Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Wir bitten die Landesregierung, das Konzept noch vor dem Inkrafttreten des neuen Kinderförderungsgesetzes zum 1. August 2013 im Ausschuss für Arbeit und Soziales vorzustellen und dort entsprechend dazu zu berichten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Frau Kollegin Hohmann. - Für die Landesregierung spricht Minister Bischoff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hohmann! Ich bedanke mich erst einmal bei allen Abgeordneten, die an den Veranstaltungen zur Vorstellung des neuen Bildungsprogramms teilgenommen haben.

Ich möchte die Gelegenheit auch dazu nutzen, im Landtag deutlich zu sagen: Ich war total überrascht, dass an insgesamt fünf Veranstaltungen 1 400 Erzieherinnen und Träger teilgenommen haben. Die Hörsäle im Land waren rappeldickevoll. Die Nachfrage nach dem neuen Bildungsprogramm ist enorm groß gewesen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Nachfrage war noch größer als damals, als es um die Rahmenbedingungen ging; auch damals hatten wir volle Säle.

Man könnte diese Veranstaltungsreihe sicherlich noch ausdehnen; denn einige von denjenigen, die an den Veranstaltungen teilgenommen haben, hatten das Programm wahrscheinlich erst am Tag der Veranstaltung oder ein paar Tage vorher in der Hand. Somit gibt es bestimmt noch einige Nachfragen von denen, die es dann erst gelesen haben.

Ich bin auch ausgesprochen dankbar dafür, dass Frau Professor Dr. Rabe-Kleberg dabei war. Bei einigen Fragen, die sie beantwortet hat, habe ich mir gedacht: Wenn ich diese Fragen so beantwortet hätte, hätte sie mich wahrscheinlich aus dem Saal gejagt.

Das gilt vor allem für Fragen zu den Rahmenbedingungen. Einige Teilnehmer beschwerten sich darüber, dass die Rahmenbedingungen sind wie sie sind, und bezweifelten, dass man das Programm unter diesen Bedingungen überhaupt umsetzen kann. Frau Rabe-Kleberg hat dazu gesagt: Dann laden Sie mich einmal in ihre Einrichtung ein, dann werden wir sehen, wie das Management darauf eingestellt werden kann und wie man eine Einrichtung unter den Bedingungen von „Bildung elementar“ führt, wie es also gelingen kann, Kinder stark zu machen.

Ich hätte mich gar nicht getraut, das zu sagen. Ich habe für die Zukunft mitgenommen: Es ist immer ganz gut, neben den Politikern auch Fachleute einzuladen. Diese haben doch ein größeres Renommee als wir. Wenn wir das selbst machen, sind die Vorurteile vielleicht doch groß.

Zweitens. Ich habe nicht die Zeit, noch mehr Veranstaltungen dazu durchzuführen. Ich glaube, das, was dazu angeboten wurde, war schon gut.

Ich habe noch in Erinnerung, dass Sie mich im Sommer oder im Herbst des letzten Jahres ganz schön angetrieben haben, das Programm endlich vorzulegen. Nun, da es vorliegt, werde ich angetrieben, das Qualifizierungskonzept vorzulegen. Ich sage ganz deutlich: Ich werde dies nicht tun. Ich möchte auch darlegen, aus welchem Grund ich das nicht tue.

Ich möchte ein Stück zurückgehen und aufzeigen, wie es bisher gelaufen ist. Die Weiterbildung, die wir derzeit anbieten, läuft seit dem Jahr 2007 - teilweise schon vorher - und wird bis zum Jahr 2013 laufen. Sie wird mit Mitteln aus dem ESF gefördert. Ich gehe nicht davon aus, dass wir diese Mittel in der nächsten Wahlperiode zur Verfügung haben werden, auch Landesmittel werden wir dafür nicht haben.

Ich sage auch ganz deutlich: Es war damals ein Einstieg in diese neue Sicht, Kinder zu sehen, Kinder stark zu machen, sie zu beobachten und sie nicht anzuleiten, sondern sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten selbst ausprobieren zu lassen, sie die Welt entdecken zu lassen und dies zu fördern und zu begleiten.

Das ist für viele Einrichtungen und für viele Erzieherinnen und einige Erzieher eine riesige Herausforderung, die bis heute anhält. Es ist auch für diejenigen, die an diesem Qualifizierungsprogramm teilgenommen haben, nach wie vor eine große Herausforderung, weil damit eine Umwälzung, ein Umdenken einhergeht und die Eltern mit Blick auf das, was in einer Kita geschieht, mitgenommen werden sollen. Ich bin absolut überzeugt davon, dass das gut gelingt.

Ich möchte noch einen Nebenaspekt nennen. Ich würde Sie herzlich bitten, wenn Sie das Programm in die Hände bekommen - -

Das Programm ist zurzeit nur online verfügbar, weil die Anregungen - es war ein wirklicher Dialog - der Träger und Erzieherinnen, die dem Ministerium bis Ende Februar vorliegen werden, dann von Frau Professorin Rabe-Kleberg und ihren Mitarbeitern in das Programm eingearbeitet werden. Deshalb haben wir es bisher nicht gedruckt. Wir nehmen an, dass im Mai bzw. Juni eine Endfassung vorliegt, sodass es zum 1. August tragen kann.

Es ist nicht nur lesenswert, wenn man Erzieher oder Erzieherin werden will - für sie wird es die Arbeitsgrundlage sein -, sondern es ist auch für Eltern unheimlich wichtig. Ich sage Ihnen ganz offen: Auch ich selbst habe gestaunt, beispielsweise darüber, wie über verschiedene Lebensbereiche, die Religion oder den Umgang mit dem eigenen Körper geredet wird. Es wird in einer Sprache gesprochen bzw. geschrieben, von der sich manche ein paar Scheiben abschneiden könnten.

Ich habe große Hochachtung davor, wie es diese Gruppe von Wissenschaftlern geschafft hat, diese Themen in einer einfachen Sprache - das war die Herausforderung; denn vorher war es eine sehr wissenschaftliche Sprache - herüberzubringen, wie ausgewogen das ist. Es ist gelungen, Lebenseinstellungen, Lebenshaltungen, Lebens- und Weltanschauungen nebeneinanderzustellen und aufzuzeigen, welche Wertschätzung dem entgegengebracht wird.

Dies ist meines Erachtens ein Kompendium, das auch aufzeigt, wie ich beispielsweise mit mir, mit meinen Kindern und meinen Enkelkindern umgehe. Ich rate Ihnen, es zu lesen. Wenn Sie es kritisch lesen und sagen, es ist nicht so, wie ich es beschrieben habe, dann irre ich mich.

Ich glaube, es ist etwas, das man wahrscheinlich in ein oder zwei Stunden mit Begeisterung liest, weil man selbst mit Blick auf das, was im Leben wirklich wichtig ist, ein Stück weiterkommt.

Wenn man dann weiß, dass dies für unsere Kinder gemacht wird, um Kinder in diesem Sinne die Welt entdecken zu lassen, dann habe ich große Hoffnungen, dass wir die Kinder gut durch die Schule bekommen und dass sie stark genug sind, auch mit Schwächen umzugehen.

Wir haben diesen Grundansatz, der schon seit dem Jahr 2004 gilt, mit Mitteln aus dem ESF in ein Qualifizierungsprogramm gepackt. Es waren 9 000 Erzieherinnen und Erzieher angepeilt, die daran teilnehmen sollen. Bisher haben 6 447 Erzieherinnen und Erzieher - Stand heute - aus insgesamt 796 Einrichtungen daran teilgenommen. In Prozenten ausgedrückt entspricht das einem Anteil von 46 % aller Tageseinrichtungen und einem Anteil von 48 % aller pädagogischen Fach- und Hilfskräfte. Für das Jahr 2013 liegen weitere 69 Anträge von Teams aus Kindertageseinrichtungen vor.

Die 50 Referenten, die wir qualifiziert haben, diese Fortbildung durchzuführen, werden denjenigen, die an dieser Qualifizierung teilnehmen, dieses neue erweiterte Programm näherbringen.

Mit Blick auf Ihre Aussage, dass es soundso viele gibt, die damit überfordert sind oder denen die Anträge zu umfänglich sind, frage ich sehr deutlich: Warum haben es die anderen geschafft? Weshalb sind diejenigen, die daran teilgenommen haben, so begeistert?

Ich glaube, hierbei hilft immer nur das Weitersagen. Es ist auch ein Schneeballprinzip. Es ist ein Angebot. Qualifizierung ist und bleibt ein Angebot. Wer das nicht in Anspruch nehmen will, der muss trotzdem das Programm „Bildung elementar“ umsetzen. Ich werde sie dazu aber nicht zwingen können. Vielmehr legen wir fest - so steht es auch im Gesetz -, dass sich jede Erzieherin und jeder Erzieher weiterzubilden hat. Der Träger muss darauf achten, dass das geschieht. Wir als Aufsichtsbehörde werden nicht prüfen können, wie das im Detail umgesetzt wird.

Was nach dem Jahr 2014, also wenn diese Förderperiode und damit auch dieses Programm zu Ende sind, passiert, kann ich Ihnen noch nicht sagen, weil wir die Auswertung mit der Professorin, auch die Auswertung dieser fünf Veranstaltungen, erst in der nächsten oder übernächsten Woche vornehmen.

Mit ihr ist vereinbart worden - das hat sie auch im Rahmen der Veranstaltungen gesagt -, dass sie die Möglichkeiten nutzt, die ihr das Institut bietet. Wir werden das Landesjugendamt für die Weiterbildung nutzen, weil es die Aufgabe des Landesjugendamtes ist.

Wir werden zudem die Träger, die Liga, die übrigens auch an öffentlichen Mitteln partizipiert und auch Mittel aus der Konzessionsabgabe erhält - wo, wenn nicht dort, sollte man die Mittel einsetzen? -, in die Pflicht nehmen, dass sie ihrer Verantwortung nachkommt, Qualifizierungsmöglichkeiten für ihre Erzieherinnen und Erzieher anzubieten. Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die dorthin gehört.

Es ist natürlich die Aufgabe der Landesregierung, dies zu koordinieren, dies in die Wege zu leiten und Wege aufzuzeigen. Aber ich würde nicht alles auf meinen Tisch ziehen und sagen: Jetzt muss allein das Ministerium dafür sorgen, dass alle qualifiziert werden und ein Qualifizierungskonzept auflegen.

Wenn wir Reserven oder Möglichkeiten finden, im Rahmen des ESF oder anderweitig, etwas Eigenes aufzulegen, möchte ich das nicht ausschließen, aber ich werde das auch nicht versprechen; denn dafür haben wir keine Mittel in den Haushaltsplan eingestellt.

Ich kann mir aber trotzdem vorstellen, dass es gut funktioniert, dass das Landesjugendamt das gut koordinieren kann und dass wir das begleiten. Der Schneeballeffekt, dass sich die Teams darüber austauschen, wie es funktioniert, ist eigentlich viel größer. Das ist ein Aspekt des Bildungsprogramms „Bildung elementar“. Das, was man mit Freude macht, bleibt im Leben länger hängen als das, was verordnet wird.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wenn Erzieherinnen und Erzieher von selbst nicht nur auf die Idee kommen, sondern wenn sie, nachdem sie das gelesen haben, auch zu der Überzeugung kommen, dass die Kinder so etwas brauchen, dann werden sie sich auch selbst bemühen, Qualifizierungsmöglichkeiten zu bekommen. Wenn die Nachfrage nach den Qualifizierungsmaßnahmen groß ist, dann bin ich immer noch bereit zu sagen: Wissensdrang, lebenslanges Lernen und Sich-Qualifizieren sind Aspekte, die wir als Landesregierung auch fördern sollten.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Der zweite Punkt, den Sie erwähnten, sind die Curricula in den Fachschulen. Ich muss nicht nur der Fairness halber, sondern auch formal darauf hinweisen, dass das Programm „Bildung elementar - Bildung von Anfang an“ seit dem Jahr 2009 in den geltenden Rahmenrichtlinien für die Fachschule Sozialpädagogik verbindlicher Inhalt ist im Fach Organisation, Recht, Verwaltung sowie in der berufspraktischen Ausbildung. Zumindest ist es formal dort verankert.

Aber ich habe in den Veranstaltungen auch von verschiedenen Seiten gehört - das darf man wahrscheinlich nicht pauschal sagen -, dass das nicht in allen Fachschulen gleich behandelt wird. Sie sagten, es gebe auch Absolventen oder Praktikantinnen, die den Namen des Programms noch nicht gehört hätten, und dass es in Prüfungen nicht vorkomme.

Diesen Umstand werden wir mit dem Kultusminister bereden. Hierzu stehen wir in engem Kontakt. Es sollte verbindlich in den Curricula festgeschrieben werden. Da es nunmehr auch im Gesetz verbindlich festgeschrieben ist, kommen wir nicht umhin, dies auch in der Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher umzusetzen. Daran habe auch ich ein großes Interesse.

Eine letzte Bemerkung: Es ist noch eine größere Aufgabe zu erreichen, dass mittel- und langfristig auch Erzieherinnen und Erzieher eine Hochschulausbildung absolvieren. Denn eigentlich gehören sie zu den Lehrerinnen und Lehrern, zu denjenigen, die Bildung vermitteln. Nur weil wir in Deutschland das System von Erziehern, Grundschul-, Sekundar- und Gymnasiallehrern haben, sind Erzieher von einer Hochschulausbildung ausgeschlos

sen. Wenigstens für die Leiterinnen und Leiter wird an der Fachhochschule Stendal eine Hochschulausbildung angeboten.

Wenn wir wollen, dass eine solche Ausbildung bei den Erziehern gang und gäbe ist, dann müssen wir Aussagen wie der, dass ein junges Mädchen, das den Hauptschulabschluss nicht erreicht habe, immer noch Erzieherin werden könne, also Hilfskinderpflegerin oder so etwas, entgegentreten; denn solche Aussagen degradieren den Beruf der Erzieherin zu einem Beruf, für den man keine großartige Qualifikation benötigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Darauf sollten wir selbst achten. Ich muss auch auf die Arbeitsagentur zugehen, weil dort ähnliche Beratungen stattfinden. Damit wird man dem Stellenwert der Erzieherinnen und Erzieher nicht gerecht.

Ich freue mich auch auf die Gespräche, auf die Qualifizierungen. Ich bin überzeugt davon, dass wir in nächsten Jahren einen richtigen Schwung in diese Debatte bekommen.

Übrigens sind alle Themen darin enthalten. Schauen Sie einmal hinein. Vielleicht darf ich das doch noch einmal sagen, auch wenn ich damit meine Redezeit überziehe; aber das ist mir sehr wichtig. Darin ist nicht nur die Sprachförderung enthalten. Sprachförderung beginnt von Anfang an. Frau Rabe-Kleberg sagte, es komme nicht allein auf den Test an, der eigentlich eine Ausnahmesituation ist, sondern man lerne Sprache schon im ersten Jahr. Dieses zu begleiten und zu fördern, gehört tatsächlich zur Qualifizierung.

Aber auch Mathematik gehört dazu. Die Erkenntnis, dass man Mengen schon in jungen Jahren erkennen kann, ist wichtig. Eine später auftretende Form von Dyskalkulie kann schon im Kindesalter erkannt und methodisch gefiltert werden, um dann rechtzeitig Hilfe heranzuziehen, nicht erst in der Schulzeit, wo Kinder erst dann Hilfe bekommen, wenn man ihnen noch eine psychische Störung attestiert, damit sie überhaupt Hilfe bekommen können. All das ist darin enthalten. Vielleicht muss man es noch verfeinern.

Ich bin auch davon überzeugt, dass wir die Vorschläge des Landtages brauchen. Deshalb möchte ich dieses Programm noch einmal im Ausschuss des Landtages thematisieren, damit die Abgeordneten auch die Möglichkeit haben, nicht nur davon Kenntnis zu nehmen, sondern ihren Sachverstand einzubringen, den ich schon kennenlernen durfte, zum Beispiel bei Abgeordneten vor Ort, die mich nach Weißenfels eingeladen haben.

Von daher freue ich mich auf die Beratungen. Danke für die Möglichkeit, dass ich das Thema noch einmal so ausführlich darlegen konnte. Sie können mich in den nächsten Monaten immer wie

der befragen. Zurzeit bin ich froh, wenn ich das Kinderförderungsgesetz überhaupt mit der kommunalen Ebene umsetzen kann. Das ist noch eine große Herausforderung.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, es gibt zwei Nachfragen, obwohl Sie in 15 Minuten versucht haben, uns das genau zu erklären, oder gerade deshalb. Frau Hohmann und dann Frau Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Minister, mir ging es jetzt nicht darum, dass Sie uns das Bildungsprogramm inhaltlich vorstellen. Mir ging es darum, Aussagen für Erzieherinnen und Erzieher zu treffen. Weil die Erzieherinnen und Erzieher ab dem 1. August 2013 gesetzlich mit diesem Bildungsprogramm umgehen sollen - das war auch unser Ansinnen, dass dies in das Gesetz einfließt -, müssen Sie doch für die Erzieherinnen und Erzieher Möglichkeiten schaffen, damit sie sich fortbilden können.