Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

An dieser Stelle darf ich eine Bitte an alle Verantwortlichen äußern: Wir haben in Sachsen-Anhalt - das ist beinahe einmalig in Deutschland - die Situation, dass das Fahrrad im Regionalverkehr und im Bahnverkehr kostenfrei mitgenommen werden kann. Das wird von ganz, ganz vielen Menschen genutzt und das sollten wir uns bewahren. Diese Möglichkeit sollten wir auch in Zukunft kostenfrei erhalten. Das soll es uns wert sein.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Loos, DIE LINKE)

Wenn wir über die Schnittstellen reden und über die Möglichkeit, Fahrräder auch mit der Bahn mitzunehmen, dann reden wir auch darüber, welche

Wirkungen es hat, wenn wir Bahnstrecken nicht mehr haben oder Haltepunkte nicht mehr haben.

Ich will daran erinnern, dass das natürlich auch eine Verschlechterung der entsprechenden Mobilitätsmöglichkeiten von Menschen im ländlichen Raum ist. Nun weiß ich auch, dass wir nicht überall ein flächendeckendes Bahnnetz haben, aber dort, wo wir es haben, müssen wir uns dafür einsetzen, dass wir es, wenn es denn irgend möglich ist, sowohl mit Blick auf die Strecken insgesamt als auch mit Blick auf den Ausbau und den Erhalt von Haltepunkten tatsächlich erhalten.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Tourismus ist einiges gesagt worden. Ich will hier nur noch darauf hinweisen, dass wir, wenn wir überregionale Radwege bauen, oftmals nicht nur die touristischen Aspekte im Kopf haben. Ich darf auch dazu aus meiner Heimatregion ein kleines Beispiel bringen.

Der Elbe-Radweg, der beliebteste Fernradweg Deutschlands, ist in meiner Region derart weit weg von der Elbe, dass er zwar Elbe-Radweg heißt, dass aber die Menschen, die darauf fahren, die Elbe nicht zu sehen bekommen, weil wir aus Naturschutzgründen gesagt haben, dass man dort nicht heranfahren darf.

Das finde ich wiederum nicht richtig. Ich meine, dann müssen wir den Menschen auch das bieten, was wir ihnen versprechen, nämlich die Möglichkeit, einen flussnahen Radweg zu nutzen. Dazu gehört auch die Verpflichtung, das ordentlich auszuschildern, und die getrennte Nutzung von Radweg und Autospur ist selbstverständlich.

Es ist also noch viel zu tun für gute und sichere Radwege. Wir brauchen Gesamtkonzepte für das Land, aber auch für die einzelnen Kommunen. Aber nicht nur beim Bau bzw. beim Ausbau einer Straße, auch rechts und links davon muss es passen. Da gibt es oft genug Herausforderungen an Planer oder auch an kommunale Bauämter, die manches Mal nicht daran denken, dass der Radfahrer, wenn die eine Straße zu Ende ist und eine andere Straße anfängt, nicht gefahrlos auf die andere Seite kommt. Mehr Anstrengungen insgesamt sind also notwendig. Wir sind auf einem guten Weg.

Für die Verkehrssicherheit lassen Sie mich abschließend sagen: Hier ist nicht nur die Polizei gefragt, auch die kommunalen Ordnungsbehörden sind in der Pflicht, sich dafür einsetzen, dass die Verkehrsregeln beachtet und die Möglichkeiten, die unsere kommunale Infrastruktur bietet, genutzt werden.

Schließlich und endlich sind wir alle gefordert, als Verkehrsteilnehmer stets zu berücksichtigen, dass unser Bewusstsein für ein sicheres Verhalten im

Straßenverkehr und auch die gesetzeskonforme Teilnahme am Straßenverkehr wichtig sind. Schließlich wollen wir auch unseren Kindern gute Vorbilder sein. Deshalb der Appell an uns alle: Wenn wir das Rad nutzen, dann richtig und rechtssicher. Wenn wir uns im Straßenverkehr bewegen: § 1, Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme helfen immer.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Wagner. Würden Sie diese beantworten?

Aber gern doch.

Bitte schön.

Herr Hövelmann, Sie haben die Anarchie im Straßenverkehr angesprochen. Ich möchte Ihnen erst einmal beipflichten, dass ich das auch als großes Problem betrachte. Da fällt mir zum Beispiel ein, wie trotz einer Einschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf den Autobahnen gerast wird, wie Autos auf Radwegen parken, obwohl sie das nicht dürfen, wie Fußgänger sich ohne zu schauen das Anrecht herausnehmen, auf Radwege zu springen, und damit auch eine Gefährdung darstellen, insbesondere für Radfahrerinnen und Radfahrer.

Sie haben als einziges Beispiel für die Anarchie im Straßenverkehr gebracht, dass es Radfahrer gibt, die der Radwegenutzungspflicht nicht nachkommen. Das hat für mich so gewirkt, als wollten Sie suggerieren, dass Radfahrer in besonderem Maße, also statistisch relevant, eher für die Anarchie im Straßenverkehr zuständig seien als andere Verkehrsteilnehmer. Haben Sie dafür Belege?

Dafür habe ich weder Belege, noch habe ich das so gemeint. Ich habe es übrigens auch nicht so gesagt. Vielleicht ist das mit der Verkürzung auf ein Beispiel so angekommen, dass man diesen Schluss daraus ziehen kann. Dann danke ich Ihnen sehr, Herr Wagner, dass ich die Chance habe, noch zwei Sätze dazu zu sagen.

Denn ich bin schon der Überzeugung, dass alle Gruppen von Verkehrsteilnehmern - das sind die Fußgänger genauso wie die Radfahrer - und auch die motorisierten Verkehrsteilnehmer, egal ab es Mofa-, Motorrad- oder Autofahrer und hin und wieder auch Lkw-Fahrer sind, sich manchmal nicht darum scheren, dass es da noch einen anderen

Verkehrsteilenehmer gibt, der vielleicht schwächer ist, weil er keine Knautschzone hat, weil er mit einer langsameren Geschwindigkeit unterwegs ist. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmer.

Aber ich wollte, wenn ich über das Radverkehrsnetz und den Radverkehrsplan des Landes Sachsen-Anhalt rede, über die Radfahrer reden und deswegen habe ich dieses Beispiel genommen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ein bisschen tenden- ziös war es schon!)

- Ja, so ist das manchmal. Verkürzung birgt das Risiko der Tendenziösität. Genau. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Hövelmann. - An dieser Stelle möchte ich noch einmal an Sie appellieren, aufgrund der Situation, die wir ohnehin haben, die vorgegebenen Redezeiten einzuhalten und nicht noch eine Minute zu überziehen. - Herr Scheurell spricht für die CDU-Fraktion.

(Herr Scheurell, CDU: Die LINKEN kommen wohl nicht?)

- Entschuldigung. Mein Appell sollte jetzt nicht ganz so stark einkürzen. Bitte schön, Herr Kollege Hoffmann.

Jetzt wollte ich schon mal forsch fahren und dann darf ich nicht. - Meine Damen und Herren! Herr Erdmenger, ich bin mit vielem, was Sie gesagt haben, einverstanden, nur mit einem nicht: Mein Fahrrad ist nicht vom Baumarkt, sondern von Kaufland und es fährt seit über 15 Jahren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich denke, wir sind uns auch darüber einig: Mobilität ist ein Grundrecht. Ohne Mobilität ist Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kaum - eigentlich gar nicht - möglich. DIE LINKE geht davon aus, dass der Radverkehr Mobilität ermöglicht, und das weitgehend unabhängig vom Einkommen und vom Alter. Er ist gesundheitsfördernd, kostengünstig, umweltfreundlich, leise und beansprucht wenig Fläche. Ihnen werden bestimmt noch andere Kriterien einfallen, warum Radverkehr günstig ist.

Allerdings möchte ich eines anmerken: Beim straßenbegleitenden Radwegebau ist das so eine Sache, ob das da immer noch gesund ist. Deswegen sollte man an manchen Stellen einmal über die Sinnfälligkeit dieser Parallelität nachdenken und vielleicht Waldwege nutzen, die man an einigen Stellen finden kann.

(Zustimmung bei der LINKEN)

DIE LINKE hat im Jahr 2010 das Erstellen des Landesradverkehrsplanes begrüßt, wenngleich die

Mitgestaltungsmöglichkeiten durch die Kommunen, Vereine, Verbände sowie auch des Parlaments aus unserer Sicht unzureichend waren und - das hat man bei Herrn Erdmenger schon hören können - auch heute noch sind.

Auf eine Frage zur Hinzuziehung von externem Sachverstand lautet die Antwort: Ja. Aber in der schriftlichen Antwort steht dann:

„Das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft zieht bei überregionalen touristischen Routen die Förderservice GmbH der Investitionsbank Sachsen-Anhalt FSIB hinzu.“

Das war wohl mit dieser Frage nicht gemeint und genügt aus meiner Sicht auch als Antwort absolut nicht.

(Zustimmung von Herrn Erdmenger, GRÜNE)

Wir denken bei externem Sachverstand eher daran, dass diejenigen, für diese Planung auf den Weg gebracht wird, nämlich Radfahrer und hier zum Beispiel ganz speziell der ADFC, einzubeziehen sind, denn da ist auch der Verbraucher vorhanden.

Natürlich ist dem ADFC die Große Anfrage bekannt und er hat sich auch positioniert. Ein Mitglied des Clubs sagte mir zu diesem Thema - das darf ich zitieren, ich habe da gefragt -, dass der Landesradverkehrsplan sich spannender liest als die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es wird daher sicherlich nicht überraschen, dass der ADFC sein Resümee mit den Worten zusammenfasst: Landesradverkehrsplan - der große Wurf oder der große Bluff?

Eine Schlüsselfrage der Mobilität ist für DIE LINKE die Stärkung und attraktivere Gestaltung des öffentlichen Personenverkehrs in den Städten, sicherlich - das haben wir bei bestimmten Entscheidungen in der jüngsten Zeit auch schmerzlich gemerkt - auch mehr in der Fläche. Der öffentliche Personenverkehr ist für uns Grundgerüst urbaner Mobilität.

Wir befürworten deshalb bei städtischen Verkehren Großbeförderungsmittel wie Busse und Bahnen. Aber der Radverkehr ist dabei eine sehr wichtige Ergänzung und Verbindung zwischen den Netzen. Zahlreiche stabile, sichere und wenn möglich überdachte Fahrradabstellanlagen sind eine Voraussetzung für die verstärkte Nutzung des Fahrrads für solche Kombinationen. Dies hat auch ein landesweiter Marktcheck der Verbraucherzentrale zu den Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 bestätigt.

Wer wie der Bundesverkehrsminister dem Radfahren den vor wenigen Tagen verlautbarten Impuls verleihen will, der muss solche verbraucherrele

vanten Themen im Blick haben, seine Zielgruppe dahin gehend ernst nehmen und bei der Realisierung einer an sich anspruchsvolle Planung wie dieses Landesradverkehrsplans auch berücksichtigen.

Einerseits wird daher in der Antwort unbestritten die große Bedeutung des Radverkehrs für Sachsen-Anhalt herausgestellt, andererseits offenbaren sich aber auch, von Herrn Erdmenger schon angedeutet, große Wissenslücken. Ich verweise nur auf das Thema Unfallgeschehen oder auch auf Fragen an verschiedenen Stellen zur wirtschaftlichen Bedeutung des Radverkehrs.

Der leider am häufigsten in der Antwort der Landesregierung vorkommende Satz lautet: „Eine amtliche Statistik hierüber wird nicht geführt.“ Weshalb eigentlich nicht? Wenn es daran liegt, dass keine Strukturen dafür existieren oder das Geld fehlt oder das auch in Zukunft nicht vorgesehen ist, weshalb wird dann nicht auf Möglichkeiten der Nutzung von Forschungs- und Studienprojekten zurückgegriffen und eventuell auch auf Erhebungen von Interessenorganisation wie dem ADFC?

(Zustimmung bei der LINKEN)