Herr Krause, bevor ich Ihnen das Wort erteile, möchte ich Damen und Herren der Städtischen Volkshochschule Magdeburg begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns alle treibt die Sorge über die Entwicklung im Nahen Osten, insbesondere in Syrien um. Unsere Aufmerksamkeit gilt der Sicherheitslage der gesamten Region. Unsere Gedanken sind bei den unschuldigen Menschen, die in diesen Konflikt gerissen werden.
Es ist offensichtlich: Die allgemeine Menschenrechtslage in Syrien ist aufgrund von Mord, Verfolgung und Folter kritisch. Die Bundesregierung hat bereits mehrfach Menschenrechtsverletzungen, insbesondere die anhaltende Gewalt syrischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten, scharf kritisiert und sich für eine Verschärfung der Sanktionen eingesetzt.
Insgesamt sind bereits mehr als 150 000 Menschen aus Syrien geflohen. Besorgniserregend ist auch die Lage der Christen in Syrien, die Opfer von religiöser Verfolgung sind.
Angesichts dieser humanitären Katastrophe muss die europäische Gemeinschaft natürlich auch bereit sein, verfolgte, verletzte und bedrohte Menschen aus diesem Land aufzunehmen. Dabei können wir - das wissen Sie auch - keine Alleingänge vornehmen. Vielmehr bedarf es hierfür eines gemeinsamen Agierens auf der Bundesebene und auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten.
Sachsen-Anhalt hat immer seinen Beitrag zur Aufnahme schutzbedürftiger Personen geleistet und wird auch weiterhin seiner humanitären Verantwortung gerecht. Der Minister hat dies erwähnt.
Darüber hinaus fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN aufgrund der Menschenrechtssituation in Syrien die sofortige Aussetzung des Rück
Es stört mich sehr, dass ein Aspekt bei dieser Diskussion immer zu kurz kommt, und zwar folgender: In Deutschland werden bei einer möglichen Abschiebung stets humanitäre und menschenrechtliche Aspekte, und zwar ganz unabhängig von einem Rücknahmeabkommen, in jedem Einzelfall sehr sorgfältig geprüft. Es ist doch klar, dass die aktuelle Menschenrechtslage in Syrien auch Konsequenzen im Umgang mit den Betroffenen hat.
So hat das Ministerium für Inneres und Sport unseres Bundeslandes im April 2012 auf der Grundlage eines Umlaufbeschlusses der Innenministerkonferenz einen förmlichen Abschiebestopp angeordnet. Bereits zuvor sind durch die Anordnung des Ministeriums für Inneres und Sport seit Mai 2011 Abschiebungen nach Syrien nicht mehr erfolgt.
Der Minister hat es klar und deutlich gesagt: Keiner der in Sachsen-Anhalt lebenden syrischen Staatsangehörigen muss sich Sorgen machen, nach Syrien abgeschoben zu werden. Ein klares Abschiebeverbot bestand bereits vor Ihrer Antragstellung. Die meisten in Sachsen-Anhalt lebenden syrischen Staatsangehörigen sind im Besitz eines Aufenthaltstitels.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Um es ganz unmissverständlich und deutlich zu sagen: Abschiebung und Rücknahmeabkommen sind zwei paar Schuhe. Zum Rücknahmeabkommen mit Syrien möchte ich Folgendes sagen: Durch das am 3. Januar 2009 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik und der Regierung der Arabischen Republik Syrien wurde die Kooperation mit den syrischen Behörden gestärkt. Zuvor gab es mit Syrien immer Probleme in Fällen der Rückführung.
Einen Aspekt verschweigen Sie außerdem, nämlich dass es auch Teil des Rücknahmeabkommens ist, dass Syrien an sich verpflichtet ist, sich an die international üblichen Menschenrechtsstandards zu halten. Wenn wir Syrien nunmehr aus diesem Vertrag entlassen, entlassen wir das Land auch aus dieser völkerrechtlichen Verpflichtung. Das sollte Ihnen klar sein. Dann erreichen wir genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen.
Auch das gehört zur Wahrheit: Würden wir auf das Rücknahmeabkommen verzichten, werden viele türkische Kurden nach Deutschland kommen und wahrheitswidrig behaupten, sie seien syrische Staatsangehörige oder staatenlose Syrer. Wir wollen und werden Schleusern keine Einladung nach Deutschland geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage es noch einmal deutlich: Das Abkommen bedeutet für die zuständigen Bundesländer keine Verpflich
tung zur Durchführung der Abschiebung und stellt auch keinen Hinderungsgrund dar, eine Abschiebung in Gefährdungssituationen auszusetzen. Die Aussetzung einer Abschiebung aus humanitären und menschenrechtlichen Gründen wird durch das Abkommen nicht berührt.
In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Innenausschusses und bedanke für mich Ihre Aufmerksamkeit.
Es gibt keine Nachfragen. Herr Krause hat nur betont, dass er die Redezeit knapp eingehalten hat. - Herr Herbst, Sie haben das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Zur Situation in Syrien möchte ich nicht mehr viele Worte verlieren, weil dazu sehr viel Wichtiges und Richtiges gesagt wurde. Wir wissen alle, wie dramatisch sich die Situation darstellt. Wir wissen auch alle, dass die Forderungen, die wir mit unserem Antrag gestellt haben, die aktuelle Situation der syrischen Staatsangehörigen in Sachsen-Anhalt zu verbessern, heute noch wichtiger und richtiger wären, als zu dem Zeitpunkt, zu dem wir sie gestellt haben.
Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses ist nicht wirklich falsch. Dahinter kann man sich stellen. Darin steht nichts, wogegen man stimmen könnte oder sollte. Aber ich muss ehrlich sagen, dass wir uns dazu nicht mehr als der Stimme enthalten können. Unsere Forderungen wurden absolut weichgespült. In der Beschlussempfehlung heißt es:
„Das Land Sachsen-Anhalt wird auch zukünftig seinen nationalen Beitrag zu den internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik im Hinblick auf die Aufnahme von schutzbedürftigen Personen aus Krisengebieten leisten.“
Ich weiß nicht einmal, ob es sachlich überhaupt richtig ist, dass wir als Land einen nationalen Beitrag leisten können. Wir können höchstens einen Landesbeitrag für eine nationale Angelegenheit leisten.
Aber so etwas passiert, wenn man sich in so blumigen Formulierungen ergeht, dann macht man manchmal auch etwas falsch.
Den Abschiebestopp Sachsen-Anhalts begrüßen wir natürlich nach wie vor. Ich habe eben konkretisiert, dass wir auch wissen, wann damit begonnen wurde.
Aber darüber hinaus erhalten wir unsere Forderung nach einer Rücknahme des Rückführungsabkommens aufrecht. Wir glauben nicht, dass man jegliches interstaatliche Abkommen mit einem diktatorischen Assad-Regime aufrechterhalten sollte, wenn man ihm doch seine Legitimität abspricht. Wer würde denn verneinen, dass diesem Regime die Legitimität zur Führung des Landes abzusprechen ist?
Lieber Herr Krause, für mich ist heute auch die Kooperation mit den Behörden, die sich mit dem Rückführungsabkommen angeblich verbessert habe, kein Grund mehr. Denn ich möchte keine Verbesserung der Kooperation mit diesen Behörden, die ihr eigenes Volk zugrunde gehen lassen.
Deswegen, so glaube ich, meine Damen und Herren, dass wir auf den wenigen Gebieten, auf denen wir ein bisschen internationalen Einfluss haben, auf denen wir ein solches Abkommen gestalten können, sehr gut ein Signal setzen könnten, indem wir das Abkommen zurücknehmen, indem wir es aufkündigen und damit eine klare Botschaft senden. Für uns würde sich damit nichts verändern.
Für die syrischen Menschen, die bei uns in Deutschland sind, wäre es auch nur ein wichtiges Signal, aber es würden weder mehr Menschen werden noch würde sich etwas verändern. Wenn sich die Lage in Syrien einmal wieder so verbessert haben sollte, dass wir sagen, mit einer neuen Regierung können wir wieder kooperieren, dann können wir meinetwegen auch wieder an einem neuen Abkommen arbeiten, sofern es denn die humanitäre Lage zulässt.
Der Aspekt der Problematik der syrischen Studierenden, der in der Debatte ebenfalls eine Rolle gespielt hat, ist in der Beschlussempfehlung nicht enthalten. Diesen Aspekt hätte man im Sinne eines Arbeitsberichts der Landesregierung, der wir während der Debatte etwas mit auf den Weg gegeben haben, in die Beschlussempfehlung aufnehmen können. Ich befürchte aber, dass die Abwesenheit der Wissenschaftsministerin ein Zeichen dafür ist, dass die Regierung keine allzu starke koordinierende Funktion bei diesem Thema übernommen hat.
Es gibt nun Mittel des DAAD für die syrischen Studierenden in unserem Land. Viele Studierende der Martin-Luther-Universität und der Otto-vonGuericke-Universität kommen in den Genuss dieser Mittel. Wir sind froh, dass diese Maßnahme getroffen wurde. Aber es ist nicht aller Tage Abend und es ist nicht die Idealmaßnahme. Denn erstens
sind die Mittel bis Februar 2013 beschränkt. Was passiert dann? Gibt es eine neue Runde? - Auch an dieser Stelle schließt sich der nächste Auftrag an die Landesregierung an, an einer Perspektive für die syrischen Studierenden im Land zu arbeiten.
Zweitens sind die Auswahlkriterien dafür, dass die Studenten in den Genuss dieser Mittel kommen können, außerordentlich merkwürdig. Denn es ging doch um humanitäre Gründe und nicht um Studienleistungen. Wie kann es denn sein, dass die Vergabekriterien des DAAD unter anderem hohe Studienerfolgsaussichten und eine zeitliche Nähe zum Abschluss sind? Es kann doch kein Kriterium sein, dass ein Student ein oder zwei Semester vor seinem Bachelor- oder Masterabschluss stehen muss, um die Mittel des DAAD zu erhalten. Wenn er in einer humanitären Notlage ist, dann kann er auch ganz frisch im ersten oder zweiten Semester sein und diese Mittel erhalten. An dieser Stelle gibt es Nachbesserungsbedarf. Ich hoffe, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht wird.
Bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung werden wir uns als Fraktion der Stimme enthalten. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich eine Bemerkung zu Ihren Ausführungen, Herr Herbst, machen. Der Aspekt der Situation der syrischen Flüchtlinge wurde in die vorliegende Beschlussempfehlung nicht aufgenommen, da es einen gesonderten Antrag der Fraktion DIE LINKE zu diesem Thema gab, der in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen wurde und dort behandelt und gesondert beraten werden soll. Darauf haben wir bereits in der Plenarsitzung im September hingewiesen. Nichtsdestotrotz wird über die Situation der syrischen Flüchtlinge diskutiert und beraten.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal das wiederholen, was auch die Vorredner dargestellt haben und was wir bereits im September besprochen haben. Natürlich bedrückt uns alle die Situation in Syrien und wir missbilligen diese. Die Situation ist nicht besser geworden, sondern sie hat sich verschärft.
Die verschärfte Situation in Syrien erhöht auch den Flüchtlingsdruck nach Europa und in die Nachbarstaaten. Besonders betroffen sind natürlich die Anliegerstaaten und auch ein europäisches Land, die Türkei. Soweit ich das recherchieren konnte, ist die
Aussage der Vereinten Nationen, dass sich derzeit bis zu 280 000 Flüchtlinge allein in der Türkei aufhalten.
Es ist aber an dieser Stelle, Frau Quade, auch zynisch, die Menschen aufzufordern, ihr Land zu verlassen. Ich denke, dass wir - gerade in der Historie, wenn auch nicht vergleichbar - immer davon ausgehen, dass wir die Situation im Land verändern wollen, dass die Kriegssituation im Land abgeschafft werden soll, dass gegen diese gearbeitet werden soll. Aber wir sollten nicht versuchen, die Situation im Land dahin gehend zu ändern, dass wir die Menschen auffordern, das Land zu verlassen. Das wäre letztlich die Prognose mit dem Aufnahmeprogramm.
Dass die Bundesrepublik sich dieser Aufgabe stellt, ist von den Vorrednern gesagt worden - vom Minister und auch von meinem Vorredner von der CDU. Die humanitäre Hilfe ist noch einmal aufgestockt worden - auf 67,3 Millionen €, die speziell für die Flüchtlingshilfe mit ausgegeben werden sollen.