Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Letztlich beziehen wir alle Bürgerinnen und Bürger unseres Gemeinwesens, unabhängig von ihrem Erwerbsstatus, ein. DIE LINKE kapriziert sich immer noch auf diesen Erwerbsstatus, wenn ich das Konzept richtig verstehe. Um es grundsätzlich zu sagen: Sie scheint immer noch in den Kategorien der klassischen Arbeitsgesellschaft zu denken. Wir legen eine Bürgergesellschaft zugrunde. Das ist, so glaube ich, der Unterschied zu allen Rentenkonzepten, die hier thematisiert wurden.

Aber zurück zum konkreten Rententhema. Im Rahmen unserer Bürgerversicherung erwirbt jeder Bürger und jede Bürgerin nach 30 Versicherungsjahren eine Garantierente von zurzeit 850 €.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Da wir die Zeiten der Kinderbetreuung, der Pflege von Angehörigen und die Zeiten der Arbeitslosigkeit mit einberechnen, erfüllt dieses Kriterium jeder. Unsere Garantierente unterliegt keiner Bedürftigkeitsprüfung. Bei Ihrer Formulierung, liebe LINKE, einer einkommens- und vermögensgeprüften solidarischen Mindestrente, bin ich mir nicht so sicher.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Unabhängig von vorherigen Beitragsleistungen!)

Die Garantierente soll innerhalb der gesetzlichen Rente bestehen und nicht als zusätzliche Grundsicherung oder bedürftigkeitsgeprüfte Lebensleistungsrente, wie es die Regierungskoalition eindeutig vorschlägt, gezahlt werden.

Wir wollen die Garantierente als wirkliche Rente, die ohne oder mit höchstens einem Antrag erworben wird. Das ist meiner Meinung nach wichtig, um sie so weit wie möglich aus dem Kreis der arbeitsmarktbezogenen Sozialtransfers herauszuholen.

Für viele der Betroffenen ist der Wechsel vom Status arbeitslos in den Status Rentner ein sehr, sehr

wichtiger, weil der Status Rentner oder Rentnerin ein legitimer ist, ohne Makel und ohne Defizit. Der Status arbeitslos hingegen transportiert leider vielfach noch negative Zuschreibungen. Eine Garantierente ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne langwierige, gegebenenfalls sich wiederholende Antragsprozedere markiert diesen Statuswechsel eindeutig.

Damit wird auch etwas gegen die hohe Dunkelziffer bei der Grundsicherung im Alter unternommen. Gerade aus dem Grund der Scham oder aus Unwissenheit - ich konnte das in diesem Hohen Hause schon mehrfach ausführen - nehmen viele, die es tun könnten, die Grundsicherung überhaupt nicht in Anspruch.

Was uns unterscheidet, ist die Regelung der Altersgrenze. Ich habe es anfangs gesagt: Wir stehen zur Rente mit 67, aber nicht als starre Grenze, sondern als flexible Renteneintrittsgrenze. Wir glauben, dass eine längere Lebensarbeitszeit grundsätzlich notwendig ist, aber sie muss flexibel sein, je nach dem, welche Tätigkeit der künftige Rentner oder die künftige Rentnerin ausführt. Sie muss gesetzlich gesichert sein und mit gesundheitlicher Prävention und besseren Arbeitsbedingungen verknüpft werden.

Ostrenten - auch das durfte ich in diesem Hohen Hause schon mehrfach ausführen - sind für uns eine klare Sache. Es braucht möglichst schnell ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West. Es braucht die Anhebung der angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Ost und West. Dann brauchen wir aus unserer Sicht auch den Hochwertungsfaktor nicht mehr.

Grundsätzlich ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und die Abschaffung des Niedriglohnsektors die beste Prävention gegen Armut im Alter. Das, was jetzt gerade passiert ist, nämlich den Niedriglohnsektor noch aufzuwerten, ist eine grundsätzlich falsche Entwicklung.

Fünf Minuten - ich sehe das Ende der Redezeit - sind nicht geeignet, um ein Rentenkonzept wirklich auszuführen. Ich konnte nur ein paar Punkte nennen. Ich weiß nicht, wie es mit der Ausschussüberweisung ist. Dann hätten wir Gelegenheit, dezidierter über die Fragen zu sprechen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Bevor wir in der Debatte fortfahren, dürfen wir ganz herzlich Damen und Herren der Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Steppuhn. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag der LINKEN gesehen habe, habe ich mir gedacht, eigentlich ist es eine gute Zeit für Sozialdemokraten, zum Thema Rentenpolitik zu sprechen,

(Beifall bei der SPD)

weil wir Sozialdemokraten - das sage ich mit Stolz und mit Selbstbewusstsein - eigentlich diejenigen sind, die als einzige Partei in Deutschland ein schlüssiges Rentenkonzept haben.

(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt doch gar nicht!)

Deshalb will ich die Gelegenheit nutzen, in der Kürze der Zeit das eine oder andere dazu zu sagen.

Frau Dirlich, in Ihrem Antrag sind sicherlich einige Punkte aufgeschrieben, die auch wir als Sozialdemokraten durchaus unterschreiben können. Aber was ich darin vermisse, ist, dass daraus ein schlüssiges Gesamtkonzept entsteht. Es sind einzelne Fassetten. Wer sich in der Rentenpolitik ein wenig auskennt, der weiß, dass nicht nur an einzelnen Stellschrauben zu drehen ist, sondern dass man ein Gesamtkonzept haben muss.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Und was haben Sie?)

Dies ist ganz wichtig, damit die Rente - damit bin ich dann auch bei Norbert Blüm - auch für die Zukunft sicher ist.

Wenn wir über Altersarmut reden, meine Damen und Herren, ist ein Punkt, über den ich auch sehr wenig gehört habe, mit der entscheidende: Wer Altersarmut bekämpfen will, muss erst einmal Erwerbsarmut bekämpfen. Deshalb brauchen wir bessere Löhne, deshalb brauchen wir flächendeckende Mindestlöhne.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, das ist eine der Grundlagen, um zu gewährleisten, dass aus der drohenden Altersarmut keine tatsächliche Altersarmut erwächst. Von daher bin ich der festen Überzeugung, dass sich Arbeit auch für die Rente lohnen muss. Deshalb brauchen wir für die Rente eine andere Grundlage.

Es ist angesprochen worden - egal wie man das dann auch nennt, ob Mindest- oder Solidarrente -: Ich glaube, es ist wichtig - das ist ein Kernpunkt, den wir in dem Rentenkonzept der SPD beschrieben haben -, dass wir so etwas wie eine Solidarrente bekommen. Diese lässt sich nicht nur aus Beiträgen finanzieren, sondern dazu brauchen wir eine steuerliche Zusatzfinanzierung, damit Renten dabei herauskommen, die oberhalb der Grundsicherung liegen. Deshalb fordern wir eine Solidar

rente von 850 € als Maßstab, auch als Grenze nach unten. Ich glaube, das ist der richtige Weg und es gilt diesen zu beschreiten.

Ein weiterer Punkt ist: Wie gehen wir mit den Menschen um, die es nicht schaffen, ein Rentenalter von 65 oder 67 Jahren zu erreichen, die nicht mehr können oder nicht mehr dürfen? - Ich glaube, hierfür sind Modelle von Teilrenten angesagt. Deshalb brauchen wir auch erleichterte Zugänge zur Erwerbsminderungsrente. Es muss einfach Ausstiegsszenarien für Menschen geben, die nicht mehr können, nicht mehr dürfen, nicht mehr wollen, dann vernünftig und ohne Altersarmut in die Rente zu gehen. Dabei ist die Teilrente ein wichtiger Aspekt.

Ich habe Herrn Rotter vorhin nicht unbewusst nach der Position der CDU zum Thema Ost-WestAngleichung gefragt. Ich sage Ihnen das heute schon, auch wenn die CDU das Thema gern verschweigen möchte. Das wird auch im Bundestagswahlkampf ein zentrales Thema werden, Herr Schröder.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

In der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP steht klipp und klar, die Renten Ost und West sollen in dieser Legislaturperiode angeglichen werden. Das hat die Bundeskanzlerin den Menschen in Deutschland, insbesondere in Ostdeutschland, versprochen. Jetzt gibt es schon die ersten Botschaften, dass das nicht passieren wird.

(Zurufe von der CDU)

Wenn das nicht passiert, wird man der Bundeskanzlerin Wahlbetrug an den Menschen in Ostdeutschland vorwerfen müssen. Deshalb werden wir uns mit dem Thema Ost-West-Rente noch beschäftigen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich bin auch froh darüber, dass wir dieses Thema sehr deutlich auch in unserem Rentenkonzept verankert haben.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn die Redezeit jetzt zu Ende geht, Herr Präsident, noch zwei Sätze zur Rente mit 67. Die SPD hat ihren Kurs geändert, weil wir sagen, es muss sich erst die Beschäftigungssituation älterer Menschen in Deutschland verändern und eine Rente mit 67 darf nicht als Rentenkürzung bei den Menschen ankommen. Deshalb gehört die Rente mit 67 ausgesetzt, wie es übrigens auch in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD steht.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wir werden uns im Ausschuss darüber weiter unterhalten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Fraktionsvorsitzender, möchten Sie intervenieren oder dem Herrn Kollegen Steppuhn eine Frage stellen?

Ich fürchte, ich gebe ihm noch einmal die Möglichkeit, zu reagieren. - Es war jetzt die Abteilung Wahlkampfrede an der Reihe. Was das Aussetzen der Rente mit 67 betrifft, war es sicherlich ein von Ihnen ehrlich gemeintes Einkassieren einer eigenen Beschlusslage Ihrer Partei.

Ich wollte Sie erstens fragen: Sind Sie bereit anzuerkennen, dass die CDU auf der Bundesebene kürzlich in ihrem Leitantrag unter der Überschrift „Lebensleistungsrente“ verabredet hat, unter besonderer Berücksichtigung auch der ostdeutschen Erwerbsbiografien dafür zu sorgen, dass derjenige, der eine entsprechende Lebensleistung hat, auch unabhängig von seinem aktuellen Gehalt immer eine Rente beziehen kann, die oberhalb der jetzigen Grundsicherungsrente liegt, und dass das auch insbesondere in Ostdeutschland wirken wird?

Zweitens die Frage: Wie würden Sie mit einer Rentenangleichung Ost-West unter verfassungsrechtlich vorgeschriebenem Wegfall des jetzigen Erhöhungsfaktors, dem Eckwert von gegenwärtig 14 %, umgehen, wenn das dazu führt, dass eine Angleichung für viele Rentner in Sachsen-Anhalt mit einer Absenkung ihrer Rente verbunden wäre?

Herr Schröder, es waren ja drei Fragen. Zunächst zu der Frage, ob ich anerkenne, dass sich auch die CDU mit dem Thema beschäftigt. Das tue ich gern, gerade dann, wenn darüber geredet und beraten wird, wie die Rente zukünftig gestaltet wird, insbesondere auch aus ostdeutscher Sicht. Ich denke, das, was die Menschen erwarten, sind konkrete Taten. Eigentlich ist das Thema Ost-WestRente - ich habe es erwähnt - schon in der Koalitionsvereinbarung verankert.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie davon sprechen, dass die SPD die Rente mit 67 einkassiert hat, dann ist das schlichtweg falsch. Wir haben damals - ich war rein zufällig dabei -, als wir die Rente mit 67 eingeführt haben, sehr bewusst eine Klausel vereinbart - die hätte die Koalition in Berlin jetzt anwenden können -, worin steht, dass die Beschäftigungssituation Älterer sich deutlich verbessern muss, wenn die Rente mit 67 kommt. Genau auf diesen Passus berufen wir uns in dem Rentenkonzept. Von daher ist es sehr klar, wie sich die Sozialdemokraten verhalten.

Zu dem Thema Rente Ost und zu der Systematik: Wir alle wissen, dass es allein schon von der Systematik her nicht ganz so einfach ist, eine Rentenangleichung zwischen Ost und West vorzunehmen. Wenn wir aber die Renten in Ost und West nach den bestehenden Gesetzlichkeiten weiterlaufen lassen, dann wird das Rentensystem immer ungerechter. Das möchte ich an dieser Stelle etwas näher ausführen.