Protokoll der Sitzung vom 22.02.2013

(Herr Grünert, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt!)

- Aber natürlich, das steht doch hier als erster Punkt.

(Herr Grünert, DIE LINKE: Zuhören und le- sen!)

Wir sollen sagen, dass chronische Unterfinanzierung durch das Land die Ursache dafür ist, dass es Altfehlbeträge gibt.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

- Das steht in Ihrem Antrag. Sie selbst haben gesagt, dies sei eigentlich nicht richtig, weil es vielfältige Ursachen dafür gebe.

Ich war so frei und habe einmal mit dem Bund der Steuerzahler Kontakt aufgenommen und habe mir nur aus den letzten zehn Jahren die krassesten Verschwendungsbeispiele und Fehlinvestitionen auf kommunaler Ebene zuarbeiten lassen. Dazu kann ich Ihnen sagen: Die Ursache für die 1,3 Milliarden €, die sich dort angehäuft haben, ist nicht eine chronische Unterfinanzierung. In dem Punkt ist die Welt ganz bunt. Es ist allerdings auch richtig, dass es aufgrund struktureller Schwierigkeiten und politisch nicht zu beeinflussender Benachteiligungen tatsächlich Defizitbeträge gab.

Wenn Sie sich die Stark-IV-Systematik angeschaut hätten, würden Sie sehen, dass es gar kein klares Bild gibt; das ist eine Punktwolke. Es gibt einzelne Kommunen, die extrem steuerschwach sind und trotzdem keine Altfehlbeträge haben. Es gibt extrem steuerstarke Kommunen mit Altfehlbeträgen. Es gibt Kommunen in der Mitte, die Altfehlbeträge haben oder keine Altfehlbeträge haben. Dabei gibt es überhaupt keine erkennbare Systematik. Diese kann es auch nicht geben.

Das hat nämlich den Hintergrund, dass im Wesentlichen immer die Frage eine Rolle spielt, welche politische Kompetenz und welche Fähigkeiten man vor Ort im Rahmen der kommunalen Parlamente hat, um verantwortungsvoll mit den vorhandenen Spielräumen umzugehen. Es gibt sehr unterschiedliche Erfolge.

Jetzt könnte ich mich für einen kurzen Moment auf die Ebene begeben, die Sie so gern bemühen, und polemisch werden und sagen: Ich stelle mir eine wahlgeografische Karte vor, auf der ich dem jewei

ligen Verschuldungsgrad einfach einmal Parteifarben zuordne. Dann werden Sie feststellen, dass die weitestgehend von CDU und SPD besetzten Kommunalparlamente und auch die Landkreise im Durchschnitt besser abschneiden als diejenigen, in denen Sie die Verantwortung tragen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun kann man natürlich sagen, dass das ein Zufall ist. Aber das kann vielleicht auch an Ihrem generellen Verständnis von Partnerschaft liegen.

(Zurufe von der LINKEN)

Zu dem Thema, wie Sie Partnerschaft verstehen, möchte ich eines sagen: Das Land mit Schulden in Höhe von 21 Milliarden € legt ein Programm zur Unterstützung der kommunalen Familie zum Abbau von Altfehlbeträgen auf. Diese betragen 1,3 Milliarden €. Das heißt, derjenige, der selbst wahnsinnig viel Schulden hat, hilft noch der kommunalen Familie in dem Wissen, dass dies mit Blick auf das Jahr 2020 sinnvoll ist.

Sie behaupten, wir würden kein partnerschaftliches Verhältnis zur kommunalen Familie haben. Partnerschaft bedeutet - das ist eigentlich wie in einer Ehe -, dass beide Seiten wissen - unser Ministerpräsident und der Finanzminister haben den Begriff der Konsolidierungspartnerschaft geprägt -, dass man Verantwortung füreinander trägt. Das ist keine Einbahnstraße, wo einer nimmt und der andere gibt, sondern wo beide respektieren, dass sie einen Beitrag leisten müssen, damit die ganze Sache funktioniert.

So verstehen wir auch Stark IV. Wir werden das natürlich kritisch begleiten und schauen, ob das bei den Landkreisen funktioniert. Dabei haben wir sicherlich noch den einen oder anderen Problemfall zu lösen.

Kritisch begleitet habe ich auch Ihren Antrag. Ich werbe dafür, dass wir ihn jetzt gemeinsam ablehnen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Herr Barthel, sind Sie bereit, Fragen zu beantworten?

Aber natürlich.

Dann ist jetzt Herr Knöchel und danach Herr Weihrich an der Reihe.

Herr Barthel, es gäbe vieles zu sagen - ich werde es nachher auch noch tun -, aber eine Frage muss

ich Ihnen stellen. Sie haben gesagt, die Absenkung der Finanzausgleichsmasse sei vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass die Steuerkraft der Gemeinden extrem gestiegen sei.

Erklären Sie mir bitte Folgendes: Die FAG-Summe des Jahres 2013 ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen. Deutlich gestiegen sind auch - wir haben die Steuerschätzung zugrunde gelegt - die zu erwartenden Steuereinnahmen der Gemeinden im Jahr 2013. Erklären Sie mir bitte einmal, wie Sie dann darauf kommen, dass es bei gestiegener FAG-Masse im Jahr 2013 und bei gestiegenen kommunalen Einnahmen in der Vergangenheit an der großen Steuerkraft der Kommunen gelegen haben soll, dass die Finanzausgleichsmasse abgesenkt wurde.

Herr Knöchel, Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass wir eine große FAG-Novelle hinter uns haben, die, was die Gesamtsystematik angeht, zwar eine Verbesserung darstellt, aber die sich natürlich von dem, was wir in der Vergangenheit hatten, extrem unterscheidet.

Das hat Herr Grünert gesagt.

Wenn Sie mich schon fragen, muss ich auch antworten können. - Wir haben einen Demografiefaktor darin. Wir haben den Deubel’schen Blick durch die Frontscheibe postuliert und haben jetzt all das, was die Inflationsrate und andere Dinge angeht, die wir früher im Zuge des Spitzausgleichs teilweise nachgezahlt haben, in der Masse berücksichtigt.

Wenn Sie sich gelegentlich unsere Landesverfassung anschauen würden, auf deren Einhaltung Sie in diesem Fall glücklicherweise einmal Wert legen, dann würden Sie feststellen, dass wir in Artikel 88 die aufgabenangemessene Finanzierung als Verfassungsgrundsatz festgeschrieben haben. Warum sollen wir denn jetzt noch einen Beschluss dazu fassen, dass wir uns rechtskonform und gesetzestreu verhalten? - Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

War das jetzt Ihre Antwort?

Ja.

Dann ist jetzt Herr Weihrich an der Reihe.

Herr Kollege Barthel, Sie haben das Stichwort für meine Frage schon geliefert, nämlich den Punkt aufgabenbezogener Finanzausgleich. Sie haben gesagt, dass das FAG jetzt aufgabenbezogen ist. Also werden die Aufgaben, die die Kommunen zu erfüllen haben, durch das FAG ausgeglichen.

In der Berechnung der Ausgleichsmasse ist der Abbau der Altdefizite aber nicht berücksichtigt. Deswegen meine konkrete Frage: Woher sollen denn die Kommunen, gerade diejenigen, die auch ein strukturelles Defizit aufweisen, diesen Eigenanteil nehmen, den Sie für Stark IV fordern?

Jetzt sind wir wieder bei unserem Verständnis von Partnerschaft. Es gibt viele Kommunen, die bis heute weder Personalentwicklungskonzepte noch Gemeindeentwicklungskonzepte haben. Sie haben in der Vergangenheit immer sehr spontan - so möchte ich es einmal bezeichnen - und nicht strategisch agiert.

Man muss sozusagen die Notwendigkeit verdeutlichen, dass man mit geringer werdenden finanziellen Mitteln natürlich genau überlegt, wo man Schwerpunkte setzt. In diesem Zusammenhang dürfen Einsparungen, Personalabbau und auch das Erschließen von Einnahmequellen, was zum Beispiel die Grundsteuer A und B sowie eigene Gebühren und Steuern angeht, nicht vergessen werden; diese müssen aktiviert werden. Das soll an dieser Stelle auch dazu dienen, dass man Überschüsse erwirtschaftet, um den Eigenanteil für die Konsolidierung des eigenen Haushalts leisten zu können.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wir mischen uns hier - dies wurde vorhin vom Finanzminister gesagt - in eine zutiefst kommunale Aufgabe ein, nämlich den Haushalt in den Griff zu bekommen und keine Schulden zu machen. Wir als Gemeinderäte sind doch nur Treuhänder des Geldes, das uns anvertraut wird. Es steht nirgendwo, dass wir ständig über unsere Verhältnisse leben sollen. Aber wenn wir das tun, dann müssen wir auch das Kreuz haben, das Defizit, das wir erwirtschaftet haben, durch schmerzliche Einschnitte wieder auszugleichen. Dass uns das Land hierbei hilft, finde ich sehr vernünftig.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Barthel. - Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Kollege Erdmenger. Bitte schön, Herr Erdmenger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der heutigen Debatte geht es nicht darum zu fragen: Wollen wir Stark IV oder wollen wir es nicht?. Oder neutraler formuliert: Wollen wir Hilfen für die Kommunen für die Altschulden oder wollen wir diese nicht? Ich glaube, wir alle hier im Haus sind uns darin einig: Wir wollen und brauchen in Sachsen-Anhalt diese Hilfen zum Abbau der Altschulden in den Kommunen.

Worum es in dieser Debatte tatsächlich geht, ist doch die Frage: Tun wir das, indem wir die lokale Demokratie stärken, oder tun wir das, indem wir die Landesbürokratie in die Kommunen hineinschicken? - Das ist die Frage, um die es hierbei geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz vordergründig - darauf möchte ich anhand der Zahlen hinweisen - geht es auch um die Frage der Schulden und der Zinslast, die die Kommunen zu tragen haben. Kommunen in Sachsen-Anhalt haben Ausgaben - ich habe es einmal pro Einwohner gerechnet, damit man es sich besser vorstellen kann - in Höhe von durchschnittlich 2 000 € pro Jahr. Für Zinsen für Altschulden geben Kommunen in Sachsen-Anhalt schätzungsweise weniger als 20 € pro Jahr und Einwohner aus.

Das heißt, das ist überhaupt nicht der Betrag, der uns auf der Aufgabenseite der Kommunen an den Rand drücken würde und bei dem wir sagen müssten: Wegen der ernormen Zins- und Schuldenlast müssen wir etwas tun. Es wäre natürlich ein guter Effekt, wenn wir am Ende von zehn Jahren auch diese 20 € eingespart haben - man soll ja überall mit dem Sparen beginnen -, aber darum geht es doch nicht.

Vielmehr geht es darum, dass wir die lokale Demokratie in den 60 % der Gemeinden in SachsenAnhalt wiederherstellen müssen, die zurzeit in der Konsolidierung sind, damit unter verschärfter Aufsicht der Kommunalaufsicht stehen und deswegen gar nicht mehr eigenständig entscheiden können, wie sie ihre lokale Politik gestalten wollen. Um diese Frage geht es doch, wenn wir die Altschulden abbauen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und wie reagiert die Landesregierung darauf? - Zunächst einmal gut: mit einem Programm, das ordentlich Geld enthält und wirklich Schritte möglich macht, mit denen wir an dieser Stelle vorankommen. Aber darüber hinaus - das ist im hinteren Teil des Konzeptpapiers zu Stark IV zu le

sen - regiert sie mit mehr Bürokratie und Zwangsbeglückung.

Ich möchte Ihnen Beispiele dafür nennen. In dem Papier steht: Doppelstrukturen sind abzubauen. Damit sind Schulen, Kindergärten, Sportstätten, aber auch Außenstellen der Verwaltung gemeint. Die Beamtinnen und Beamten und die Angestellten der Landesregierung, die damit beschäftigt sind, sollen also besser als die Kommunen wissen, ob man mit Außenstellen der Verwaltung arbeitet oder nicht. Das soll den Kommunen von der Landesebene vorgegeben werden, wenn sie an dem Programm teilnehmen. Es wird gesagt, weitere Wege seien dann zumutbar.