Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Aber - um es zu wiederholen - all dies setzt einen Befund voraus, den ich nicht kenne und dessen Quellen ich gern wüsste.

Kurzum: Die im Antrag benannten Defizite im Umgang der Landesregierung mit Genossenschaften sind meines Erachtens überhaupt nicht evident. Die Landesregierung unterstützte und unterstützt Genossenschaften, ist zugleich jedoch realistisch genug, um in Genossenschaften kein Allheilmittel zur Lösung sozialer oder wirtschaftlicher Probleme zu sehen.

Genossenschaften sind unter bestimmten Bedingungen eine geeignete Rechtsform, unter anderen aber nicht. Sie sind eine Rechtsform im Portfolio

vieler möglicher Rechtsformen. Dabei hat sich der Gesetzgeber etwas gedacht. Denn - wie heißt es so schön? - wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, für den sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Mormann. Bitte, Herr Mormann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die genossenschaftliche Idee ist eine sehr alte, aber - das stellen Sie, liebe Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, zu Recht fest - gerade auch in heutigen Zeiten sehr moderne Idee. Dass die Vereinten Nationen das Jahr 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen haben, betont deren Bedeutung umso mehr.

Wir sehen das Prinzip der Genossenschaften im Kanon der vorhandenen unternehmerischen Rechtsformen in Sachsen-Anhalt nicht als benachteiligt an. Vielmehr sind die Genossenschaften in ihren Kernbereichen gut aufgestellt. Seit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes unter der Großen Koalition im Jahr 2006 gibt es auch die Möglichkeit, Sozial- und Kulturgenossenschaften zu gründen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Es ist ein bisschen schwierig um diese Zeit und bei diesem Thema. - An dieser Stelle haben wir in Sachsen-Anhalt sicherlich noch Nachholbedarf. Aber die Einschätzung oder vielmehr die Unterstellung, dass Sachsen-Anhalt seine Genossenschaften in der Fördermittelvergabe benachteilige, teilen wir nicht.

Viele der Feststellungen im ersten Teil Ihres Antrages, sehr geehrte Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, sind natürlich richtig. Aber warum wir zum Beispiel feststellen sollen - ich zitiere aus Ihrem Antrag -, „dass das sehr wesentliche Prinzip des Genossenschaftsgedankens ‚ein Mann/eine Frau - eine Stimme’ auch weiterhin uneingeschränkt bzw. unabhängig von der Kapitaleinlage Bestand hat und Bestand haben muss“, erschließt sich mir nicht. Selbstverständlichkeiten muss man nicht beschließen.

Viele der in Ihrem Antrag formulierten Forderungen brauchen wir in diesem Hohen Hause nicht zu beschließen, da sie gelebt werden. Wir sollten in den Ausschüssen vielmehr konstruktiv über die tatsächliche Situation der Genossenschaften, über ihre Probleme und Potenziale und über die eventuell notwendige politische Unterstützung in SachsenAnhalt sprechen.

Kolleginnen und Kollegen, auch die Ansätze im zweiten Teil Ihres Antrages sollten wir uns in den Ausschüssen detailliert zu Gemüte führen. Selbstverständlich ist es förderlich, geeignete Maßnahmen durch gesetzliche Rahmenbedingungen für Existenzgründungen zu flankieren. Selbstverständlich ist es wichtig, die gesellschaftliche Akzeptanz von Genossenschaften und die Kenntnisse über dieses Kooperationsmodell in Zusammenarbeit mit den Kammern durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen.

Selbstverständlich ist es ein löbliches Unterfangen, im Rahmen von Wirtschaftsstudiengängen auch über die Rechtsform der Genossenschaft aufzuklären. Aber all das sollten wir im Detail in den Ausschüssen besprechen und dann einen größtmöglichen Konsens finden, wie wir wo unterstützen und befördern können.

Meine Damen und Herren! Aus den ausgeführten Gründen beantragen wir eine Überweisung des Antrages: zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft, zur Mitberatung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen allen zum Fest ein paar besinnliche Stunden im Kreise derer zu wünschen, die Ihnen wirklich wichtig sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Mormann. Wir sind uns auch ganz wichtig. - Als nächster ganz Wichtiger hat der Kollege Erdmenger das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier zu fortgeschrittener Stunde, am Freitagnachmittag, noch ein wichtiges Thema auf der Agenda. Ich bin der LINKEN ausdrücklich dankbar dafür, dass sie es in den Landtag gebracht hat.

Wir haben in diesem Jahr das Jahr der Genossenschaften. Es sieht so aus, als würden wir es sowohl im Bundestag als auch hier im Landtag erst im Dezember schaffen, uns mit diesem Thema zu beschäftigen. Vielen Dank an dieser Stelle für Ihren Antrag.

Dass Genossenschaften in unserem Land wirtschaftlich wichtig sind, das haben jetzt, glaube ich, alle Redner betont. Eindrucksvoll fand ich folgende Zahl: 16,7 Millionen Menschen sind Mitglieder genossenschaftlich organisierter Banken. Dass Genossenschaftsbanken gerade vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise eine besondere Bedeutung haben und eine besondere Rolle im Finanzsystem

spielen können, das leuchtet, denke ich, jedem ein.

2,8 Millionen Menschen in Deutschland sind Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften. Dass Wohnungsgenossenschaften ein wichtiges Korrektiv am Wohnungsmarkt sind, insbesondere wenn dieser Markt von Wohnungsknappheit geprägt ist und seine Entwicklung aufgrund kurzfristiger Renditeinteressen eine falsche Richtung zu nehmen droht, das leuchtet, glaube ich, ebenfalls jedem ein. Wohnungsgenossenschaften haben dabei eine ganz wichtige Funktion, und das schon seit sehr Langem.

Das heißt nicht - darin gebe ich Ihnen Recht, Frau Ministerin -, dass man die Funktion von Genossenschaften in allen Bereichen überhöhen muss oder in allen Punkten bei Genossenschaften besonders hohe Erwartungen haben kann.

Beispielsweise kann man hier in Sachsen-Anhalt feststellen, dass der Verband der Wohnungsgenossenschaften - genauso wie andere Vertreter der Gebäudewirtschaft - nicht unbedingt zu den Aufgeschlossensten gehört, wenn es darum geht, Klimaschutz im Gebäudebereich umzusetzen. Wir wünschen uns eigentlich mehr Aufgeschlossenheit bei der Frage, wie wir den Wechsel zu erneuerbaren Energien nicht nur im Strombereich, sondern auch im Gebäudewärmebereich hinbekommen können.

Damit bin ich bei einem weiteren Thema, bei dem Genossenschaften ganz aktuell werden - das ist heute noch nicht genannt worden -: Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat - so würde ich sagen - zu einem Boom bei den Gründungen kleiner Genossenschaften geführt. In den letzten Jahren wurden 500 neue Genossenschaften im Energiebereich gegründet, in erster Linie zum Betrieb von Energieerzeugungsanlagen. Ich denke, das ist eine sehr positive Entwicklung.

Aber wenn man sich diese Entwicklung genauer ansieht - das haben die Kolleginnen und Kollegen im Bundestag getan -, dann merkt man: Gerade an dieser Stelle gibt es doch Hürden für Kleingenossenschaften.

Gerade an dieser Stelle muss man doch über die Pflichtprüfungen sprechen, Frau Ministerin. Deswegen ist es durchaus richtig, das zum Thema zu machen und zu fragen: Ist die Pflichtprüfung wirklich für jede Form von Genossenschaft der richtige Punkt oder behindern wir da nicht eine wünschenswerte Entwicklung?

Unter anderem aus diesem Grund unterstützen wir den Antrag der LINKEN. Wir unterstützen aber auch das Anliegen, darüber im Ausschuss im Detail zu beraten, Herr Kollege Mormann. In diesem Sinne freuen wir uns auch auf eine vertiefende Diskussion, auch wenn dann, im nächsten Jahr,

nicht mehr das Jahr der Genossenschaften ist. - Ich danke herzlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Erdmenger. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Kollege Herr Thomas. Bitte schön, Herr Thomas.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon mehrfach gesagt worden: Das Jahr 2012 ist das Jahr der Genossenschaften. Daher bin ich auch den Initiatoren dieses Antrages dankbar, dass wir heute im Plenum über die Bedeutung der Genossenschaften diskutieren, wobei ich es persönlich schöner gefunden hätte - das sage ich auch mit einem Stück Selbstkritik -, wenn wir das zu Beginn des Jahres und nicht am Jahresende gemacht hätten.

Meine Damen und Herren! Vielleicht wissen Sie wie ich, dass im deutschsprachigen Raum zwei Männer gleichzeitig die ersten Genossenschaften in Deutschland gründeten. Das war 1847 Herr Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der damals den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der notleidenden ländlichen Bevölkerung ins Leben rief. Er gründete im Jahr 1862 außerdem den „Heddesdorfer Darlehnskassenverein“, der heute als erste Genossenschaft im Raiffeisen’schen Sinne gilt.

Zur selben Zeit rief Hermann Schulze-Delitzsch in Delitzsch eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zugute kam. Nach den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung gründete er 1847 die „Rohstoffassoziation“ für Tischler und Schuhmacher und 1850 den Vorschussverein, den Vorläufer der heutigen Volksbanken.

Im Einzelhandel etablierte sich das Genossenschaftsprinzip bereits früher. So schufen im Jahr 1850 Handwerker und Arbeiter der sächsischen Kleinstadt Eilenburg die Lebensmittelassoziation, die erste Konsumgenossenschaft in Deutschland, deren Tradition von der Konsumgenossenschaft Sachsen Nord e. G. bis heute weitergeführt wird.

Meine Damen und Herren! Dass Genossenschaften auch international ein bewährtes Geschäftsmodell waren, sehen Sie auch daran, dass beispielsweise der schweizerische Einzelhandel noch heute von den Genossenschaften Migros und Coop dominiert wird. Das sind große Namen, die bis heute Bestand haben und die unser Leben bis heute begleiten.

Wenn ich erwähnte, dass die ersten Genossenschaften ihre Geburtsstunde in Delitzsch und Eilenburg hatten, so kann man Mitteldeutschland nicht nur als Ort der Reformation, sondern auch

als Geburtsort des genossenschaftlichen Engagements bezeichnen.

In Deutschland sind Genossenschaften weit verbreitet. Wir haben schon viele Zahlen dazu gehört. Ich möchte der guten Vollständigkeit halber noch etwas ergänzen. Es gibt 1 138 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland, etwa 2 000 Wohnungsgenossenschaften, 2 600 landwirtschaftliche und 1 622 gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften sowie 219 Konsumgenossenschaften.

Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen diese Zahlen hier schon nüchtern nenne, möchte ich noch eine Zahl anfügen, die die Bedeutung der Genossenschaften auch heute unterstreicht.

Allein in den zurückliegenden drei Jahren sind deutschlandweit 650 Genossenschaften neu gegründet worden. Wir wissen und erleben das auch in unserem täglichen Leben: Neue Genossenschaften tragen zur Lösung wirtschaftlicher Herausforderungen - ich nenne nur die Bewältigung der Energiewende - bei. Sie sind außerdem fester Bestandteil zur Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben.

Meine Damen und Herren! Der Präsident des Bundesverbandes der Wohnungs- und Immobilienunternehmens Axel Gedaschko hat das mit einem Zitat auf den Punkt gebracht. Er hat nämlich gesagt: Nachhaltige Geschäftsmodelle sowie die Prüfung und Beratung durch Genossenschaftsfreunde sind ein stabiles Fundament. Bei einer Genossenschaft werden die unternehmerischen Entscheidungen nicht unter Renditevorgaben, sondern mit Blick auf die optimale Leistungserstellung für die Mitglieder getroffen. Durch die nachhaltige Wirtschaftsweise erzielen die Genossenschaften positive Effekte für die Gesellschaft.

Dem möchte ich hinzufügen, dass die Genossenschaften Vorbild der sozialen Marktwirtschaft sind. Genossenschaften als lokal verwurzelte Unternehmen fördern die Wirtschaftskreisläufe vor Ort. So stärken Kreditgenossenschaften, ländliche und gewerbliche Genossenschaften und auch Wohnungsgenossenschaften die Wirtschaft in unseren Regionen und sorgen dort für sichere Beschäftigung - und das unter Bedingungen, die es ihnen nicht immer leicht gemacht haben, wenn sie sich die Geschichte so mancher Genossenschaft heute anschauen.

Die Genossenschaften haben sich gerade in den letzten Jahren als äußerst krisen- und insolvenzfest erwiesen. Sie sind nicht nur für die Kreditwirtschaft, sondern für viele andere Wirtschaftsbereiche ein Vorbild.

Meine Damen und Herren! Die Debatte heute hier zeigt, wir sind uns alle einig in der großen Bedeutung der Genossenschaften für unser Land. Ich bin

froh - wir folgen dem Antrag des Kollegen Mormann -, dass wir diesen Beratungsvorschlag, diesen Beschlussentwurf in die Ausschüsse überweisen.

Nicht alles, Kollege Krause, können wir unterschreiben. Das werden Sie uns hoffentlich nachsehen. Aber wir halten es bei diesem Thema durchaus für wichtig, darüber in den Ausschüssen zu diskutieren. Auch auf diese Diskussion freue ich mich. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Thomas. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Abgeordnete Herr Krause.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Es ist schon interessant, aber man hat eigentlich darauf gewartet, was die Regierung so aus einem Antrag herauslesen kann bzw. was man so zwischen den Zeilen entdeckt. Aber damit müssen wir, die Opposition, leben.