt auf den Weg machen. Rückwärtsgewandte Debatten würden diesen Prozess nur behindern. - Vielen Dank.
(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Lassen Sie uns erst einmal arbeiten und dann feiern! - Herr Leimbach, CDU: Das ist eine Märty- rerhaltung!)
Zu der Frage Sekundarschule - Restschule. Hierzu verfolgen Sie eine ärgerliche Strategie, die Sie manchmal wählen. Sie sagen sich: Ich setze mich nicht mit dem Stigma auseinander, sprich mit
Aber meine Damen und Herren von der CDU, ich komme Ihnen auch ein Stück entgegen. Es ist in der Tat so, dass man mit Stigmatisierungen, die man wiederholt - -
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine grundlegende bildungspolitische Prämisse, nämlich das längere gemeinsame Lernen, ist ganz offensichtlich die Prämisse einer strukturellen Mehrheit hier in diesem Landtag. Sie wird von drei Fraktionen geteilt. Sie ist auch nach eigenen Angaben ein zentrales Projekt der Landesregierung - von den einen gewollt, von den anderen geschmäht, das haben wir gerade gemerkt.
Ich finde, es ist durchaus legitim, den Gesetzentwurf meiner Fraktion und den der Landesregierung daran zu messen, wie nahe sie diesem Ziel kommen, und das immer im Vergleich zu dem, was eigentlich möglich wäre.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Einführung einer neuen Schulform, wie sie die Landesregierung vorschlägt, bedarf guter Gründe. Es muss die Frage gestellt werden: Worin besteht der Unterschied? Oder: Worin besteht der Gewinn im Vergleich zur Sekundarschule, zu Gymnasien und zu integrierten Gesamtschulen? - Diese Frage haben wir zwar schon hundertmal gestellt, das gebe ich gern zu, aber beantwortet wurde sie uns bisher noch nicht.
Die Frage ist: Gibt es ein Mehr an Integration, als es jetzt schon möglich ist? Eine weitere Frage ist: Worin bestehen die Vorteile für Eltern, Lehrkräfte und Schulträger, sodass sich mehr Schülerinnen und Schüler für dieses Modell der Gemeinschaftsschule interessieren?
Wie sieht das im Gesetzentwurf der Landesregierung aus? - Um es gleich vorwegzunehmen: Er sieht natürlich so auch, wie er aussehen muss, wenn die einen wollen und die anderen das für ein bildungspolitisches Grundübel halten.
Die Frage der Freiwilligkeit ist in der Tat auch zwischen uns der zentrale Unterschied. Das haben wir vor mehren Jahren schon einmal miteinander
diskutiert. Ich sage es einmal so: Unter anderen Gesichtspunkten hätte ich dafür durchaus Sympathie. Nebenbei gesagt: Der Urwunsch der Sozialdemokratie war es in der vergangenen Legislaturperiode nicht. Aber das sei jetzt einmal dahingestellt.
Ich finde aber, solange wir tatsächlich noch zwei getrennte Bildungsgänge haben, überfordert man Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern auf keinen Fall mit diesen Änderungen, die darauf abzielen, die Bildungsgänge an der Sekundarschule an die des Gymnasiums anzugleichen. Darüber kann man später reden. Man kann es auch unterschiedlich sehen; darüber werden wir noch diskutieren. Aber das empfinde ich als so maßgeblich und signifikant nicht.
Sie halten hingegen so viel wie möglich offen und im Unklaren, um dann sicherzustellen, dass man so viel wie möglich in den administrativen Bereich des Kultusministeriums zurückverlagert, vielleicht in der Hoffnung - so viel Polemik möge mir auch jetzt noch gestattet sein -, dass die CDU es dann nicht merkt oder nicht gleich merkt oder so.
Zu einigen Punkten im Einzelnen. Auch die Gemeinschaftsschule der Landesregierung soll binnendifferenziert und individualisiert arbeiten und damit das Lehren und Lernen im Gleichschritt ablösen. Sie soll weitgehend auf eine äußere Differenzierung verzichten. So heißt es im Gesetzentwurf. Es ist wie bei Franz Joseph Strauß, der irgendwann einmal gesagt hat, man müsse die Grundsätze nur so hoch hängen, dass jeder darunter durch passt.
Denn damit beginnen die Unklarheiten und die Inkonsequenzen. Was heißt „weitgehend“, meine Damen und Herren? Eine wirkliche Angleichung der Bildungsgänge - das ist ein entscheidender Punkt bei der Frage, ob diese Schulform attraktiv für Schülerinnen und Schüler und für Lehrer ist - muss sich daran messen lassen, wie weit sie an das angeglichen werden, was im Gymnasium möglich ist.
Zum Stichwort „zweite Fremdsprache“ - das ist einer der neuralgischen Punkte - finde ich in der Begründung zum Gesetzentwurf die Aussage: Es wird angestrebt. - Ja, meine Damen und Herren, angestrebt wird es jetzt auch schon. Klare Bestimmungen und klare Vorhaben sehen anders aus.
Es ist in der Sekundarschule schon jetzt möglich und es ist erst recht möglich in der integrierten Gesamtschule. Dazu brauche ich die Gemeinschaftsschule nun wahrlich nicht.
Auch zu der Frage des auf den Hauptschulabschluss orientierten Unterrichts finde ich keine klare Ansage. Das wird ebenfalls verlagert in das Genehmigungsgeschehen in der Schulverwaltung. Meine Damen und Herren! Damit hat dieser Gesetzentwurf der Landesregierung einen grundsätzlichen Makel. Es fehlt die klare verbindliche Absage an die Logik der getrennten Bildungsgänge.
Gerade das wäre aber die wahrscheinlich einzige wesentliche und wirkliche Innovation hin zu mehr Durchlässigkeit, hin zu einer perspektivischen Aufhebung der Trennung und letztlich zur Aufhebung der getrennten Bildungsgänge.