Protokoll der Sitzung vom 08.06.2012

Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir in die vereinbarte Fünfminutendebatte eintreten, dürfen wir recht herzlich Gäste begrüßen: Seniorinnen und Senioren des Bundes der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen aus Thale

(Beifall im ganzen Hause)

und Studentinnen und Studenten aus dem Haschemitischen Königreich Jordanien. Salaam!

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt treten wir in die Fünfminutendebatte ein. Der Kollege Barthel beginnt. Er und alle anderen müssen das reichhaltige Zeitgeschenk des Ministers nicht in Anspruch nehmen. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde versuchen, dem Wunsch des Präsidenten Folge zu leisten und mich auf das zu beschränken, was noch nicht gesagt worden ist.

Eingangs vielleicht so viel zu dem Antrag selbst: Tatsächlich ist es so, dass wir den Antrag für richtig halten und dass er von uns als zu einem guten Zeitpunkt gestellt angesehen wird und dass auch uns selbstverständlich viele der Fragen, die dort aufgeworfen wurden, momentan bewegen. Wir halten es auch für unverzichtbar, dass wir bei einem Problem dieser Komplexität und Dimension - ich bin froh, dass das vom Minister noch einmal zugesagt wurde - intensiv beraten und einbezogen werden.

Ich kann für unsere Fraktion sagen: Es geht für uns im Wesentlichen darum - um nicht mehr und nicht weniger -, dass wir bei solch einer Zukunftsentscheidung das Richtige tun und dass wir uns dessen sicher sind, dass wir uns mit dem richtigen Partner, mit dem richtigen Umfang und mit Leuten umgeben, die uns dazu verhelfen, dass wir in Zukunft auch im Bereich der IT-Infrastruktur ein zukunftsfähiges und leistungsfähiges Landesnetz haben. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Denn all das, was wir vorhaben, ob das E-Government-Strukturen sind, ob das eine leistungsfähige und bürgerfreundliche Verwaltung ist, ist nur mit der richtigen Hard- und Software möglich. Dass wir diesbezüglich in der Vergangenheit Defizite hatten, ist unstrittig.

Insofern bin ich nicht ganz bei Ihnen, Frau Dr. Klein, wenn es um die Schlussfolgerungen geht. Wir sehen das nicht als Bankrotterklärung zu dem, was in der Vergangenheit - ich formuliere es einmal so - versucht wurde, sondern als einen nach vorn gerichteten Versuch, jetzt tatsächlich den sogenannten großen Wurf zu machen, indem man sich über Kooperationsmodelle mit den Partnern umgibt, die das Landesdatennetz und die Informations- und Kommunikationsstrategie des Landes zukunftsfähig machen werden.

Insofern, Herr Minister, können Sie sich, was den grundsätzlichen Ansatz angeht, auf uns verlassen. Wir sind uns einig darin, dass die Strategie grundsätzlich stimmt. Für uns ist allerdings momentan der gesamte Prozess noch ergebnisoffen. Für uns ist es also keine Frage, ob wir das tun, sondern es ist eine Frage des Wie und eine Frage dessen, welchen Umfang wir tatsächlich extern einkaufen möchten.

Wir haben gegen Dataport überhaupt keine Vorurteile und sind auch dankbar dafür, dass durch das Engagement von Herrn Staatssekretär Felgner der Vorstandsvorsitzende in der vergangenen Arbeitsgruppensitzung bei uns war. Er hat uns dort vieles erzählt und hat sicherlich die eine oder andere Frage beantwortet. Aber das ist noch längst nicht genug, um guten Gewissens sagen zu können: Das ist der Weg, den wir uneingeschränkt teilen. Davon müssen wir noch überzeugt werden.

Ich möchte kurz umreißen, welche Schwerpunkte unsere Ideen haben. Die Verlagerung von Aufgaben aus der Landesverwaltung ist für meine Fraktion immer auch eine Chance, darüber nachzudenken, ob man die Aufgaben tatsächlich in dem bereits erledigten Umfang komplett an Dritte verlagert oder ob man nicht einmal prüfen sollte, von welchen Dingen man sich vor dem Hintergrund der Kernaufgaben des Landes, sprich der hoheitlichen Aufgaben, möglicherweise trennt und sie dann an regionale Wertschöpfungsketten vergibt.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Denn man muss auch wissen, dass die Auftragsvolumina in der Zukunft für alle nicht größer werden.

Die Diskussion ist auch nicht neu, Herr Minister. Wir haben sie im Bereich des BLSA auch geführt. Unser Wunsch war es immer, den Schwung zu nutzen, um das neue kleine Schnellboot, wie es der Herr Staatssekretär immer sagt, so weit aufzurüsten, dass all das, was an Ballast vorhanden ist, zukünftig durch die Wirtschaft und durch die Bauindustrie erledigt wird und dass man sich nicht zusätzlich neue Aufgaben an Land zieht. Das ist im Prinzip die große Klammer, die wir in diesem Fall auch sehen.

Das heißt, wir möchten, dass die Frage geprüft wird: Ist es tatsächlich notwendig, die Aufgaben,

die die Landesrechenzentren in der Vergangenheit erledigt haben, komplett als Gesamtpaket nach Kiel zu geben? Oder gibt es zwischen dem Minimum und dem Maximum dessen, was möglich ist, einen denkbaren Kompromiss? - Ich bin diesbezüglich nicht gänzlich frei von Vorurteilen. Ich habe sechs Jahre lang selber Berufspolitik gemacht und weiß deswegen, dass gerade die Frage, was das Land tut, um regionale Wertschöpfung zu organisieren, ein fundamentaler Kern von Berufspolitik ist.

Wir werden an dieser Stelle auch immer wieder daran gemessen werden, ob wir tatsächlich ernsthaft versucht haben, bei einer so großen Zäsur, wie wir sie jetzt vorhaben, auch Verlagerungspotenziale, die vielleicht vorhanden sind, zu erschließen. Unser Wunsch ist, dass gesagt wird, wo das möglicherweise geht und wo es nicht geht. Wir sind uns darüber einig, dass das im Bereich der hoheitlichen Aufgaben ein völlig undenkbarer Vorgang ist. Dort sind derart viele rechtliche Hürden zu überwinden, dass niemand von uns möchte, dass hoheitliche Aufgaben privatwirtschaftlich erledigt werden.

Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht. Ich kann Ihnen versichern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass meine Fraktion im Juli nach Niedersachsen reisen wird. Niedersachsen ist das letzte Beitrittsland und seit 2011 Mitglied bei Dataport. Sie sind insbesondere im Bereich des Steuerfachverfahrenskonsenses wohl sehr zufrieden mit den Leistungen, haben aber ein Hybridmodell zwischen tatsächlich komplett hoheitlicher Ausgründung an Dataport und dem Betreiben eines eigenen Landesdatennetzes gewählt. Das wollen wir uns gern einmal anschauen. Erst am Ende wollen wir dann entscheiden, wie wir uns dazu positionieren.

Die Gesamtstrategie ist richtig. Wir befinden uns auf einem Weg, bei dem wir großes Vertrauen darin haben, dass wir all das, was wir im Bereich E-Government vorhaben, auch umsetzen können, und dass die ständigen Ausfälle des Landesdatennetzes, unter denen ich als Mitarbeiter der Landesverwaltung selber leiden musste, irgendwann ein Ende haben werden. Insofern ist das der Teil, der auch bei uns momentan unstrittig ist.

Mit Blick auf den Wunsch des Präsidenten werde ich jetzt einige Seiten meines Manuskripts überspringen und zusammenfassen, was die Kernbotschaft meiner Fraktion ist.

Für uns ist die Frage, welche Aufgaben in welchem Umfang am Ende nach Kiel verlagert werden und was gegebenenfalls vor Ort erledigt werden kann, noch nicht abschließend beantwortet. Deshalb haben wir großes Interesse daran, über das Thema und diesen Antrag in den Ausschüssen so lange zu beraten, bis wir endgültig überzeugt sind und uns dann auch guten Gewissens der Meinung der Landesregierung anschließen können oder

diese, wie bei den Haushaltsberatungen, gemeinsam verbessern. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Niestädt, SPD)

Vielen Dank, Kollege Barthel. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Kollege Herbst das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns über das Landesdatennetz reden, aber bitte nicht nur im Zusammenhang mit diesem Antrag, sondern im Rahmen eines geordneten und transparenten Verfahrens im Landtag.

Das Landesdatennetz bedarf einer dringenden Überarbeitung; das wurde heute schon gesagt. Es ist ein Flaschenhals, ein Hindernis zur digitalen Außenwelt, ein Ärgernis für alle, die darauf angewiesen sind. Wir alle warten seit längerer Zeit darauf, dass aus dem Nachdenken des Finanzministeriums über dieses Thema ein Vorschlag erwächst, eine Idee reift, die dann dem Landtag zur Diskussion und Entscheidungsfindung vorgelegt wird.

Aber was geschieht stattdessen? - Sie haben vor einiger Zeit Verhandlungen mit der Dataport aufgenommen und sind eigentlich schon fest entschlossen - Sie haben es eben schon ausgeführt -, dem entsprechenden Staatsvertrag beizutreten. Das Parlament soll das Ganze dann nur noch abnicken.

(Frau Niestädt, SPD: Das ist nicht richtig! Das wird im Finanzausschuss immer deutlich!)

Aber das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir nicht. Wir wollen es explizit nicht deshalb nicht, weil wir etwas gegen Dataport haben, sondern weil unserer Meinung nach die Transparenz und die entsprechende Parlamentsbeteiligung bei einer so wichtigen Infrastrukturmaßnahme nicht als Zubrot, sondern als selbstverständlich und verpflichtend angesehen werden muss.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Herr Bullerjahn, Sie sind auch auf die Beteiligung eingegangen und haben gesagt, dass Sie das Parlament beteiligen. Ich finde nicht, dass eine solche Festlegung auf Dataport - das ist der wichtigste Punkt der Grundsatzentscheidung - eine Beteiligung ist; denn damit haben Sie den wichtigsten Pflock fest eingerammt und es geht nur noch um Detailfragen.

(Zustimmung von Herrn Loos, DIE LINKE)

Es gibt also eine Reihe von übergeordneten Fragen, die wir gern beantwortet haben möchten:

Welche Vorstellungen haben wir von unserem zukünftigen Landesdatennetz? Was muss es leisten und was darf es kosten? - Herr Bullerjahn, Ihren Ausführungen habe ich entnehmen können, dass wir bei den Leistungskriterien offensichtlich unterschiedliche Auffassungen haben, zumindest bei der Frage der Einbindung der Kommunen.

Wer kann diese Aufgaben am besten umsetzen und zu welchem Preis? Und die Kernfrage: Welcher Anbieter kann es am besten tun? - Allein weil Dataport länderübergreifende Arbeit macht und Erfahrungen damit aufweist, heißt das nicht, dass das das einzig ausschlaggebende Kriterium sein muss.

Wenn es nach Ihnen ginge, Herr Finanzminister, müssten diese Fragen nicht gestellt werden; Sie kennen die Antworten schon. Aber nach unserer Auffassung ist ein Beitritt zum Staatsvertrag zumindest mit Fragezeichen versehen.

Worin liegt eigentlich der unschlagbare Vorteil für Sachsen-Anhalt, sodass es angeblich keine Alternativen gibt? - Es gibt in Sachsen-Anhalt durchaus Anbieter - einige wurden heute schon genannt -, die willens und in der Lage sind, unser Landesdatennetz aus dem Land heraus und für das Land zu realisieren. Es ist klar, dass sie ihre Wirtschaftlichkeit und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen müssen. Aber warum geben wir ihnen denn nicht im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens die Chance dazu?

Aus unserer Sicht sprechen Gründe sowohl für als auch gegen eine Lösung mit anderen Bundesländern. Deswegen möchten wir darüber reden und wir möchten auch mit den sachsen-anhaltischen Unternehmen reden. Als Landtag sind wir in dieser Frage verpflichtet, nicht nur die kurzfristigen Effekte im Auge zu haben, sondern auch die langfristigen Folgen für unser Bundesland.

Jetzt möchte ich auf die Kriterien eingehen, die sich für uns grundlegend stellen. Zum Ersten stellen sich folgende Fragen: Was passiert mit den Arbeitsplätzen in unserem Land? Bleiben die Arbeitsplätze in unserem Land oder wandern sie in andere Länder? Wo entsteht die Wertschöpfung? - Wir möchten, dass die Wertschöpfung vorrangig in Sachsen-Anhalt entsteht. Welche kurzfristigen und langfristigen Kosten entstehen für unser Bundesland, und welche Einflussmöglichkeiten bestehen für das Land, aber natürlich auch als Mitsprachemöglichkeit für die Kommunen? - Das heißt nicht, dass ihnen sozusagen ein neuer Dienstleister oktroyiert werden soll.

Besonders wichtig sind für uns bei einem Beitritt zur Dataport-Ländergruppe die Auswirkungen für die Unternehmen im IT-Bereich bei uns im Land. Viele davon sind seit vielen Jahren aktiv, gut vernetzt, reich an Know-how. Sie haben es verdient, einbezogen zu werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nach dem, was man aus der Branche hört - -

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

- Ja, wenn Sie die Termine so wählen würden, dass man daran teilnehmen könnte, Herr Bullerjahn, dann würden wir das auch gern tun. Leider war das bisher nicht möglich. - Mit diesen Unternehmen im Land muss gesprochen werden. Was wir aus diesem Bereich hören, ist, dass diese Gespräche im Moment nicht ausreichend funktionieren.

All das lässt uns aufhorchen und deswegen kommen wir letztlich zu dem Schluss, dass der Antrag der Linksfraktion durchaus zu unterstützen ist.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Können wir dem Redner etwas mehr Aufmerksamkeit schenken? - Bitte.

Danke schön. - Wir unterstützen eine Überweisung in den Ausschuss, die von der CDU beantragt worden ist, ausdrücklich. Wir wollen dort mit Ihnen, mit dem Parlament, über das Thema reden. Aber wir wollen - das ist uns sehr, sehr wichtig - auch den Dialog mit der IuK-Branche in Sachsen-Anhalt weiter ausbauen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Herbst. - Für die SPD spricht jetzt Herr Graner. Bitte schön, Herr Graner.