Mit der verbindlichen Einführung des Bildungsprogramms „Bildung: elementar“ stehen Erzieherinnen vor einer großen Herausforderung. Um dies in einer hohen Qualität umsetzen zu können, fordern wir in unserem Änderungsantrag - genau wie die Gewerkschaften -, Zeit für mittelbare pädagogische Tätigkeiten in Form von drei Vor- und Nachbereitungsstunden pro Woche und Vollzeiteinheit einzuplanen.
Was wäre so schlimm daran gewesen, Frau Grimm-Benne, einen Kompromiss zwischen einer Verbesserung der Personalschlüssel und einem Kontingent für mittelbare pädagogische Arbeit zur Entlastung der Erzieherinnen zu schaffen? - Ich kann es Ihnen sagen: Schlimm wäre daran für Sie gewesen, damit im Grunde unserem Vorschlag zu folgen, und das geht ja nun gar nicht.
Weiterhin sehen wir es sehr kritisch, dass die Sprachstandsfeststellung mit Inkrafttreten des Gesetzes abgeschafft werden soll. Hierüber haben wir in den Ausschüssen ausführlich diskutiert. Mittlerweile hat sich ein Halbsatz im Gesetz niedergeschlagen: „unter besonderer Beachtung der Sprachförderung“.
Ich möchte dieses Hohe Haus noch einmal daran erinnern, dass 2009 ein Änderungsgesetz verabschiedet wurde, das besagte: Zum 1. August 2013 ist eine Evaluation der Sprachstandsfeststellung vorzunehmen. - Aufgrund des heute zu beschließenden Wegfalls der Sprachstandsfeststellung wird es diese Evaluation nicht geben, und Sie können leider nicht erfahren, ob sie etwas gebracht hat oder nicht.
Ein weiterer Schwerpunkt, den wir nicht mittragen können, ist die Verlagerung der Leistungsverpflichtung von den Gemeinden und Städten auf die Landkreise. Warum war der Wechsel aus der Sicht der Landesregierung notwendig? - Die Landesregierung verband mit ihrem ersten Referentenentwurf die Hoffnung, für das Land Kostentransparenz herzustellen, indem sich das Land mit seinem Landesanteil an den tatsächlichen Personalkosten beteiligt. Diesen Weg sind auch wir mit unserem Gesetzentwurf gegangen.
Jetzt soll ein neues Finanzierungsverfahren eingeführt werden - Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen nach den §§ 78a ff. SGB VIII -, und die Verhandlungen über diese Vereinbarungen kann nur der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, das heißt das Jugendamt, führen. Deshalb musste es der Landkreis werden, trotz starker Proteste der Kommunen und ihrer Spitzenverbände.
Ein Eigenanteil, wie ihn freie Träger derzeit aufbringen, ist dem Finanzierungsverfahren nach den §§ 78a ff. SGB VIII fremd. Dies dürfte der wesentliche Grund sein, warum Sie auf dieses Modell der Finanzierung zurückgreifen.
Gemeinden und Eltern werden diesen Eigenanteil zukünftig tragen müssen. 2011 betrug dieser nach unseren Berechnungen ca. 13 Millionen €. Von der Landesregierung und auch von der Koalition ist zu hören, dass das Land selbst alle Mehraufwendungen tragen wird, die sich aus der Novellierung des Gesetzes ergeben. Trägt das Land auch den weggefallenen Eigenanteil freier Träger? - Wohl eher nicht. Zumindest wurde dies in den Beratungen nicht thematisiert.
Die Gemeinden verlieren durch die Übertragung der Leistungsverpflichtung auf die Landkreisebene die Vertragshoheit und damit die Steuerungsfunktion im Hinblick auf die Kitas vor Ort. Mit den Vereinbarungen nach den §§ 78a ff. verlieren sie zusätzlich im Grunde die Kontrolle über die Höhe ihres gemeindlichen Defizits, da nicht sie, sondern Landkreis und Kita-Träger die Entgelte verhandeln. Es ist deshalb anzunehmen, dass viele Gemeinden ihr Einvernehmen verweigern werden und dass viele Entgeltverhandlungen bei der Schiedsstelle landen werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein weiterer Punkt der Finanzierungsumstellung ist auch der Tatsache geschuldet, dass sich in absehbarer Zeit, ab dem Jahr 2017, die Anzahl der Kinder im Land reduzieren wird. Die Koalition behauptet, damit würden die Gemeinden in einen Interessenkonflikt geraten, wenn es um die mögliche Schließung von Einrichtungen geht. Deshalb soll zukünftig der Landkreis im Benehmen mit den Gemeinden über Kita-Standorte entscheiden.
Allein aus den genannten Gründen wird eine über Jahre hinweg gut funktionierende Aufgabenverteilung rückgängig gemacht.
Wir lehnen daher die Übertragung auf die Kreise ab. Des Weiteren beantrage ich, über Punkt 1 unseres Änderungsantrages zu Artikel 1 § 3 Abs. 4 des Gesetzentwurfs namentlich abzustimmen.
Vor dem Hintergrund, dass wir und auch Sie in den letzten Tagen und Wochen verstärkt Resolutionen aus den Landkreisen und Städten bekommen haben, die die geplante Praxis infrage stellen, sehen wir dies als sehr wichtig an. Selbst Landtagsabgeordnete der Koalitionsfraktionen kritisieren diese Entscheidung vor Ort. Nun schaffen wir ihnen die Möglichkeit, sich klar zu positionieren.
Mit unserem Gesetzentwurf haben wir genau wie im Referentenentwurf des Ministers eine Finanzierung verlangt, die sich an den tatsächlichen Personalkosten beteiligt.
Wir haben weiterhin eingefordert, dass sich die Träger am Tarif des öffentlichen Dienstes orientieren sollen. Dies war uns deshalb so wichtig, weil wir wissen, dass bei einigen Trägern nach wie vor Erzieherinnen weit unter dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden, und dies, obwohl sich das Land jährlich mit 2 % an der Finanzierung der Tarifsteigerungen beteiligt. Mit der sehr schwammigen Formulierung, die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen ist, werden wir es nicht schaffen, dafür zu sorgen, dass Erzieherinnen ordentlich bezahlt werden.
Hiermit wird aus unserer Sicht eine Chance vertan, junge Leute für den Beruf zu gewinnen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Zusammenfassend können wir einschätzen: Die Novellierung des KiFöG bleibt weit hinter den geweckten Erwartungen zurück. Es wäre mehr machbar gewesen. Alles, was wir heute nicht in frühkindliche Bildung investieren, fällt uns in den nächsten Jahren auf die Füße. Dann wird es erheblich teurer. Wir werden den Gesetzentwurf selbstverständlich ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Heute wird mit der Verabschiedung der Änderung des Kinderförderungsgesetzes eines der zentralen Gesetze des Landes beschlossen. Es ist inhaltlich ein gutes Gesetz, das wir uns von niemandem schlechtreden lassen werden, wie es die Opposition gerade getan hat.
Bevor ich zu den Kernpunkten des Gesetzes komme, möchte ich alle hier im Plenum an den Grund dafür erinnern, dass wir dieses Gesetz ändern. Warum gab es zum Beispiel einen Kampf darum, die Ganztagsbetreuung wieder einzuführen?
Das KiFöG ist eine der notwendigen Antworten auf Verwerfungen in unserer Gesellschaft. Darüber hat heute bislang noch niemand gesprochen. Abzulesen sind diese Verwerfungen an den Armuts- und Reichtumsberichten des Bundes und des Landes, die wir in den letzten Jahren zur Kenntnis nehmen mussten. Danach ist selbst nach 20 Jahren der Existenz des Kinderförderungsgesetzes noch immer jedes vierte Kind von Armut in unserem Land betroffen.
In den letzten Tagen war zu lesen, dass SachsenAnhalt bei den unter Dreijährigen das Schlusslicht in der Bundesrepublik bildet. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass wir seit Jahren viel zu viele Kinder von der Kita direkt in die Förderschulen schicken. Wir wissen mittlerweile, dass Kinderarmut Familienarmut ist, die darüber hinaus bei uns vererbbar ist. Einmal arm, immer arm. Insbesondere Alleinerziehende und ihre Kinder sind betroffen - auch das wissen wir. Das dürfen wir nicht zulassen und das werden wir auch nicht tun. Dieses Kinderförderungsgesetz mit seinen Veränderungen ist ein Baustein zur Bekämpfung der Armut.
Der Kern des neuen Kinderförderungsgesetzes sind substanzielle Veränderungen für die Kinder, die Eltern und die Erzieherinnen. Der erste Kernpunkt ist heute schon oft angesprochen worden; auch ich möchte es mir nach zehn Jahren gönnen, das noch einmal zu sagen: Wir werden die Ganztagsbetreuung für alle Kinder wieder einführen, unabhängig von sozialer Herkunft und Beschäftigungsstatus ihrer Eltern.
Das wird ab dem 1. August 2013 wieder gelten. Dann wird gelten: bis zu zehn Stunden Betreuung täglich für alle Kinder.
Ich bin übrigens besonders stolz darauf, dass es uns gelungen ist, das auch gleich für die Krippenkinder, also für die unter Dreijährigen, zu realisieren. Das ist eine große Leistung, auch für den Landeshaushalt. Ich habe nämlich viele Dankesbriefe von Eltern erhalten, die sowohl in der Krippe als auch in der Kita Kinder haben und die mit dem unterschiedlichen Rechtsanspruch ihrer Kinder, der zunächst vorgesehen war, in den zwei Jahren nur schwer hätten umgehen können.
Mit diesem Punkt setzen wir eines der zentralen Ziele des Bildungskonventes um. Dort heißt es: Um allen Kindern die Chance zur Teilhabe an entsprechenden gezielten Bildungsangeboten und da
mit einhergehenden Bildungs- und Lebenschancen zu ermöglichen, aber auch eine gute Vorbereitung auf die Schule zu gewährleisten, ist die Wiedereinführung des Ganztagsanspruches unerlässlich.
Dieser Landtag hat den Konvent ins Leben gerufen. Wir haben die Ergebnisse des Konvents auf die Tagesordnung gesetzt. Ich bin stolz darauf, dass diese Koalition den Willen hatte, diese auch umzusetzen.
Ich habe geglaubt, dass sich diese gute demokratische Haltung und der andauernde Respekt für all die gesellschaftlichen Gruppen, die sich im Bildungskonvent engagiert und für einheitliche Empfehlungen gesorgt haben, auch in diesem Hohen Hause zeigt. Das ist aber offensichtlich bei den Oppositionsfraktionen nicht der Fall.
Zweiter Kernpunkt. Der Betreuungsbedarf soll den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Eltern angepasst werden. Darüber ist heute überhaupt noch nicht gesprochen worden. Die Eltern entscheiden über den Betreuungsumfang, also darüber, ob sie zehn, neun, acht oder sieben Stunden Betreuung für ihre Kinder benötigen. Die Elternbeiträge staffeln sich nach dem vereinbarten Betreuungsumfang.
Das heißt in der Praxis, der Elternwille entscheidet und die Kita ist dabei der soziale Dienstleister. Die Eltern werden nicht gezwungen, eine Betreuung von 7 Uhr bis 12 Uhr in Anspruch zu nehmen, weil das die Öffnungszeiten sind, die die Kita bestimmt. Die Eltern werden vielmehr selbst bestimmen können, wann sie es brauchen. Deswegen ist dieses Kinderförderungsgesetz auch ein Elternunterstützungsgesetz.
Die Eltern sollen Unterstützung bei der Vereinbarung von Familie und Beruf erfahren. Sie sollen sich über die Entwicklung ihres Kindes und über empfehlenswerte individuelle Fördermöglichkeiten mit den Erzieherinnen austauschen dürfen.
Darüber hinaus besteht bezüglich der Entwicklung von Kindertagesstätten zu Kinder-Eltern-Zentren in diesem Parlament große Einigkeit. Das soll nach unserer Novelle regelhaft umgesetzt werden. Elternkuratorien sind dabei nicht nur auf dem Papier zu beteiligen, sondern bilden eine feste Säule der Partizipation und der Erziehungspartnerschaft. Deshalb ist dieses Kinderförderungsgesetz auch ein Elternbeteiligungsgesetz.
Nun die Bildungsinhalte: Der Bildungskonvent hat im Zusammenhang mit den Kinder-Eltern-Zentren von Kompetenzzentren frühkindlicher Bildung ge
sprochen und hat die Einführung eines Gütesiegels zur Beurteilung und Gewährleistung verbindlicher pädagogischer Qualitätskriterien in Kindertagesstätten gefordert. Er bekommt das auch; denn mit der verbindlichen Verankerung des Bildungsprogramms „Bildung: elementar - Bildung von Anfang an“ als Rahmen für die Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit erfüllen wir auch diese Empfehlung vorbildlich.
Ein weiterer Kernpunkt: die erwähnte Änderung des Personalschlüssels. Ja, wir verbessern ab August 2013 den Personalschlüssel bei den Drei- bis Sechsjährigen auf 1 : 12,5.