Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

Interessant ist auch: Es wird etwas zur Verbesserung der Radwege getan. Seit dem Jahr 2007 sind im Rahmen der GRW Mittel in Höhe von etwa 5 Millionen €, also jährlich Mittel in Höhe von etwa 1 Million € für Radwege ausgegeben worden. Das hat für etwa 40 km gereicht.

Wenn wir die Angabe „40 km in fünf Jahren“ einmal hochrechnen, bedeutet dies, dass Sie „schon“ in 75 Jahren mit der Sanierung von 600 km Radwegen fertig sind. Da muss man doch etwas Geduld mitbringen, um die Radwege auf ein gutes Niveau zu bringen. Das ist jetzt aber polemisch und überspitzt gesagt; denn es gibt ja noch den ländlichen Wegebau.

Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Sitzung des Finanzausschusses, in der Minister Aeikens, der für den ländlichen Wegebau verantwortlich ist,

vor Ort war und auf die Frage, wofür er denn die Mittel im ländlichen Wegebau verwendet, sagte: für die Radwege unter anderem; das muss Ihnen doch gefallen, Herr Erdmenger.

Dazu habe ich gesagt: Da kommt aber bei den Radwegen wenig an. Daraufhin sagte er - Sie kennen Herrn Aeikens -: Nein, die Landesregierung macht diesbezüglich eine sehr erfolgreiche und gut koordinierte Politik.

Also haben wir gefragt: Wo wurden denn mit den Mitteln aus dem ländlichen Wegebau Radwege geschaffen? - Die Antwortet lautete: Die erbetenen Daten zum ländlichen Wegebau werden von der Landesregierung nicht erfasst.

Da fragt man sich: Haben Sie keine Excel-Tabellen im Ministerium, um aufzählen zu können, wo Sie die Sanierung von Radwegen gefördert haben? - Diesbezüglich gibt es offenbar Probleme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir konnten aber erfahren, dass seit dem Jahr 2005 Mittel in Höhe von 125 Millionen € in diesem Bereich ausgegeben worden sind, also richtig Geld eingesetzt wurde, offenbar aber nicht mit der Überlegung, an welchen Stellen es zumindest für den Radverkehr gebraucht wird.

Ich komme zum Schluss. Beim Thema Verkehrssicherheit will ich mich auf einen Hinweis beschränken.

Im Jahr 2008 hat die Bundesanstalt für Straßenwesen - ich zitiere sie immer gern, weil sie nicht in dem Verdacht steht, irgendwie ideologisch verbohrt für den Radverkehr zu sein - einen Kinderunfallatlas herausgebracht. Nach diesem Kinderunfallatlas hat das Land Sachsen-Anhalt die höchsten Unfallzahlen.

Auf unsere Frage, was das Ministerium daraus schlussfolgert und was daraus gemacht wurde - darauf kann vielleicht Herr Stahlknecht direkt antworten -, war die Antwort: Das haben wir im Ministerium nicht ausgewertet; das machen die Polizeireviere.

Da fragt man sich: Gehören die Polizeireviere nicht zur Landesregierung und kann man die Antworten nicht sammeln? - Offenkundig hat das keinen Alarm in unserer Landesregierung ausgelöst. Ich glaube, hier ist noch viel zu tun, auch bei der Qualität der Radwege.

Es gibt noch viel Gelegenheit, einiges im Land besser zu machen. Deswegen mein Appell an die Landesregierung: Verstärken Sie Ihre Arbeitsgruppe von heute 0,57 Stellen. Schicken Sie noch ein paar mehr hinein! Beschreiben Sie nicht nur Papier, sondern sorgen Sie auch dafür, dass etwas passiert!

Aktivieren Sie das Potenzial in den Kommunen und das Potenzial der engagierten Radfahrerinnen

und Radfahrer! Dann können wir beim Radverkehr noch viel weiter kommen. Das ist gut für das Klima, für die Gesundheit, für die Verkehrssicherheit und das ist obendrein kostensparend hinsichtlich der Infrastruktur. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stahlknecht in Vertretung von Herrn Minister Webel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf von Herrn Dr. Brachmann, SPD)

- Bitte? - Singen kann ich nicht. Das macht vielleicht der Kollege Scheurell. Er hat eine gute Stimme. „Wir sind mit dem Radl da“ - damit sollte ich beginnen. Das überlasse ich dann Ihnen, Herr Kollege.

Ich vertrete Herrn Webel gern und werde daher von der mir vorliegenden Unterlage ablesen.

Die Regierungskoalition hat in ihrer Koalitionsvereinbarung für die fünfte Legislaturperiode beschlossen, einen Landesradverkehrsplan zu erarbeiten. Sein Ziel ist es, in Umsetzung des nationalen Radverkehrsplanes die Radverkehrsförderung im Land ressortübergreifend und in enger Kooperation mit den Kommunen weiterzuentwickeln. Damit soll eine Synthese - das haben Sie teilweise angesprochen - zwischen den touristischen Freizeitbelangen und den Anforderungen des Radverkehrs im Alltag erreicht werden.

Mit dem am 15. Juni 2010 von der Landesregierung beschlossenen Plan können wir sagen, dass dieses Ziel erreicht und durch die intensive Zusammenarbeit der Ressorts für Sachsen-Anhalt erstmalig eine Strategie zur perspektivischen Entwicklung des Radverkehrs erarbeitet wurde.

In die Planerarbeitung wurden auch die kommunalen Gebietskörperschaften über die Landkreise und die kreisfreien Städte, die regionalen Planungsgemeinschaften, die im Rahmen der Radverkehrsförderung tätigen Verbände und Vereine einschließlich des ADFC, Wirtschafts- und Infrastrukturunternehmen sowie anerkannte Umwelt- und Naturschutzverbände einbezogen. Nunmehr steht der Landesradverkehrsplan, der auf einem breiten Konsens fußt.

An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass es sich hierbei nicht schwerpunktmäßig um die Bedarfsplanung oder die Finanzierung von straßenbegleitenden Radwegen an Bundes- und Landesstraßen handelt. Diese sind im Rahmen der Entwicklung eines komplexen Landesradverkehrsnet

zes ebenso Bestandteil wie die überregionalen und regionalen touristischen Radrouten in Verantwortung des MW und der Landkreise sowie das ländliche Wegekonzept in Verantwortung des Hauses des Kollegen Onko Aeikens.

Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Landesradverkehrsplanes sind die Bestimmungen des Radverkehrsnetzes, die Bewertung von Eisenbahntrassen hinsichtlich des Ausbaus als Radweg - gemeint ist hierbei wahrscheinlich ehemaliger Eisenbahntrassen -, das Wegemanagement, touristische Routen, Wegweisungssysteme und Beschilderungsmanagement, die Vernetzung mit dem ÖPNV, die Mobilitätserziehung und die Verkehrssicherheitsarbeit, die Koordinierung und die Öffentlichkeitsarbeit, die Radwegeinformationsdatenbank, die Finanzierung und die Förderung.

Die Fertigstellung des Planes ist jedoch noch kein Grund, auf dem erreichten Arbeitsstand stehenzubleiben. Er muss weiter mit Leben erfüllt werden.

Unter dem Titel „Umsetzung des Radverkehrsplanes Sachsen-Anhalt“ wurde am 25. April 2012 die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht. Die Große Anfrage umfasste 152 komplexe Fragen mit einer Vielzahl von detaillierten Unterpunkten zu den Themen Folgeaktivitäten zum Landesradverkehrsplan, Alltagsradverkehr, Verknüpfung von Bahn, Bus und Rad, Radtourismus, Sicherheit im Radverkehr und Umsetzung der Straßenverkehrsordnungsnovelle aus dem Jahr 1997.

An dieser Stelle auf konkrete inhaltliche Sachverhalte einzugehen, würde den Rahmen - auch aufgrund der Vielzahl der Fragen, lieber Herr Kollege Erdmenger, zumal der Landesradverkehrsplan nur bedingt in der Großen Anfrage angesprochen ist - sprengen.

Dem Landesradverkehrsplan wurden zwei Planungshorizonte zugrunde gelegt: ein kurzfristiger Zeitraum bis zum Jahr 2012, der mit dem Zeithorizont des nationalen Radverkehrsplanes korrespondiert, und ein mittelfristiger Zeitraum bis zum Jahr 2017.

Diese im Radverkehrsplan ab dem Jahr 2010 genannten Zeiträume zur Umsetzung bzw. Prüfung von Maßnahmen und Empfehlungen der Radverkehrsförderung sind Orientierungstermine. Eine Abrechnung der Maßnahmen und Empfehlungen aus den einzelnen Handlungsfeldern des Planes wird die Grundlage für die Fortschreibung des Landesradverkehrsplanes nach dem Jahr 2017 bilden. Eine konkrete Planabrechnung ist zum jetzigen Zeitpunkt nur bedingt oder nur in ausgewählten Punkten möglich.

Der erste Planungshorizont soll nunmehr mit einer Evaluation begonnen und bereits umgesetzte Maßnahmen unter Beachtung des fortgeschriebenen

und am vergangenen Mittwoch im Bundeskabinett beschlossenen und verabschiedeten nationalen Radverkehrsplans abgeschlossen werden. Hiermit können die in den Handlungsfeldern eingeleiteten Maßnahmen zielorientiert bis zum Ende des mittelfristigen Planungshorizonts nachgesteuert werden.

Der Landesradverkehrsplan ist kein Finanzierungsplan zur landesweiten Radverkehrsförderung. Die Umsetzung des Plans in der gesamten Breite ist von der Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel für alle beteiligten Ressorts abhängig.

Durch eine ressortübergreifende Förderstrategie soll dabei der effiziente Einsatz der verfügbaren Mittel optimiert und im Sinne der verkehrspolitischen Ziele und Grundsätze gezielt gesteuert werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz auf den erreichten Arbeitsstand bei der Umsetzung des Landesradverkehrsplanes eingehen.

Wie bereits gesagt, wurden in dem von der Landesregierung beschlossenen Landesradverkehrsplan zwei Planungshorizonte zugrunde gelegt. Für die Weiterentwicklung des Radverkehrs als System haben wir in den letzten Jahren Grundlagen geschaffen, die optimistisch stimmen können.

Wir können im Vergleich mit anderen Bundesländern im Bereich des Radverkehrs nicht nur Schritt halten, sondern haben in einzelnen Handlungsfeldern bereits beispielhafte Lösungen entwickelt.

Zu unserer soliden Basis gehört die Infrastruktur. Seit dem Jahr 1990 haben wir im Land rund 2 400 km touristische Radwege ausgewiesen. Allein über den Elberadweg erfahren jährlich zig Tausende von Touristen Sachsen-Anhalt. Das trifft auch auf den Europaradweg R 1 zu, der aus Calais kommend am Nordharz entlang über Dessau, Berlin nach Sankt Petersburg führt. Er hat den europäischen Status einer EuroVelo-Route und gleichzeitig des bundesweiten D-Routennetzes.

Unter Beteiligung von Sachsen-Anhalt wurde hier im ersten Halbjahr 2012 ein Pilotprojekt des Bundes abgeschlossen, in dessen Ergebnis unter anderem Wege und Strategien für eine bessere Vermarktung entwickelt wurden.

Ca. 1 370 km Radwege wurden seit dem Jahr 1990 an Straßen begleitend an Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen geschaffen. Dies ist ein unschätzbarer Beitrag zur Verkehrssicherheit, da der schneller werdende motorisierende Verkehr vom langsamen Radverkehr getrennt wurde.

Durch eine planmäßige Mehrfachnutzung in dem Netz an rund 30 000 km land- und forstwirtschaftlichen Wegen konnte für Radfahrer ein weiteres engmaschiges Wegenetz erschlossen und das Landesradverkehrsnetz vervollkommnet werden.

Zu den positiven Rahmenbedingungen für den Radverkehr in Sachsen-Anhalt gehört die kosten

lose Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr und in einer ganzen Reihe von Bussen. Damit haben wir eine Erfolgsgeschichte mit Perspektive geschrieben und wir werden diesen eingeschlagenen Weg fortsetzen.

Zwischenzeitlich ist es keine vereinzelte Ausnahme mehr, dass auch Linienbusse auf Strecken des Landesnetzes für die Fahrradmitnahme mit Heckträgern oder auch Anhängern ausgerüstet sind. Sowohl im Landesradverkehrsplan als auch im öffentlichen Personennahverkehr des Landes haben wir einen abgestimmten Bezug zwischen dem Radverkehr und dem ÖPNV hergestellt.

Bei der Förderung von Maßnahmen an Schnittstellen werden im Zusammenhang mit dem Bau, dem Ausbau oder der Umgestaltung von Parkflächen unter anderem auch Fahrradabstellanlagen und Fahrradstationen gefördert. Bei der künftigen Gestaltung von Schnittstellenmaßnahmen im ÖPNVLandesnetz bzw. der Revitalisierung von Empfangsgebäuden wird auch geprüft, ob im Einzelfall die Einrichtung von Ladestationen für die E-Bikes sinnvoll ist. Zudem ist beabsichtigt, gemeinsam mit der Deutschen Bahn Station & Service AG die Einführung entsprechender Bikesharing-Produkte zu prüfen, wobei die Buchung und die Abrechnung in das aufzubauende landesweite elektronische Ticketingsystem zu integrieren wären.

An diesen Entwicklungen wird deutlich, dass sich das Land den perspektivischen Anforderungen stellt und diese frühzeitig in seine Planung einbezieht. Das Thema Mobilitätserziehung haben wir bereits sehr frühzeitig aufgegriffen und im Rahmen der Umsetzung des Radverkehrsplans weiter vertieft. Seit einigen Jahren vermitteln wir mit Partnern aus ÖPNV-Unternehmen Informationen zu Mobilitätsangeboten, die neben dem Auto bestehen. Das alles sind Angebote, die wir umgangssprachlich unter dem Begriff Umweltverbund zusammenfassen, also Bahn, Bus, Fahrrad und das Zu-FußGehen.

In diesem Rahmen werden Fertigkeiten für die eigenständige Mobilitätsausübung vermittelt. Hierzu gehört das Lesen eines Fahrplans ebenso wie die Klärung von Fragen zur Verkehrssicherheit. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist weiterhin die schulische Mobilitätserziehung, die in intensiver Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Landesressorts und externen Partnern, wie der Landesverkehrswacht, der Unfallkasse Sachsen-Anhalt und der ÖSA, um nur einige zu nennen, bereits seit einigen Jahren erfolgreich praktiziert wird.

Zur Beschreibung des Status quo gehört auch der erreichte Stand der Nutzung des Fahrrades als Verkehrsmittel. Laut der Studie mit dem Titel „Mobilität in Deutschland (MiD) 2008“ liegt der Anteil des Radverkehrs in Sachsen-Anhalt bei ca. 15 % und somit um ca. 5 Prozentpunkte höher als im Bundesdurchschnitt. Begünstigend wirkt hierbei