Meine Damen und Herren! Die Zukunft des gemeinsamen Unterrichts hängt mittlerweile an einem seidenen Faden. Die CDU beginnt - das ist ihr gutes Recht -, den gemeinsamen Unterricht innerlich und äußerlich zu begraben. Sie findet dafür nicht zu unterschätzende Unterstützung. Sie findet allerdings auch Widerworte.
Wir hatten vor einigen Wochen ein Fachgespräch mit Schulleiterinnen und Schulleitern, mit Lehrkräften aus Förderschulen und aus Regelschulen. Der Landesschülerrat war dabei, Eltern waren dabei. Ich habe im Nachhinein eine E-Mail von einem der Förderschullehrer erhalten, der an einer Sekundarschule arbeitet. Er hat mir geschrieben: Macht alles, aber tut eines bitte nicht: Fahrt die Sache nicht zurück.
Eine solche Allianz wäre dann geeignet, den Gedanken vom gemeinsamen Lernen zu ruinieren, und das dann, meine Damen und Herren, für viele Jahre. Ich würde mich an dieser Stelle sehr gern täuschen, aber das geht nur mit dem Ruf: Kommen Sie endlich aus den Puschen! Tun Sie etwas!
Bevor ich dem Kultusminister Herrn Dorgerloh das Wort erteile, können wir Damen und Herren der Garageninteressengemeinschaft Halle-Neustadt bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema gemeinsamer Unterricht ist in der Tat eines, das man bei vielen Schulbesuchen, wenn man mit den Lehrerinnen und Lehrern, den Elternvertretern und den Schülervertretern ins Gespräch kommt, immer wieder hört. Es ist eines, das uns in der Tat beschäftigt.
Das Thema ist auch nicht ganz neu. Seit dem Schuljahr 2007/2008 sind wir im Land SachsenAnhalt in diesem Bereich unterwegs. Wir haben es in diesem Jahr immerhin geschafft, dem Bundes
durchschnitt mit 20,6 % nahe zu kommen. Das ist eine sehr ordentliche Quote. Wenn man sich einmal ansieht, dass erst im Schuljahr 2007/2008 in diesem Land damit begonnen wurde, kann man sagen: Da ist schon einiges passiert.
Jetzt müssen wir auch sehen, mit welchem Tempo und in welcher Richtung es weitergeht, damit wir niemanden überfordern, aber auch niemanden unterfordern und auch nicht das falsche Signal setzen. Diese Diskussion führen wir vor Ort. Es gibt Bereiche, in denen das ausgezeichnet läuft. Es gibt Bereiche, in denen wir mitten im Übergang sind, wo sich Lehrerinnen und Lehrer mit Fortbildung und anderen Maßnahmen für diesen gemeinsamen Unterricht fit machen.
Es gibt naturgemäß auch Bereiche - wie das so ist, wenn man etwas Neues einführt -, in denen es noch klemmt. Dort müssen wir schauen, wie wir die Lehrerinnen und Lehrer fit machen und wie wir die sächlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass gemeinsamer Unterricht gelingt. Denn mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenkonvention ist wohl klar, das wir uns das nicht aussuchen können. Es ist das Gebot der Stunde. Der Bildungskonvent hat das sehr deutlich gemacht.
Daher muss man deutlich konstatieren: Hier ist sehr, sehr viel getan worden; hier wird auch weiterhin sehr viel getan. Auch im Bereich der Weiterbildung ist einiges unternommen worden. Wenn man sich einmal anschaut, was die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort leisten, stellt man fest, dass das außerordentlich beachtlich ist. Das sei an dieser Stelle einmal gewürdigt.
Natürlich müssen wir uns, wenn wir in dieser kurzen Zeit die Quote auf 20,6 % erhöht haben, fragen: Wie geht es perspektivisch weiter? Wie gehen wir voran? Können wir diese unterschiedlichen Systeme tatsächlich auf Dauer so fahren? Oder gibt es bestimmte Weggabelungen, an denen wir noch einmal vertieft nachdenken müssen? - Hierbei ist Schnelligkeit nun gerade kein guter Berater.
Deswegen habe ich bereits im letzten Jahr beschlossen, dass wir zum September 2011 eine Arbeitsgruppe einrichten, die sich diesem Thema sehr gründlich widmet und sehr breit darüber diskutiert. 18 Vertreter waren daran beteiligt. Der Allgemeine Behindertenverband war zumindest zeitweise dabei. Die Gewerkschaften waren dabei, die GEW, die Lehrerverbände, natürlich die kommunale Familie, die Fachleute aus den Schulen und aus dem Landesschulamt, aber auch der Verband der Sozialpädagogen usw.
Es war also eine wirklich große, breit aufgestellte Arbeitsgruppe. Sie hat sehr intensiv getagt und hat
zum 15. Mai 2012 ihre Empfehlungen vorgelegt. Diese Empfehlungen lassen wir gerade drucken; sie gehen in diesen Tagen in den Versand, weil wir genau darüber jetzt noch einmal etwas breiter mit den Praktikern diskutieren wollen. Wir haben zusammengesessen und diese Empfehlungen aufgeschrieben. Und wir haben gesagt: Wir wollen, dass in den Schulen und in den Fraktionen, im politischen Kontext, noch einmal darüber diskutiert wird, wohin wir in den nächsten Jahren wollen und in welchem Tempo wir bei welchen inhaltlichen Schwerpunkten vorangehen wollen.
Das passiert jetzt. Das ist auch angekündigt. Deswegen haben wir uns im Bildungsausschuss darauf verständigt, am 20. Juni 2012 eine Anhörung durchzuführen. Das wird also in nicht allzu ferner Zukunft sein. Das ist ganz klar miteinander kommuniziert worden. Dann werden wir auch vor Ort schauen, wie die, die die Arbeit machen, zu den Empfehlungen, die aus dieser Arbeitsgruppe gekommen sind, stehen.
In dem Empfehlungstext selbst geht es hauptsächlich um einige Dinge, die ich hier schon einmal nennen möchte. Es geht um den Ausbau der präventiven sonderpädagogischen Grundversorgung an Grundschulen, um die sonderpädagogische Grundausstattung an Sekundar-, Gesamt- und Gemeinschaftsschulen, auch an Gymnasien, ganz klar. Es geht auch um die Schulentwicklung, um die Schulausstattung und um die Qualifizierung für Lehrkräfte und andere Beteiligte.
Natürlich müssen wir uns auch Gedanken darüber machen, wie wir das mit dem Personal hinbekommen, wie wir gerade im Bereich Sprache und Lernen, wo es ganz große Zahlen gibt, wo wir zum Teil 100 % über dem Bundesdurchschnitt liegen, umsteuern. Denn Sachsen-Anhalt wird in den Studien regelmäßig bescheinigt, dass an dieser Stelle Hausaufgaben zu machen sind. Das nehmen wir auch an. Es gibt auch Personalressourcen, aber diese müssen wir jetzt vernünftig steuern. Dabei geht in der Tat Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Deswegen: Gelbe Karten hin oder her - es ist sinnvoller, das mit den Kollegen vor Ort so zu planen und zu gestalten, dass es am Ende gelingt. Deswegen werden wir das breit diskutieren. Deswegen werden wir jetzt auch schauen, welche Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe schnell umsetzbar sind. Wichtig ist, dass wir hier Ruhe und Zeit haben, die entsprechenden Umsteuerungen vorzunehmen.
Denn man muss auch sagen: Hinter all diesen Maßnahmen stecken auch ganz konkret und real Personen, das heißt, Lehrer und Förderlehrer. Man kann nicht zum neuen Schuljahr von heute auf morgen plötzlich die Dinge über den Haufen werfen.
Aber ich denke, wir können darüber gut miteinander diskutieren, und am Ende kommt etwas Gutes heraus, das den gemeinsamen Unterricht voranbringen wird. - Vielen Dank.
Das finde ich sehr schön, Herr Minister. - Ich gehe voll konform mit Ihnen, wenn Sie sagen, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Nun bin ich aber Mitglied in einem Kreistag, und wir wissen, dass im Jahr 2014 die Schulentwicklungsplanung ansteht. Wir wissen auch, dass an den Förderschulen nicht mehr eingeschult wird. Das heißt im Klartext, dass wir im Schuljahr 2014/2015 sicherlich die eine oder andere Schule schließen müssen.
Meine Frage lautet: Was machen wir dann? Werden die Schüler aus den Schulen, die geschlossen worden sind, in einer anderen Schule beschult und die Anzahl der Schüler an dieser Schule wird dann aufgestockt? Und warten wir dann auf den Zeitpunkt, an dem die Schüler wieder weniger werden und schulen die Schüler dann wieder um? - Dieses Schneeballsystem verstehe ich nicht. Sie helfen den Lehrerinnen und Lehrern an den Förderschulen vor Ort überhaupt nicht, wenn keine klare Aussage dahin gehend getroffen wird, wie das Ganze vonstatten gehen soll.
Dieses permanente schließen, zusammenlegen, schließen, zusammenlegen scheint Ihre logische Schlussfolgerung zu sein. Das habe ich zumindest Ihren Aussagen entnommen. Das geht vor Ort überhaupt nicht.
Frau Hohmann, Sie unterstellen gerade, Ihre Überlegungen wären Bestandteil meines Konzeptes. Lesen Sie, was die Arbeitsgruppe dazu geschrieben hat, und dann kommen wir darüber ins Gespräch.
Des Weiteren ist es natürlich so, dass wir im Rahmen der Schulnetzplanungsverordnung auch über das Thema Förderschulstandorte reden müssen; denn die Förderschulen geraten natürlich, wenn
Sie so wollen, doppelt unter Druck. Sie bekommen zum einen die ganz normale demografische Entwicklung zu spüren - das können wir mit Zahlen belegen -, auf der anderen Seite wird natürlich der gemeinsame Unterricht in einigen Förderschwerpunkten - die Sprache und das Lernen sind in der Arbeitsgruppe zu Recht benannt worden und es ist in der Arbeitsgruppe auch so besprochen worden - der Schwerpunkt sein, bei dem der Druck viel stärker zunimmt. Dann wird man auch über Förderschulstandorte reden müssen.
Wir müssen uns - das ist bereits angeklungen; Frau Bull kennt das Papier vermutlich schon - Gedanken über Ausgleichsklassen, über Förderschulen mit mehreren Schwerpunkten machen. Diesbezüglich sind die Förderschulen genau wie andere Schulen aufgefordert, im Rahmen der Schulentwicklungsplanung ein Konzept vorzulegen, das dann bis 2018 bzw. 2019 Bestand hat und hält.
Deswegen saß die kommunale Familie mit am Tisch der Arbeitsgruppe, weil das genau die Fragen sind. Ebenso spielen die Fragen der Schülerbeförderung und, und, und eine Rolle. Das sind Dinge, die dort auch bedacht worden sind und die infolge dieses Konzeptes intensiv zu beraten sind.
Dies geht es in dem einen Landkreis in die eine Richtung und in einem anderen Landkreis werden wir eine andere Lösung finden müssen.
Der Grundsatz Gründlichkeit vor Schnelligkeit oder so ähnlich ist ein sehr eingängiger und er stimmt auch fast immer,
wenn die Frage des Tempos tatsächlich darin begründet wäre, dass man bloß zu ungeduldig wäre, Gutes durchzusetzen. Aber stimmen Sie mit mir darin überein, dass die Frage des Tempos hier einen anderen Grund hat, nämlich den, dass wir, wenn wir so weitermachen, mit einem linearen Anstieg von 20,6 %, von 20,7 %, von 20,75 % oder wie auch immer, trotzdem ein zweites System, nämlich das der Förderschulen, aufrechterhalten müssen und das nicht mehr können?
Wir haben einen hohen Krankenstand im Bereich der Förderschulen. Es geht also nicht um die Frage, wird man nur nicht so schnell das Gute und die Revolution und sonst was durchsetzen. Vielmehr sind wir an einem neuralgischen Punkt angekommen. Wenn wir im nächsten Schuljahr immer noch