Demokratieakzeptanz und Demokratieverständnis bei Schülern wird aber auch nur gefördert, wenn Demokratie für die Schülerinnen und Schüler erlebbar wird. Das betrifft nicht nur die Drittelparität bei Gesamtkonferenzen. Nein, es geht schon im Unterricht los. Moderner Unterricht lebt vom Mit
gestalten der Schülerinnen, indem sie mit ihren eigenen Interessen, Schwerpunkten und Themenwünschen, die sie haben, den Unterricht mit gestalten.
Wir müssen aber auch den Bereich der internationalen Begegnungen ausbauen. Schulen müssen ermutigt werden, internationale Schulpartnerschaften einzugehen; denn nur wenn Schülerinnen und Schüler andere Kulturen vor Ort kennen lernen, können sie Toleranz und Verständnis entwickeln.
Wir haben genügend Projekte, die wir aber weiterentwickeln müssen. Das betrifft das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Bislang sind nur 70 Schulen dabei. Das müssen mehr sein. Das ist viel zu wenig.
„Lernen durch Engagement“ muss in allen Schulen etabliert werden. Wie gesagt, es ist ein pädagogisches Konzept zu erarbeiten, um Gedenkstätten besser als Lernort nutzen zu können. Auch müssen wir im Bereich der Hochschulen und der Erwachsenenbildung bessere Vernetzungen hinbekommen, um eine Demokratieförderung und eine Stärkung der Demokratie zu erreichen.
Die Gesellschaft. Wir haben gestern schon lange über das Thema Integration gesprochen. In einem Land, in dem wir eine Quote von ungefähr 2 % an Migranten haben, müssen wir für alle Migranten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus den Zugang zu Bildung und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern.
Wir müssen aber auch die Partizipation von Migrationsorganisationen breit in unserem Land verankern und die Bedingungen für eine Arbeitsmarktintegration verbessern.
Eine Querschnittsaufgabe ist die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen und Diensten; denn Integration und der Abbau von Vorurteilen kann nur im Dialog geschehen.
Ebenso wichtig ist es, die aktiven gesellschaftlichen Akteure und Fachexperten, die sich gegen Rechtsextremismus und für mehr Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit einsetzen, zu unterstützen und weiterzuentwickeln.
Das bedeutet zum Beispiel: Wir müssen die lokalen Bündnisse vor Ort, die als Impulsgeber einer demokratischen Kultur dienen, weiter unterstützen. Wir müssen die lokalen Aktionspläne sichern und ausbauen. Wir müssen das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt unterstützen.
und antidemokratisches Gedankengut sind, so vielfältig sind die Lösungsansätze. Da haben wir immer noch viel Arbeit vor uns. Wie es der Minister schon sagte: Jeder von uns muss einen Beitrag dazu leisten, die Demokratie zu stärken. Das können wir vor allem auch dadurch erreichen, dass wir auf Stammtischparolen vor Ort verzichten, Demokratie erlebbar machen, für Demokratie und unsere Politik werben, diese mit den Bürgern diskutieren und nicht nur auf Sachzwänge reagieren. - Danke schön.
Herr Kollege, Herr Striegel wollte Ihnen eine Frage stellen. Durch Ihr Kopfschütteln haben Sie signalisiert, dass Sie die Frage nicht beantworten wollen. - Dann hat jetzt Herr Striegel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ergebnisse der in dieser Woche veröffentlichten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung können für uns eigentlich keine Überraschung sein. Wer sich nicht erst seit der Selbstaufdeckung des NSU mit dem Thema der Bedrohung der Demokratie durch rassistische, antisemitische, chauvinistische und antidemokratische Ressentiments beschäftigt, weiß aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien unterschiedlicher Autorenschaft und mannigfaltiger Auftraggeber, dass antidemokratische und insbesondere fremdenfeindliche Einstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet und leider nur schwer zu bekämpfen sind.
Die Studie „Die Mitte im Umbruch“ zeigt einmal mehr und eindrücklich die Beschränktheit der sogenannten Extremismustheorie, die die Bedrohung des demokratischen Gemeinwesens ausschließlich über die gesellschaftlichen Ränder verortet, aber unfähig ist, die Gefährdung von Demokratie und Menschenrechten aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus zu beschreiben und damit die Grundlage für einen angemessenen Umgang mit solchem Gedankengut zu liefern.
Anders als von Konservativen und leider auch von Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzender Schröder, öffentlich behauptet, ist es nicht der Extremismus, der in jeglicher Richtung bekämpft werden muss.
(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der CDU - Zurufe von der CDU: Ach! - Doch! - Ja- wohl! - Aber natürlich! - Was soll denn das? - Das ist nicht richtig! - Gibt es das? - Quatsch! - Ach, hören Sie doch auf!)
Die Brandstifter von Rostock und Mölln, die Steinewerfer von Quedlinburg und Hoyerswerda und die Mörder von Amadeu Antonio und Alberto Adriano konnten sich mit ihren Taten darauf berufen, dass sie umsetzten, was sich andere nur zu sagen trauten,
nämlich dass in diesem Land zu viele Ausländer leben würden, dass wir - Zitat aus der Studie - in einem gefährlichen Maße überfremdet seien, dass das Boot schon lange voll sei und dass nun endlich etwas getan werden müsse.
Zu denken geben muss, dass Demokratie und Menschenrechte im östlichen Teil der Republik offenbar einer besonderen Bedrohung unterliegen. Die Zahlen sprechen für sich. Sie sind statistisch relativ gut abgesichert und es muss uns nicht nur besorgt machen, sondern zwingt uns zum Handeln, wenn in Ostdeutschland und in anderen prekären Regionen mittlerweile über 15 % der Menschen über ein nach der Definition der Studienautoren geschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügen.
Klar wird, dass eine neue Generation von Fremdenfeinden heranwächst, wenn sich erstmals auch junge Menschen überdurchschnittlich offen für rassistische Aussagen zeigen. Denn unabhängig von notwendiger Kritik am wissenschaftlichen Konzept eines geschlossenen Weltbilds im Detail lässt sich feststellen, dass sich hierzulande fast 40 % der Menschen ausländerfeindlich äußern und dass auch in allen anderen Dimensionen die ostdeutsche Bevölkerung ressentimentgeladener auftritt.
Das ist weder zuerst noch zuletzt ein Imageproblem des Ostens. Es ist auch nicht aus Westdeutschland importiert. Es ist ein Grund, endlich systematisch gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus vorzugehen und dauerhafte Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie zu ergreifen.
Die Ursachen für die hohen Werte in Ostdeutschland vermuten die Studienautoren insbesondere in ökonomischer Deprivation, also dem Abgehängt
Sein ganzer Regionen und Bevölkerungsgruppen von Wohlstand und Wachstum. Das ist ein wichtiger Grund. Zur Erklärung von Einstellungsmustern taugen monokausale Erklärungen jedoch nicht. Es müssen auch langfristige Entwicklungen politischer Kultur und fehlender bzw. vorhandener demokratischer Praxis in den Blick genommen werden.
In einem Staat, der den Antifaschismus zur Staatsdoktrin erhoben hatte, gab es per definitionem keine Notwendigkeit, sich mit alten und neuen Nazis, mit Rassisten und Antisemiten auseinanderzusetzen. Konrad Weiss, Stephan Hermlin und andere brachen in den 80er-Jahren das gesellschaftliche Schweigen zu den Taten junger ostdeutscher Neonazis. Erst im Jahr 1989 konnte ein Dokumentarfilm wie der Film „Unsere Kinder“ erscheinen.
Staatsdoktrin blieb Zeit des Bestehens der DDR, dass es sich bei Angriffen auf Punkkonzerte, Migrantinnen und Migranten, Hetzjagden und Steinwürfen auf Unterkünfte zum Beispiel von angolanischen Vertragsarbeitern immer um Rowdytum und Hooliganismus handelte. Die bis heute unaufgearbeiteten rassistischen und antisemitischen Ressentiments blieben unbenannt.
Die geistige Enge der DDR wirkt bis heute nach, wenn Fremdes argwöhnisch beguckt und Fremdem mit Ressentiments begegnet wird. Dem Problem fremdenfeindlicher und rassistischer Einstellungen in Ostdeutschland ist in den Nachwendejahren kaum begegnet worden.
Kurt Biedenkopfs apodiktische Aussage, seine Sachsen seien immun gegen Neonazismus, kann als konservativ-ostdeutsches Paradigma gedeutet werden. Wir wissen nicht erst seit heute: kein Ostdeutscher, niemand ist gegen rechtsextremes Gedankengut gefeit, oder - wie es die Autoren der Studie vermerken; ich zitiere -: keine gesellschaftliche Gruppe ist immun gegenüber rechtextremen Einstellungen.
Was heißt das aber für die Auseinandersetzung mit Neonazis und unorganisierten Rassisten? - Wir müssen weg von einer Problembeschreibung des Extremismus und der Illusion, die Demokratie wäre besonders durch die vermeintlichen Ränder der Gesellschaft gefährdet. Die Auseinandersetzung mit neonazistischem, rassistischem und antisemitischem Gedankengut muss verstärkt und verstetigt werden. Bildungsangebote für alle Altersgruppen müssen kontinuierlich vorhanden sein.
Sachsen-Anhalt hat dem organisierten und unorganisierten Rassismus auf der Handlungsebene bislang noch zu wenig entgegengesetzt. Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit bleibt ein Rudiment. Es ist konzeptionell noch in den Kinderschuhen und finanziell nach wie vor unterversorgt. Erforderlich wären nach unseren Schätzungen in diesem Jahr insgesamt rund 3 Millionen € gewesen. Wir halten mittelfristig 5 Millio
Wer wie Ministerpräsident Haseloff glaubt, dem grassierenden Rassismus sei über letztlich symbolpolitische Handlungen wie einem Verbot der NPD beizukommen, der wird an Grenzen stoßen,
auch weil viele Bürgerinnen und Bürger ein feines Gespür dafür haben, wenn ein Staat mittels Verboten die eigene Unfähigkeit im Umgang mit gesellschaftlichen Problemen zu verschleiern sucht.
Nur echte, nur gelebte Demokratie kann wirksam helfen, Ressentiments und antidemokratische Einstellungen zu bekämpfen. Darauf verweisen auch die Autoren der Studie.