Protokoll der Sitzung vom 15.11.2012

Letztlich ist es die politische Verantwortung des zuständigen Staatssekretärs, des Innenministers und schließlich auch des Ministerpräsidenten.

Trotz aller grundsätzlichen Kritik beantragen auch wir die Überweisung des Gesetzentwurfes Ihrer Fraktion in den Innenausschuss, den Rechts- und den Finanzausschuss mit dem Ziel einer konstruktiven Diskussion im Sinne unserer Problemstellung und unserer Lösungsansätze. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau von Angern. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bommersbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine ganze Menge zu diesem Gesetz gehört. Eigentlich - Herr Striegel, es ist mehrfach gesagt worden - ist es ein Abschaffungsgesetz anstelle eines Änderungsgesetzes. Das wäre wesentlich zielführender gewesen. Nichtsdestotrotz wollen wir uns ein Stückchen in die Genese begeben.

Was ist denn tatsächlich passiert? - Ja, mit dem NSU sind Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Es hat eine ganze Reihe von Pannen gegeben, die auch leider Leben gekostet haben. Richtig ist aber auch, dass wir zu Beginn der Legislaturperiode das Verfassungsschutzgesetz geändert haben und Sie neu als einen Vertreter in die PKK aufgenommen haben. Wir haben die Anzahl der PKK-Mitglieder von vier auf fünf erhöht. Das ist auch richtig.

Herr Striegel, Sie können Ihrem Auftrag als gewählter Vertreter in der PKK nachkommen. Sie können auch dort Ihre Fragen stellen. Wir können aber nicht dazu übergehen, dass die PKK diese Aufgaben, die Sie aufgelistet haben, noch zusätzlich erfüllt. Das sind Dinge, die so nicht gehen. Das wissen Sie auch. Das ist auch nicht richtig.

Zu allen anderen Dingen, die Sie in Ihren Gesetzentwurf geschrieben haben, erspare ich mir jeglichen Kommentar, weil er in sich an manchen Stellen so widersprüchlich ist, dass es schade um die Zeit ist, um dies hier zu kommentieren.

Wir als Fraktion der CDU werden mit Stimmenthaltung stimmen. Das ist das Einzige, womit man auf diese Vorlage antworten kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Bommersbach. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Herr Striegel noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht fange ich mit der Beantwortung der Fragen des Kollegen Bommersbach an, der zum Schluss bemerkte, das sei alles in keiner Weise diskutabel und die vorgeschlagenen Regelungen bräuchte man nicht weiter zu betrachten.

Dazu muss ich sagen, das ist schon ein merkwürdiges Verständnis dahin gehend, dass es für die meisten nicht originär neue Regeln sind, sondern Regeln, die wir dem parlamentarischen Kontrollgremiumsgesetz des Bundes oder einzelnen Landesgesetzen entnommen haben. Dazu muss man ganz deutlich sagen, diese Kontrollrechte sind nichts originär Neues.

(Herr Erben, SPD: Aber nicht das Abziehen von V-Leuten!)

Wenn der Kollege Erben darauf verweist, dass das die Maßnahme zum Abbruch von bestimmten nachrichtendienstlichen Maßnahmen nicht beinhaltet, dann hat er Recht. Das ist dann der einzig originär neue Punkt.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von Minister Herrn Stahlknecht)

Ich will noch einmal auf die Frage hinaus, die Sie, Herr Minister Stahlknecht, in den Raum gestellt haben, warum wir als GRÜNE den Verfassungsschutz nicht sofort abschaffen und abwickeln wollen.

(Zuruf von der CDU: Das kann ich mir vor- stellen!)

Das kann ich Ihnen sehr deutlich sagen. Ich würde das lieber heute als morgen tun.

(Unruhe bei der CDU)

Die Verantwortung für die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland gebietet es, dass man in diesem Bereich nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tut, sondern dass man in dem Moment, wo man den Verfassungsschutz auflöst, auch eine exakte Vorstellung darüber hat, welche Kompetenzen des Verfassungsschutzes restlos abzuwickeln sind - das sind die meisten - und welche Bereiche des Verfassungsschutzes vielleicht von anderen Behörden mit erledigt werden können.

(Zuruf von Herrn Kolze, CDU)

Deswegen hat meine Partei, übrigens schon vor längerer Zeit, ein Verfahren in zwei Schritten vorgeschlagen. Das hätten auch Sie, Herr Kolze, lesen können. Ich habe dies inzwischen auch ein paar Mal vorgetragen. Der erste Schritt: mehr Kon

trolle, zweiter Schritt: Auflösung, Abwicklung der Behörde, Teilübertragung von Kompetenzen. Ich halte dies für einen verantwortlichen Umgang und für ein Gebot der Stunde, nachdem wir erlebt haben - beim NSU nicht zum ersten Mal -, wie das Konstrukt, wie das System Verfassungsschutz versagt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur V-Mann-Problematik ist ausgeführt worden. Ich will noch einmal verdeutlichen, dass es dabei nicht um irgendwelche Beträge geht, die in kleineren Summen in die Szene geflossen sind. Wir reden bei Tino Brandt, der vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz als V-Mann eingesetzt worden ist, von einem Betrag von ungefähr 100 000 €. Wir reden bei Kai Dalek, der vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als V-Mann eingesetzt worden ist und der im Übrigen zum Aufbau der Thüringer Neonazi-Szene beigetragen hat, von einem Betrag von ungefähr 80 000 €.

Wir wissen nicht, was andere V-Männer im Laufe ihrer Dienstzeit bekommen haben, aber wir wissen, der strukturelle Aufbau der ostdeutschen Neonazi-Szene wäre ohne staatliche Gelder in dieser Massivität nicht erfolgt.

(Frau Feußner, CDU: Das ist ja ein Quatsch!)

Das ist ein Problem für diese Demokratie, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Kol- ze, CDU: Das ist schwer zu verstehen! - Un- ruhe bei der CDU)

Dass der Bundesinnenminister immer dem Zentralismus das Wort redet, den ich, Herr Erben, für genauso gefährlich halte wie Sie, und jetzt ein gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum schafft, das im Übrigen mal wieder gleichmäßig in alle Richtungen schaut und nicht die Aufmerksamkeit dorthin lenkt, wo sie hingehört, nämlich zu den Neonazis - -

(Herr Kolze, CDU: Oje, oje! - Zuruf von der CDU: Das kann ja wohl nicht wahr sein! - Unruhe bei der CDU)

Das Extremismuskonstrukt, Herr Kolze, ist ungeeignet, um Bedrohungen für die Demokratie zu beschreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Dass der gleiche Bundesinnenminister - ich habe dazu von unserem Innenminister leider noch keine konstruktiven Vorschläge gehört - sich massiv gegen eine zentrale V-Mann-Datei wehrt, wo auch über die Klarnamen von V-Leuten geredet werden kann, damit geklärt ist, ob von einer Behörde tatsächlich nur einer in der Organisation ist, enttäuscht mich.

(Unruhe bei der CDU)

Wenn Herr Schünemann auf der Innenministerkonferenz gestern sagt, wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Verfassungsschutz, muss ich ihm entschieden widersprechen. Die Lehre aus dem NSU heißt, wir müssen den Verfassungsschutz abschaffen. Aber, meine Damen und Herren von der LINKEN, wir müssen es verantwortungsbewusst tun, und das heißt, in Schritten zu verfahren. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Schröder, Herr Kollege Striegel.

Herr Striegel, ich habe noch einmal eine Nachfrage. Sie sagten gerade, dass es eine Konsequenz der NSU-Mordserie sein müsse, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Sie werben für ein gestuftes Verfahren.

Stimmen Sie mir erstens darin zu, dass die Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes eine Forderung ist, die insbesondere auch durch Parteitagsbeschlüsse Ihrer Partei länger existent ist, als es die NSU-Mordserie in ihrer Bekanntheit jetzt ist?

Die zweite Aussage, weil die Beschlusslage Ihrer Partei sehr dauerhaft und schon länger zurückliegend ist: Hat Ihre Fraktion Klarheit darüber, welche Aufgaben des bisherigen Verfassungsschutzamtes dann entfallen sollen und welche Teilaufgaben Sie verlagern würden?

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schröder, selbstverständlich existiert diese Beschlussfassung in meiner Partei an vielen Stellen schon länger. Im Landesverband Sachsen-Anhalt von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN existiert sie seit der Zeit nach dem NSU.

Der Umstand, dass es diese Beschlusslage schon länger gibt, macht nur deutlich, dass die Geschichte des Verfassungsschutzes der Bundesrepublik Deutschland eine Geschichte von Skandalen ist. Ich habe vorhin eindrücklich geschildert, an wie vielen Stellen der Verfassungsschutz schon vorher versagt hat.

Beim NSU ist uns dies wie in einem Brennglas noch einmal präsentiert worden. Deswegen ist es so wichtig, jetzt endlich zu handeln und zu einer Abschaffung zu kommen, das aber in einem gestuften Verfahren.

Zur Frage der Kompetenzen gibt es erste Ideen. Ich habe für den Bereich dessen, was Sie bisher als nicht gewaltbereiten Extremismus beschrieben haben, gesagt, dass ich glaube, dass die Gefahren für Demokratie und Menschenrechte von einer unabhängigen Beobachtungsstelle adäquater beschrieben werden können, als das von einer Behörde wie dem Verfassungsschutz getan werden kann. Ich habe weiterhin ausgeführt, dass ich glaube, dass bestimmte Bereiche wie die Spionageabwehr eher nicht bei der Verfassungsschutzbehörde anliegen sollten, sondern zum Beispiel beim LKA. Das ist eine der Möglichkeiten, die es geben kann. Wir werden über andere Punkte reden können.

(Herr Borgwardt, CDU: Dann machen wir ei- ne Trennung!)

Dann werden wir auch über andere Punkte, Herr Kollege Borgwardt, reden können, wo wir historisch ein Trennungsgebot haben, das aber ein deutscher Sonderweg ist. Wir müssen uns fragen, ob dieser Sonderweg weiter trägt. Das sollten wir in Ruhe tun. Deswegen haben wir ein schrittweises Verfahren vorgeschlagen, damit wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Das habe ich ausreichend deutlich gemacht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Damit ist die Debatte beendet und wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/1569 ein. Ich habe vernommen, dass keine Fraktion gegen eine Überweisung stimmt. - Das ist so. Dann stimmen wir ab, in welche Ausschüsse. - Sie haben gesagt, Sie stimmen mit Enthaltung. Ich lasse darüber doch abstimmen.